Es begann mit der globalen Finanzkrise. Daraus wurde schnell die Staatsschuldenkrise in der Eurozone, die sich (mangels passender Diagnose und Therapie) zur Eurokrise auswuchs. Danach kam die Flüchtlingskrise, die Legitimationskrise und der Brexit – und heute hat die EU ein Problem mit Rechtspopulisten und Nationalisten, aber auch mit Strategie und Führung. Bei so vielen Problemen kann man auch schon einmal von einer „Polykrise“ sprechen, wie Jean-Claude Juncker – oder vom Ende der EU, wie wir sie bisher kannten, wie in unserem E-Book. Auf jeden Fall gibt es viel zu lesen – die besten Blogposts zum Stichwort EU-Krise finden Sie auf dieser Seite!
EU-Krise im Superwahljahr: Wir schaffen das nicht mehr
Krise, welche Krise? Seit dem gescheiterten Verfassungsvertrag 2005 hat die EU schon so viele Turbulenzen durchlaufen, dass sie unverwüstbar scheint.
Jede Krise sei eine Chance, sagen überzeugte EUropäer. „Mehr EUropa“ heiße die Antwort auf alle Probleme. Und so wurden der EU immer mehr Aufgaben zugeteilt.
Nach dem Binnenmarkt kam der Euro, dann die Energiepolitik, die Migration, das Klima, die Gesundheit und schließlich der Krieg – pardon: die Verteidigung.
„Wir schaffen das“ – Frau Merkels Motto aus der Flüchtlingskrise 2015/16 – ist zum Schlachtruf in Brüssel geworden. Kommissionschefin von der Leyen kündigt ständige neue Ziele an.
Der „European Green Deal“, die „Gesundheitsunion“, die „strategische Autonomie“ und nun auch noch die „historische“ Erweiterung: Von der Leyen hat die EU in eine Großbaustelle verwandelt.
Doch die Ankündigungs-Europameisterin hat zu viel versprochen. Die historischen Missionen – Frieden, Stabilität, Wohlstand – werden bereits seit geraumer Zeit nicht mehr erfüllt.
– Der Frieden ist verloren – und die EU macht auch keine Anstalten, ihn bald wiederzugewinnen.
– Der Binnenmarkt bringt kein (zusätzliches) Wachstum mehr, weshalb nun der Ruf nach Reformen erschallt.
– Der Euro ist 25 Jahre nach seiner Einführung immer noch unvollständig, die Kritik ist nicht verstummt.
– Die politische Union, die die Währungsunion stützen sollte, fehlt. Delors Erbe wurde verraten, Tietmeyers Warnungen wurden überhört.
– Der Stabilitätspakt hat sich als Fehlschlag erwiesen. Die nun geplanten Reformen könnten alles noch schlimmer machen.
Update Wirtschaftskrise: „USA hängen EU ab“
Die EU fällt weiter hinter die USA zurück. Und das nicht nur heute, sondern vermutlich für längere Zeit.
Die Wirtschaft fällt zurück, die Bürger verlieren
Seit Wochen tobt ein ungewöhnlicher Streit in Brüssel. Ausgelöst wurde er durch einen Artikel in der britischen „FT“, wonach die EU bei fast allen wichtigen Wirtschaftsindikatoren hinter die USA zurückgefallen sei.
Noch 2008 sei die Wirtschaft etwas größer als jene in den USA gewesen. Doch 2022 habe sich das Verhältnis umgekehrt – die US-Wirtschaft sei nun ein Drittel größer – und sogar 50 Prozent mehr als die EU ohne das UK.
Das klingt nach einem dramatischen Niedergang. Doch offenbar wurde der Wechselkurs vergessen. Auch andere Aspekte seien vernachlässigt worden, heißt es im Brüsseler Thinktank Bruegel. In Wahrheit halte sich die europäische Wirtschaft ganz gut.
Wer hat recht? Das sollen die Ökonomen entscheiden. Fest steht, dass das Wirtschaftswachstum hinter andere Regionen zurückfällt, Deutschland flirtet sogar mit der Rezession. Sie könnte bald schon die ganze Eurozone erfassen.
Fest steht auch, dass es so nicht weitergehen kann. Während die Wirtschaft um den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit fürchtet und mit Abwanderung droht, können viele Menschen ihre Rechnungen nicht mehr zahlen – das Leben ist schlicht zu teuer geworden.
Anne Will: Zum Abschied noch ein bißchen Jammern über EUropa
In ihrer letzten Sendung wollte Anne Will über „die Welt in Unordnung“ sprechen. Stattdessen ging es vor allem um die EU und die deutsche EU-Politik.
Die neue EU-Krise: Der Terror ist zurück
Der Terror ist zurück. Erst in Frankreich, wo ein Lehrer am hellichten Tag in seiner Schule erstochen wurde. Dann in Belgien, wo zwei schwedische Fußballfans auf offener Straße hingerichtet wurden.
Und nun wohl auch in Deutschland – in Duisburg wurde ein polizeibekannter islamistischer Gefährder festgenommen. Er steht im Verdacht, einen Anschlag mit einem Lkw geplant zu haben.
In allen drei Fällen geht es um Islamisten, im deutschen Fall wird ein Zusammenhang mit dem Krieg in Israel und der Terror-Organisation Hamas vermutet. Die beiden anderen Täter kamen aus Tschetschenien bzw. Tunesien.
Der Tunesier, der in Brüssel zuschlug, hatte 2011 in Norwegen, 2012 in Schweden und 2014 in Italien Asyl beantragt. Danach versuchte er es auch in Belgien. Doch trotz einer neuerlichen Absage wurde er nicht abgeschoben.
Mittlerweile ist der belgische Justizminister wegen des eklatanten Versagens zurückgetreten. Doch auf EU-Ebene, die ja offensichtlich mitbetroffen ist und ebenfalls versagt hat, passiert – nichts.
Bei ihrem letzten Treffen in Brüssel offenbarten die europäischen Innenminister ihre Hilfslosigkeit. Sie sprachen sich für eine Pflicht zur Abschiebung von Gefährdern aus, konnten jedoch nicht sagen, wie.
Das Problem ist nicht nur die Rückführungsrichtlinie der EU, die im Europaparlament feststeckt. Das Hauptproblem ist, dass dass das Asylrecht mißbraucht wird und die Abschiebungen nicht funktionieren.
Nach Angaben von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson wurden bei 400.000 Rückführungsentscheidungen in diesem Jahr nur 65.000 Migranten tatsächlich in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt!
EU-Krise: Zwei Kriege, doppelte Standards, keine Strategie
Doppelte Standards – bisher war dieses Wort in Brüssel tabu. Wer der EU „double standards“ vorwarf, weil europäische Politiker in einem Land dieses, in einem anderen jenes predigen, wurde sofort des „Whataboutism“ bezichtigt. Diplomaten nahmen dieses Wort nicht in den Mund.
Nun ist es auf allen Lippen. „Uns werden doppelte Standards vorgeworfen, im globalen Süden ist dies ein großes Thema“, sagt ein EU-Diplomat. Wieso hilft die EU der Ukraine, nicht aber den Palästinensern, so die häufig gestellte Frage.
Der Westen habe den globalen Süden verloren, schreibt die FT. Die außenpolitische Katastrophe in Israel hat die Glaubwürdigkeit all jener erschüttert, die bisher so getan hatten, als drehe sich die ganze Welt um die Ukraine und Europa.
Die EU-Spitze versucht nun, ihren Ruf zu retten, indem sie nach humanitärer Hilfe für die Palästineser ruft. Doch das überzeugt nicht. Denn gleichzeitig geben Deutschland und andere EU-Staaten Israel freie Hand für die Bodenoffensive in Gaza.
Dies ist die dritte und vielleicht fatale Krise der europäischen Diplomatie. Die erste begann, als sich die EUropäer aus der Nahost-Politik zurückzogen und den USA das Feld überließen. Vor dem Krieg in der Ukraine unternahm die EU – nichts.
Die zweite Krise kam mit der Abdankung der Diplomaten nach der russischen Invasion. Nicht einmal die Friedensverhandlungen im März 2022 haben die EUropäer unterstützt. „Der Krieg wird auf dem Schlachtfeld entschieden“, hieß es in Brüssel.
Nun kommt die dritte, globale Krise. Die EU muß erklären, ob sie sich auf die Seite der USA und Israels schlagen will (und so aus dem Spiel nimmt) – oder ob sie doch noch ein Ohr für den Rest der Welt hat. Der Süden wird sich sonst von Europa abwenden.
Die neue EU-Krise: Fast wie 2015/16 – nur schlimmer
Erfolg besteht nicht darin, dass niemals Fehler gemacht werden, sondern dass der gleiche Fehler nicht zweimal passiert.
George Bernard Shaw
Wenn Shaw recht hat, dann ist die Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU ein einziger großer Mißerfolg. Denn die Fehler der ersten großen Flüchtlingskrise 2015/16 wurden nicht nur wiederholt. Sechs Jahre später ist alles sogar noch viel schlimmer. Doch die neue Krise wurde allzu lange verdrängt und geleugnet.
Erst jetzt, nach den verlorenen Landtagswahlen in Hessen und Bayern, wacht die Ampel-Regierung in Berlin auf. Und nur wegen der bevorstehenden Europawahl hat es auch Brüssel plötzlich ganz eilig.
Die Antworten, die Bundesinnenministerin Faeser und die EU-Kommission nun in aller Eile suchen, reichen aber nicht. Damit wird man, da sind sich Experten einig, der kritischen Lage nicht Herr.
Die viel beschworene „europäische Lösung“ bleibe eine Illusion, kritisiert Migrationsforscher Koopmans. Die Flüchtlingsfrage entwickele sich zu einer „Bedrohung für die Demokratie“.
Vor einem „historischen Fluchtwinter“ warnt sein Kollege Knaus. Der drohe, wenn sich die Lage in der Ukraine weiter zuspitzen sollte. Dabei sind Kommunen und Länder jetzt schon überfordert.
Denn anders als 2015/16, als Asylbewerber „nur“ vom Balkan und aus Syrien kamen, müssen Deutschland und andere EU-Länder diesmal auch noch die rund vier Millionen Ukraine-Flüchtlinge versorgen.
Doch statt sich um ein Ende des Ukraine-Kriegs zu kümmern und „Fluchtursachen“ zu beseitigen, hat die EU den Schutz für Ukrainer bis 2025 verlängert! In Brüssel rechnet man offenbar damit, dass die Krise noch solange weitergeht.
Die neue EU-Krise: Vom Kurs abgekommen
Früher war klar, worum es ging: Frieden, Wohlstand und Stabilität waren die Versprechen, mit denen die EU angetreten ist. Die deutsch-französische Aussöhnung stand für Frieden, der Binnenmarkt für Wohlstand und der Euro für Stabilität.
Aus, vorbei. Der Frieden ist in der Ukraine verloren gegangen, die EU sucht ihn nicht einmal mehr. Der Binnenmarkt leidet unter kontraproduktiven Sanktionen und explodierenden Energiepreisen. Die Eurozone hat die Inflation nicht im Griff; die steigenden Lebenshaltungskosten gefährden den Wohlstand.
Die EU hat alle Ziele verfehlt, die Politik ist vom Kurs abgekommen. Doch statt sich dies einzugestehen und Abhilfe zu suchen, wird die Krise verdrängt. Früher gab es wenigstens noch Krisengipfel, um die Probleme zu lösen. Heute gibt es nicht einmal mehr das.
Beim EPG-Gipfel in Granada wurde um den heißen Brei herumgeredet. Die Ohnmacht in Bergkarabach und im Kosovo sollte ebenso wenig auffallen wie der tiefe Riss, der die EU sieben Jahre nach der ersten großen Flüchtlingskrise 2015/16 immer noch zerreisst.
Statt sich an die eigenen Versprechen zu erinnern und den Kurs neu zu bestimmen, suchen die EU-Politiker die Flucht nach vorn. Im Beitritt der Ukraine, Moldaus sowie der Westbalkan-Länder soll das neue, „geopolitische“ Heil liegen. Bis 2030 soll alles geschafft sein.
Bis dahin will die EU nicht nur die Ukraine retten – wofür jetzt schon neue Schulden gemacht und neue Waffenfabriken hochgezogen werden. Sie will sich auch selbst reformieren, damit es keine internen Blockaden mehr gibt und immer mehr Mittel nach Osteuropa gepumpt werden können.
Doch wo bleiben die Bürger, wer vertritt die Interessen der 450 Millionen West- und Mitteleuropäer?
Flüchtlingskrise überschattet EU-Gipfel
Nach dem EPG-Gipfel in Granada kriselt es auch gewaltig beim informellen EU-Spitzentreffen am selben Ort. Ungarn und Polen blockieren eine Erklärung zur Flüchtlingskrise.
Die AfD und die Aporien der EU
Der frühere EU-Chef Martin Schulz hat die Politik aufgefordert, die Ängste vor einem sozialen Abstieg ernster nehmen. Nur so ließen sich die AfD und andere Populisten stoppen. Doch seine Analyse greift zu kurz.
„In dem Moment, in dem die Politik diese Angst durch konkretes Handeln abmildert, können wir Menschen davor schützen, blind Populisten zu folgen“, sagte Schulz dem digitalen Medienhaus „Table.Media“.
Der SPD-Politiker spricht damit einen wichtigen Punkt an. Denn spätestens seit der Finanz- und Eurokrise ist die Angst vor einem sozialen Abstieg real – sie hat sogar große Teile der Mittelschicht erfasst.
Doch eigentlich wäre es Aufgabe von Schulz‘ Genossen, die sozialen Probleme zu lösen. Das gelingt ihnen offenbar nicht mehr, oder nicht ausreichend. Zudem nährt sich die AfD von zwei anderen, ungelösten Problemen.
Sie entstand während der Eurokrise, als die AfD einen härteren und sozial rücksichtsloseren Kurs gegenüber den „Schuldensündern“ forderte. Und sie nährt sich von der andauernden Migrationskrise.
Die EU hat beide Probleme mit verschuldet – und erweist sich bis heute als unfähig, sie zu lösen.
Klima, Krise, Krieg: Der Konsens bröckelt
In Brüssel beginnt langsam aber sicher die Sommerpause. Sie steht im Zeichen von Klima, Krise und Krieg. Die Bilanz der letzten Monate sieht nicht toll aus : Der Konsens bröckelt auf allen Ebenen.
– Der EU-Gipfel konnte sich nicht auf eine Erklärung zur Migrationspolitik einigen. Die Flüchtlingskrise spitzt sich immer mehr zu.
– Der Nato-Gipfel konnte sich nicht auf einen Fahrplan für den Ukraine-Beitritt einigen. Die EUropäer zogen nicht an einem Strang, der Krieg in Europa eskaliert immer weiter.
– Das Europaparlament konnte sich nicht auf eine Position zum Naturschutz einigen (es hat schließlich den Standpunkt des Rats übernommen und ihn noch mehr verwässert).
– Die EU-Finanzminister können sich nicht auf eine Reform des Stabilitätspakts einigen. Nun streiten sie auch über eine Aufstockung des Budgets – der EU geht das Geld aus.
– Auch in den EU-Ländern bröckelt der Konsens. Nach Italien, Schweden, Finnland und Griechenland könnte bald auch noch Spanien von Rechten regiert werden.
Sanktionen, Getreide, Munition: Die Solidarität mit der Ukraine bröckelt
Bisher hat das Feinbild „Putin“ die EU zusammengeschweißt. Nur Ungarn stellte sich quer, konnte jedoch nicht viel ausrichten. Doch nun bröckelt die Solidarität mit der Ukraine – sogar wichtige Partner stellen sich quer.
Probleme gibt es gleich in drei Bereichen, die für die Ukraine- und Russland-Politik wichtig sind. Sie gehen tiefer und halten länger an, als es die vollmundigen Erklärungen der EU-Chefs vermuten lassen:
– Sanktionen: Die 27 können sich nicht mehr auf neue Strafmaßnahmen gegen Russland einigen. Ein Vorstoß der USA für ein generelles Exportverbot ist gerade krachend gescheitert. Aber auch Deutschland kann sich mit der Forderung, den russischen Atomsektor ins Visier zu nehmen, nicht durchsetzen. (…)
– Getreide: Mit „Solidarity lanes“ wollte die EU den ukrainischen Bauern helfen, ihr Getreide nach Afrika und in andere bedürftige Regionen der Welt zu exportieren. Doch die auf dem Landweg importierten Agrarprodukte bleiben in Lagern hängen und verderben die Preise. (…)
– Munition: Seit Wochen verspricht die EU, den akuten Munitionsmangel in der Ukraine zu beheben. Doch sie hat den Mund zu voll genommen. Die Lagerbestände reichen nicht aus, um die in einer zweiten Phase versprochenen gemeinsamen Beschaffungen gibt es Streit. (…)
Ausblick 2023: Der Wohlstand schwindet, EUropa wird abgehängt
Die EU steht bzw. stand nicht nur für Frieden, sondern auch für Wohlstand. Doch das Wohlstandsversprechen werden die meisten Mitgliedsstaaten im neuen Jahr nicht einlösen können. Deutschland und EUropa drohen abgehängt zu werden – der Wirtschaftskrieg geht nach hinten los.
Dies zeigen die 180 Folgen unserer Serie “Europa im Wirtschaftskrieg” (Live-Blog hier). Zuletzt haben sich die Aussichten zwar verbessert – die Inflation schwächt sich leicht ab, das Geschäftsklima hat sich ein wenig aufgehellt, der Euro hat sich erholt.
Doch strukturell ist die Lage schlecht wie nie. Sanktionen und Gegensanktionen haben die europäische Wirtschaft schwer in Mitleidenschaft gezogen; viele Industriezweige sind angesichts viel zu hoher Energiepreise kaum noch wettbewerbsfähig.
Die EU hat 2022 jedoch vor der Aufgabe versagt, wenigstens die Märkte neu zu ordnen (wenn man schon nicht an den kontraproduktiven Sanktionen rütteln will). Der Strompreis hängt weiter vom Gaspreis ab, und nicht von billiger grüner Energie – ein Widersinn.
Nur bei Putin ist sich die EU noch einig (halbwegs)
Der Konsens in der Tagespolitik ist futsch, eine gemeinsame Zukunftsvision gibt es auch nicht. Im Grunde wird die EU nur noch durch das Feindbild Putin und den Krieg in der Ukraine zusammengehalten. Dies zeigen die Flops der letzten Tage in Brüssel.
So haben sich die Fronten im Streit um einen Gaspreisdeckel weiter verhärtet. Ein Vorschlag der EU-Kommission sorgte beim Treffen der 27 Energieminister am 24.11. für so viel Ärger, dass auch eigentlich unstrittige Themen auf die lange Bank geschoben wurden.
“Es war eine hitzige Debatte”, räumte der tschechische Minister Jozef Sikela als Vorsitzender des Energierats nach dem Treffen ein. Man habe sich nicht auf einen Preisdeckel einigen können und werde sich am 13. Dezember erneut treffen.
Der Streit um die Energiepolitik ist nicht das einzige Beispiel für Blockaden. Die EU hat in vielen wichtigen Politikbereichen massive Probleme. Ein Dauerbrenner ist die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Seit 2015 gilt „rien ne va plus“ – nichts geht mehr.
Auch bei der Reform der Schuldenregeln geht es nicht voran. Auch hier fährt Deutschland eine harte Linie, die vielen nicht passt. In der Handelspolitik schließlich lähmen sich die EU-Länder so sehr, dass sie keine Antwort auf die Subventionen der USA finden.
Der Konsens in der Tagespolitik ist futsch, eine gemeinsame Zukunftsvision haben die 27 auch nicht mehr. Sie sind sich nicht einmal einig, was mit den Ergebnissen der „Konferenz zur Zukunft Europas“ geschehen soll! Deshalb liegen alle wichtigen Reformen auf Eis.
Update: Europe’s losing, Steinmeier gibt Putin die Schuld
In einer Grundsatzrede räumt Bundesrepublik Steinmeier ein, dass auf Deutschland harte Jahre zukommen. Die Schuld gibt er Kremlchef Putin.
Europe’s losing. Now what?
Für das Insider-Portal “Politico” ist der Fall klar: “Putin’s losing” titelt das Springer-Magazin, das sich auf EU-Themen spezialisiert hat. Auf die naheliegende Frage, wie es um Europa steht, kommen die Kollegen nicht.
Dabei ist auch die EU auf der Verliererstrasse. Die Europäer ächzen unter dem größten Flüchtlingstreck seit dem Zweiten Weltkrieg, den höchsten Energiepreisen aller Zeiten und einer Inflation, die im zweistelligen Bereich liegt.
Die halbe Eurozone rutscht in die Rezession, der deutsch-französische Motor zieht nicht mehr, das europäische Nachkriegsmodell ist en panne. Doch das will sich niemand eingestehen. Selbst die Energiekrise wird verdrängt.
Die Beschlüsse, die der letzte EU-Gipfel gefasst hat, sind nur vage Absichtserklärungen. Bis endlich Taten folgen, können Wochen, wenn nicht Monate vergehen. Dabei kostet Gas jetzt schon zehnmal so viel wie in den USA.
Als nächstes droht ein Ölpreisschock. Denn das unsinnige Ölembargo, das die EU im Sommer beschlossen hat und das im Dezember in Kraft tritt, wird die Preise treiben. Beim Diesel ist der negative Effekt jetzt schon spürbar.
Wenn dann auch noch der Winter kommt und Gas, Öl und Strom gleichzeitig unbezahlbar werden, wird auch ein Robert Habeck merken, dass wir mit Zitronen gehandelt haben, während die USA von der Krise profitieren.
Europe’s losing. Now what? Eine Antwort sucht man in Brüssel vergebens. Im Europaviertel hat man bisher nicht einmal erkannt, dass die EU auf der Verliererstraße ist. Putin’s losing – das ist es, was die Gemüter bewegt…
Kopflos in die große Krise
Das “Ende des Überflusses, der Sorglosigkeit und der Gewissheiten”: So beschreibt Frankreichs Sonnenkönig Macron die Lage in diesem ukrainischen Herbst.
“Das ist im Grunde eine große Umwälzung, die wir erleben und auf die unsere Landsleute mit großer Beunruhigung reagieren können”, sagte der Präsident.
Offenbar hegt er die Sorge, dass die Franzosen auf die Barrikaden gehen könnten. Die Preisexplosion bei Gas, Strom und Lebensmitteln gibt Grund genug.
Auf Proteste stellt man sich auch in Belgien, im UK und in den Niederlanden ein. Dort sind die Bauernproteste wieder aufgeflammt, die Unzufriedenheit ist mit Händen zu greifen.
Sogar in Deutschland macht sich Unmut breit. Innenministerin Faeser versucht, alle möglichen Proteste als “rechtsextrem” zu framen – dabei ruft auch die Linke zu Demos auf.
Und was macht die EU? Hat sie den Ernst der Lage überhaupt wahrgenommen? Zweifel sind erlaubt, wenn man sich die Reden zum Unabhängigkeitstag der Ukraine anschaut.
Die Ukraine-Politik wird ebenso wenig infrage gestellt wie die Sanktionen gegen Russland. Lockerungen sind ebenso wenig ein Thema wie Friedens-Verhandlungen.
Mit Blick auf die Zukunft wird lediglich der EU-Beitritt der Ukraine beschworen – als wenn das irgendein Problem lösen würde. Andere Perspektiven sucht man vergebens.
Angesichts der sich zuspitzenden und überlappenden Krisen (neben der Ukraine haben wir auch noch Corona und die Klimakrise) stehe die EU vor einem “Führungs-Vakuum”, klagt der EU-Experte M. Rahman.
Neue Bücher zur EU und ihrer Krise (II)
Von der Polykrise zur Permakrise – so beurteilen Experten die aktuelle Lage der EU. Immerhin ist der europäische Club so wandlungsfähig, dass er alle Probleme aufsaugt und immer neue (Schein-)Lösungen erfindet. Davon zeugen auch die Bücher, die wir zur kritischen Lektüre empfehlen.
Die Chance zur Reform, der Besuch in Paris – und neue Corona-Rekorde
Alles zusammen ergibt ein “Window of Opportunity”, wie wir es schon lange nicht mehr hatten. Endlich könnte die lähmende Politik des Status Quo, die Ex-Kanzlerin Merkel betrieb, beendet werden.
Das Jahr der bitteren Rückschläge
2021 war – wenn man dem offiziellen Narrativ folgt – wieder ein erfolgreiches Jahr für die EU. Mitten in der Coronakrise hat sie den Grundstein für eine Gesundheitsunion gelegt, die Beschaffung von Impfstoff für alle 27 Mitgliedsländer organisiert und sogar Vakzine in alle Welt exportiert.
Mit dem Programm “Fit for 55” hat EUropa seine Führungsrolle in der Klimapolitik verteidigt. Zudem wurde die “Resilienz” – zu gut deutsch: Widerstandsfähigkeit – erhöht und im Konflikt mit Russland und Belarus die “Sprache der Macht” erlernt, was sich an diversen Sanktions-Beschlüssen zeigt.
Leider haben die Bürger von diesen Erfolgen nicht viel gehabt. 2021 war für die meisten EUropäer ein Krisenjahr voller enttäuschter Hoffnungen und herber Rückschläge. Auf das Impdebakel im Frühjahr folgte die Ernüchterung im Herbst – der Schutz der Impfung lässt nach, Europa ist wieder Epizentrum der Pandemie.
Trotz vieler Ankündigungen ist die EU nicht “fit for 55”. Selbst Deutschland liegt zurück, wie der neue grüne Superminister Habeck nach Weihnachten einräumte. Und von Sanktionen kann man sich nichts kaufen – im Gegenteil: Sie schaden nicht nur der anderen Seite, sondern auch der deutschen Wirtschaft.