Es begann mit der globalen Finanzkrise. Daraus wurde schnell die Staatsschuldenkrise in der Eurozone, die sich (mangels passender Diagnose und Therapie) zur Eurokrise auswuchs. Danach kam die Flüchtlingskrise, die Legitimationskrise und der Brexit – und heute hat die EU ein Problem mit Rechtspopulisten und Nationalisten, aber auch mit Strategie und Führung. Bei so vielen Problemen kann man auch schon einmal von einer “Polykrise” sprechen, wie Jean-Claude Juncker – oder vom Ende der EU, wie wir sie bisher kannten, wie in unserem E-Book. Auf jeden Fall gibt es viel zu lesen – die besten Blogposts zum Stichwort EU-Krise finden Sie auf dieser Seite!
Die gelähmte Kommission
Eigentlich wollte die EU-Kommission noch vor Weihnachten ihren Entwurf zur Taxonomie vorlegen. Doch die Behörde ist gelähmt – wegen eines deutsch-französischen Streits um Kernenergie und Gas. Es ist nicht das einzige Problem.
Auch ein mit Spannung erwarteter Entwurf zu den internationalen Lieferketten der Unternehmen wurde auf 2022 vertagt. Dasselbe gilt für ein dringend benötigtes Update zum Ökodesign, etwa bei Handys.
Alle drei Beispiele sind Bestandteil des “European Green Deal”, den Kommissionschefin von der Leyen vor zwei Jahren großartig angekündigt hat. Doch die CDU-Politikerin liefert nicht.
Den Grund muß man nicht lange suchen: Von der Leyen ist abhängig von Deutschland und Frankreich. Beide Länder haben sie nach der Europawahl in ihr Amt eingesetzt, gegen Berlin und Paris kann sie nichts tun.
Die EU-Kommission ist zu einem Sekretariat der Mitgliedsstaaten geworden, nur gegen Ungarn und Polen geht sie mit zunehmender Härte vor. Doch selbst das nur, weil Berlin und Paris es so wollen.
Von der Polykrise zur Permakrise
Die Ära Merkel ist vorbei, die hochgelobte Krisenmanagerin hat Platz für ihren Nachfolger Scholz gemacht. Doch keine einzige Krise ist gelöst – im Gegenteil: Von der “Polykrise” (J.-C. Juncker) schlittert die EU in die Permakrise.
Gleich drei Problemthemen haben den letzten EU-Gipfel des Jahres überschattet. Da war zunächst Russland: Wie soll man mit dem Truppenaufmarsch in Westrussland umgehen? Die EU-Chefs waren sich alles andere als einig.
Während Polen und Balten sofortige Sanktionen forderten, wollten Deutschland und Frankreich die Tür zum Dialog offenhalten. Der Kompromiss ist eine Sanktions-Drohung, die mit einem Dialog-Angebot garniert ist.
Aber auch USA und Nato dürfen mitreden. Das zeigt, dass es mit der “europäischen Souveränität” nicht weit her ist. Im Zweifel wird US-Präsident Biden den Befehl zu Strafmaßnahmen geben – und nicht Scholz oder Präsident Macron.
Die EU hat sich zwar eine neue Einflußzone in Osteuropa gesichert, wie der Gipfel mit der “Ostpartnerschaft” am Mittwoch gezeigt hat. Doch sie hat weder eine funktionierende Russland- noch eine ernstzunehmende Sicherheitspolitik. Ein Trauerspiel.
Krisengebiet EUropa: Diese Probleme kommen auf Scholz und Baerbock zu
Kanzlerin Merkel galt als hervorragende Krisenmanagerin. Doch nach dem Ende ihrer 16-jährigen Amtszeit steckt die EU immer noch in der Krise, sogar tiefer denn je. Was kommt auf ihren Nachfolger zu?
Kanzler Scholz will eine Spaltung in der EU verhindern. Deutschland dürfe nicht am Rande stehen, sondern sei für das Gelingen der europäischen Integration verantwortlich, sagte der SPD-Politiker. “Deshalb betrachten wir es als wichtige Aufgabe, dass es eine solche Spaltung nicht geben wird, weder Nord-Süd, noch Ost-West”.
Dummerweise ist die “Union” längst gespalten, wie Merkel bei ihrem letzten EU-Gipfel im Juni einräumen musste. Und daran war Deutschland nicht unschuldig. Die Nord-Süd-Spaltung wurde durch Merkels Austeritätspolitik in der Eurokrise vertieft, der Ost-West-Graben entstand im Streit um Flüchtlinge und Rechtsstaat.
Es kommt also einiges auf Scholz zu, wenn er seine Ankündigung in die Tat umsetzen will. Der Konflikt um den Rechtsstaat dürfte schon bei seinem ersten EU-Gipfel in der kommenden Woche hochkochen – Polen und Ungarn widersetzen sich mehr denn je den politischen Weisungen und frommen Wünschen aus Brüssel und Berlin.
Der Merkel-Nachfolger wird lavieren müssen – zwischen den großen Versprechen im Koalitionsvertrag und der traurigen Realität in der EU. Ungarns Orban und Polens Kaczyński sehen Deutschland schon lange nicht mehr als ehrlichen Makler, sondern als dominierende und disziplinierende Macht, die es zurückzuweisen gilt.
Auf der Kippe
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Der Streit mit Polen über EU-Recht und Justizreform eskaliert. Die Coronakrise ist zurück. Und die EU findet keine Lösung der Energiekrise – doch Russland hilft.
Merkel wird zur “lame duck” – ausgerechnet jetzt
Der neue Bundestag hat sich konstituiert, die alte Bundesregierung ist nur noch geschäftsführend im Amt. Damit wird auch Kanzlerin Merkel zur “lame duck” – in einem kritischen Moment der europäischen “Polykrise”.
Die EU huldigt Merkel – doch die sorgt sich um die (verlorene) Union
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? – Der EU-Gipfel findet keine Lösung für die Streitthemen Rechtsstaat und Energiekrise. Einig sind sich die 27 Staats- und Regierungschefs nur in ihrer Huldigung an Kanzlerin Merkel. Doch die hinterlässt eine tief gespaltene Union.
Ampel ohne Ambition für EUropa
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Die Ampelkoalition nimmt Gestalt an – doch sie hat keine Ambition für EUropa. Die Kanzlerin ist auf Abschiedsreise in Ankara – sie macht Appeasement bis zuletzt. Und dann war da noch der Katzenjammer der Konservativen.
Merkel-Vakuum? – Die EU führt längst ein Eigenleben
Das befürchtete “Merkel-Vakuum” ist ausgeblieben. In Brüssel geht die Arbeit weiter wie vor der Bundestagswahl, die EU führt längst ein Eigenleben. Doch die Energiekrise und der Streit mit Polen wird sich nicht ohne Deutschland lösen lassen.
Wann sprechen Scholz & friends denn ‘mal über EUropa?
Na endlich: SPD, Grüne und FDP haben mit ihren Sondierungen über eine mögliche Ampel-Koalition begonnen. Doch wann sprechen sie über EUropa?
Merkels sieben Sünden, Teil 7: Der Preis des Pragmatismus
Wie fällt die Bilanz von Kanzlerin Merkel in der Europapolitik aus? Die Erfolge werden breit gewürdigt – wir wollen uns daher auf die Misserfolge und Sünden konzentrieren. Teil 7 und Schluß: Der Preis des Pragmatismus.
Merkels sieben Sünden – Teil 3: Deutsche Alleingänge
Wie fällt die Bilanz von Kanzlerin Merkel in der Europapolitik aus? Die Erfolge werden breit gewürdigt – wir wollen uns daher auf die Misserfolge und Sünden konzentrieren. Teil 3: Deutsche Alleingänge.
Die drei ungelösten Krisen der EU
In unserer Sommerserie greifen wir die wichtigsten europapolitischen Themen dieses Jahres auf – und fragen, was daraus geworden ist. Teil 2: Die ungelösten Krisen der EU in Ungarn, Polen und der Türkei.
Great Reset in der EU: Die Coronakrise
The Great Reset ist eine Initiative des Weltwirtschaftsforums, die eine Neugestaltung der Gesellschaft und Wirtschaft im Anschluss an die COVID-19-Pandemie vorsieht. Was bedeutet das für die EU? Dem gehen wir in unserer neuen Serie nach. In Teil 2 geht es um die Coronakrise.
Great Reset in der EU: Die Klimapolitik
The Great Reset ist eine Initiative des Weltwirtschaftsforums, die eine Neugestaltung der Gesellschaft und Wirtschaft im Anschluss an die COVID-19-Pandemie vorsieht. Was bedeutet das für die EU? Dem gehen wir in unserer neuen Serie nach – Teil 1: Die Klimapolitik.
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EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen war kaum im Amt, da verkündete sie schon den “European Green Deal“: Bis 2050, so die CDU-Politikerin, solle die Wirtschaft in der EU klimaneutral werden. Dies sei der größte Umbau aller Zeiten, vergleichbar nur mit dem Apollo-Programm der 60er Jahre.
Doch der Start wurde durch Corona verzögert. Eine Zeitlang sah es sogar so aus, als könne der “Great Reset” in der Klimapolitik scheitern – die Stützung der von Lockdowns gebeutelten Wirtschaft hatte auf dem Höhepunkt der Coronakrise im Frühjahr 2020 Vorrang vor Umweltschutz und Nachhaltigkeit.
Am Ende entschied sich die EU für einen Mix: Einerseits sollte es massive Konjunkturhilfen geben, um die Coronakrise zu überwinden. Andererseits wollte man die Wirtschaft “nachhaltiger” machen. Beim EU-Gipfel im Juli 2020 wurde beschlossen, vor allem in den Klimaschutz und die Digitalisierung zu investieren.
Allerdings sind allein schon diese Ziele in sich widersprüchlich.
Wer will den “Polexit”?
Die EU-Kommission hat sich “zutiefst besorgt” über das jüngste Urteil des polnischen Verfassungsgerichts gezeigt.
Es hatte am Mittwoch geurteilt, dass die Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Polens umstrittene Justizreformen nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar seien.
“Diese Entscheidung bestätigt unsere Besorgnis über den Zustand der Rechtsstaatlichkeit in Polen“, erklärte nun die Brüsseler Behörde.
“EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht. Alle Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, einschließlich der Anordnungen einstweiliger Maßnahmen, sind für alle Behörden und nationalen Gerichte der Mitgliedsstaaten bindend.”
Doch was, wenn Polen die EuGH-Urteile nicht oder nur noch bedingt anerkennt? Droht dann der “Polexit”, wenigstens in der Rechtsprechung?
Ich denke: nein.
Die “Guten” gegen die “Bösen”: In der EU ist ein hässlicher Kulturkampf entbrannt
Wann hat es angefangen? Mit dem Streit um den Regenbogen und die LGBT-Rechte? Oder mit dem Austritt der ungarischen Fidesz-Partei aus der konservativen EVP?
Sind Kanzlerin Merkel und Kommissionschefin von der Leyen schuld, weil sie den Konflikt mit Ungarn und Polen zu lange schleifen ließen?
Fest steht, dass nun ein Kulturkampf entbrannt ist, wie ihn die EU noch nie gesehen hat. Nicht nur die üblichen Verdächtigen haben die Samthandschuhe abgelegt.
Nein, ausgerechnet der frühere EU–Ratspräsident Donald Tusk heizt den Streit an, indem er die polnische PIS-Regierung ins Reich der “Bösen” verdammt.
«Wir ziehen ins Feld, um gegen das Böse zu kämpfen», erklärte Tusk, als er sich am Wochenende an die Spitze der polnischen Bürgerplattform setzte – und dabei andere liberale Oppositionspolitiker verprellte.
“Das Böse” – das ist für ihn PIS-Chef Jaroslaw Kaczynski, der in Polen “die Parodie einer Diktatur” errichtet habe.
Merkel hinterlässt eine tief gespaltene EU, an der die Bürger (ver-)zweifeln
Was bleibt für Europa nach 16 Jahren Merkel? In Brüssel fällt die Bilanz äußerst zwiespältig aus. Dies zeigt sich an den Themen, die bei Merkels wohl letztem EU-Gipfel auf der Tagesordnung stehen:
– Corona-Pandemie: Merkel hat der EU den Corona-Aufbaufonds beschert, der nun sogar langsam in Gang kommt. Doch rechte Freude will darüber nicht aufkommen.
Die “Frugal four” bestehen auf einer strikten Befristung und auf der Restauration des status quo ante – mit den Maastricht-Schuldenregeln. Frankreich und einige andere Länder denken schon jetzt über ein Aufstockung und Verlängerung nach.
Streit gibt es zudem über die Reiseregeln. Merkel fordert mehr Disziplin, zuletzt hat sie sogar das EU-Vorsitzland Portugal ermahnt. Aber die deutschen Alleingänge bei den Grenzkontrollen und Quarantäneregeln nerven (fast) alle Nachbarn.
– LGBT: Merkel und 16 weitere Staats- und Regierungschefs haben vor dem Gipfel gefordert, die Rechte sexueller Minderheiten zu schützen.
“Wir müssen den Kampf gegen die Diskriminierung der LGBTI-Gemeinschaft fortsetzen und bekräftigen unsere Verteidigung ihrer grundlegenden Rechte”, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben.
Sieben Staaten haben nicht unterzeichnet, darunter auch Ungarns traditioneller Verbündeter Polen sowie Slowenien, das am 1. Juli den EU-Vorsitz übernimmt.
Hier zeichnet sich ein Kulturkampf ab, der weit über den ohnehin schwelenden Rechtsstaats- und Demokratie-Streit hinausgeht.
Update: Wird Deutschland euroskeptisch?
Nach dem Eurobarometer belegt eine weitere Umfrage, dass das Vertrauen in die EU erodiert. Sogar Deutschland könnte vom Glauben abfallen und euroskeptisch werden, warnt der Berliner Thinktank ECFR.
Gut gemeint, schlecht gemacht
Aus Umfragen lässt sich bekanntlich alles herauslesen. Vor allem, wenn es um die EU geht.
“Bürger haben weitgehend positives Bild von der EU, fordern aber Reformen”, heißt es in einer Pressemitteilung des Europaparlaments zur “Eurobarometer”-Umfrage, die zwischen März und April 2021 durchgeführt wurde.
Die Menschen wüßten, was die EU zur Bekämpfung der Pandemie getan hat – und sie wollten, dass sie im Gesundheitsbereich noch mehr tut, lautet das selbstzufriedene Fazit.
Insgesamt zeige die Umfrage “eine starke Unterstützung für die Europäische Union sowie einen breiten Konsens darüber, dass globale Herausforderungen wie die Covid-19-Pandemie am besten auf EU-Ebene angegangen werden.”
Doch im Detail ergibt sich ein völlig anderes Bild.
Weniger als ein Viertel (23 %, 20 % in Deutschland, 22 % in Österreich) befürwortet die EU, “wie sie bisher verwirklicht wurde” – ein Rückgang um vier Punkte seit November/Dezember 2020.
Fast die Hälfte der Befragten (47 % EU-weit, 57 % in Deutschland, 38 % in Österreich) gibt an, “für die EU zu sein, aber nicht so, wie sie bisher verwirklicht wurde”.
Vom Brexit zum Dexit?
Die deutsche Regierung wollte den Grexit. Stattdessen kam der Brexit, den die Bundesregierung nicht wollte. Folgt als Nächstes der Dexit – der deutsche EU-Austritt?