Europe’s losing. Now what?
Für das Insider-Portal “Politico” ist der Fall klar: “Putin’s losing” titelt das Springer-Magazin, das sich auf EU-Themen spezialisiert hat. Auf die naheliegende Frage, wie es um Europa steht, kommen die Kollegen nicht. – English version here
Dabei ist auch die EU auf der Verliererstrasse. Die Europäer ächzen unter dem größten Flüchtlingstreck seit dem Zweiten Weltkrieg, den höchsten Energiepreisen aller Zeiten und einer Inflation, die im zweistelligen Bereich liegt.
Die halbe Eurozone rutscht in die Rezession, der deutsch-französische Motor zieht nicht mehr, das europäische Nachkriegsmodell ist en panne. Doch das will sich niemand eingestehen. Selbst die Energiekrise wird verdrängt.
Die Beschlüsse, die der letzte EU-Gipfel gefasst hat, sind nur vage Absichtserklärungen. Bis endlich Taten folgen, können Wochen, wenn nicht Monate vergehen. Dabei kostet Gas jetzt schon zehnmal so viel wie in den USA.
BASF to downsize ‘permanently’ in Europe
World’s biggest chemicals company says high energy costs make region increasingly uncompetitive
FT
World’s biggest chemicals company says high energy costs make region increasingly uncompetitive
Als nächstes droht ein Ölpreisschock. Denn das unsinnige Ölembargo, das die EU im Sommer beschlossen hat und das im Dezember in Kraft tritt, wird die Preise treiben. Beim Diesel ist der negative Effekt jetzt schon spürbar.
Wenn dann auch noch der Winter kommt und Gas, Öl und Strom gleichzeitig unbezahlbar werden, wird auch ein Robert Habeck merken, dass wir mit Zitronen gehandelt haben, während die USA von der Krise profitieren.
Europe’s losing. Now what? Eine Antwort sucht man in Brüssel vergebens. Im Europaviertel hat man bisher nicht einmal erkannt, dass die EU auf der Verliererstraße ist. Putin’s losing – das ist es, was die Gemüter bewegt…
Siehe auch “Deutschland am Pranger – doch die Kritiker übersehen die wahren Probleme”
P.S. Die Fixierung auf Putin und die Ukraine ist angesichts des Krieges durchaus verständlich. Das entbindet die EU jedoch nicht von der Pflicht, europäische Interessen zu verteidigen die nahende Mega-Krise abzuwenden. Wann wird sie endlich damit anfangen?
KK
29. Oktober 2022 @ 22:56
@ fjesse:
ICH habe kein Medienproblem, die Medien haben ein Problem, ihrer Aufgabe nachzukommen. Und für derart unausgewogenen Journalismus, wie er heute stattfindet, zahle ich nicht auch noch freiwillig. Selbst meine Rundfunkgebühren, mit denen ich bis zu diesem Jahr nie ein Problem hatte, zahle ich inzwischen nur noch mit Bauchschmerzen. Aber ich zahle sie immerhin, also laufen Ihre Vorhaltungen ins Leere.
ICH habe höchstens ein Problem mit Mierenneukern, Beckmessern und Geschichtsvergessenen.
KK
29. Oktober 2022 @ 12:49
@ fjesse:
Was verstehen Sie an dem Wort „meisst“ nicht?
Wenn in einem grossen Kuchen vier Rosinen sind, macht ihn das nicht zu einem Rosinenkuchen – sondern verpflichtet eher zu einem Warnhinweis: „Kann Spuren von Rosinen enthalten“.
Genau so ist es mit der deutschen Medienlandschaft bezüglich des Ukrainekrieges: „Kann Spuren von Analyse enthalten“ – neben der ganzen einseitig und unreflektierten transatlantischen Propaganda.
Diese wenigen meisst auch in „Kommentare“ verpackte Analysen muss man aber schon mit der Lupe Google suchen, um sie zu überhaupt finden, meisst dann eingebettet in mindestens drei Gegenmeinungen (bei SPON jedenfalls die Regel, ebenso in den TV-Talkrunden zum Thema).
Und der Umgang mit den Forenbeiträgen zB bei SPON, wo die kritischen meisst erst nach Stunden online gestellt werden, wo sie dann weit unten nach minutenlangem Scrollen kaum noch gefunden werden, während die genehmen Forenbeiträge ohne jede Verzögerung direkt Erscheinen.
Und das nennt sich selbst dann „ausgewogener Journalismus“ (Melanie Amann/SPIEGEL bei Lanz)…
fjesse
29. Oktober 2022 @ 20:25
@KK
Also das scharfe „s“ in „meist“ wird eigentlich nicht verdoppelt. Auch wenn Sie es dann noch dreimal wiederholen, wird es nicht besser. So halten es auch ebo und ich selbst, wenn ich ihn zitiere. Aber vielleicht war es ein Versuch von Ironie.
Sie bringen so ein nettes Gleichnis, man fühlt sich in biblische Zeiten, oder in den Kindergarten versetzt. Eigentlich würde das schöne Sprichwort vom blinden Huhn, das auch mal ein Körnchen findet, hier besser passen, oder wie es die Franzosen lieben, „le borgne est roi dans le pays des aveugles“ (Der Einäugige ist König im Reich der Blinden). Sonst spricht man ja auch von Leuten, die sich die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken. Was das aber alles in Bezug auf das Finden von angeblich unterdrückten Meinungen oder Fakten bedeuten könnte, weiß ich jetzt auch nicht so, wo sind da die Einäugigen und wo die Blinden. Sie haben da sicher die Antwort zur Hand.
Um Ihr Medienproblem zu lösen, würde ich Ihnen empfehlen, sich eine Zeitung zu halten, oder zumindest ein Abonnement bei einer Online-Zeitung bezahlen. Da können Sie dann bei regelmäßiger Lektüre unterschiedlichste Meinungen entdecken, auch die, die mir oder Ihnen nicht in den Kram passen. Man muss es einfach nur regelmäßig tun, dann braucht man nicht ständig suchen, oder, wenn man schon mal suchen will, kann man sich auf seine reiche und variierte Erinnerung stützen und etwas – recht schnell- finden. Ist doch schön, nicht ?
Ich bin mit Ihnen einverstanden, Forenbeiträge, Talkshows usw. haben vor allem Unterhaltungswert, Sie und ich sind ja exzellente Beispiele dafür.
Zur Sache selbst: Wenn die Medien „meist“ Putin die Schuld am Krieg in die Schuhe schieben, dann liegt es wohl daran, dass dieser seine Truppen über die ukrainische Grenze geschickt hat, um dort den Boden fruchtbar für ein riesiges Chrysanthemenfeld zu machen. Blut ist eben ein ganz besonderer Saft.
Mit blümeranten Grüßen…
ebo
29. Oktober 2022 @ 22:20
Die russische Invasion in der Ukraine hat nur nichts mit dem Strommarkt in der #EU zu tun, um ein Beispiel zu nennen. Auch dass Diesel jetzt so teuer ist, können wir nicht auf Putin schieben – sondern auf Spekulanten, die jetzt schon das Ölembargo der #EU einpreisen.
Arthur Dent
28. Oktober 2022 @ 10:14
„Fuck the EU“ – schon mal gehört? Oder wer zu spät kommt, …? Die Sabotage der Pipelines war eine „Kriegserklärung“ an Deutschland, Frankreich, Niederlande. Die Karten in der EU werden neu gemischt, nicht Deutschland ist der Lieblingsverbündete der USA, wie man hier lange geglaubt hat, sondern Polen hat den Deutschen den Rang abgelaufen. Polen ist sehr proamerikanisch, rüstet enorm auf und ist gegenüber Russland eher auf „Krawall gebürstet“. Sowohl Trump als auch Biden waren zu bilateralen Besuchen in Polen, in Deutschland nicht. Polen ist auch in einer Führungsposition der Drei-Meere-Initiative, die Ukraine ist dort schon Vollmitglied. Ob Olaf Scholz den Auftakt zu „Rangordnungskämpfen“ in der EU schon registriert hat, erscheint mir fraglich, Macron ist da wohl mehr auf Draht.
european
28. Oktober 2022 @ 10:05
And the winner is….
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9065
“Ein Amerikaner mit globaler Statur“
“…. Weitere Auseinandersetzungen kommen nun noch um den Wiederaufbau der Ukraine hinzu. Schon im Mai hatte die EU-Kommission erklärt, sie wolle gemeinsam mit Kiew eine Ukraine Reconstruction Platform gründen und über diese sämtliche internationalen Maßnahmen zum Wiederaufbau koordinieren.[11] Im September hieß es dann in einem Strategiepapier, das der German Marshall Fund of the United States (GMF) in Kooperation mit US-Regierungsstellen erarbeitet hatte, eine „starke Führung“ sei für das Vorhaben unerlässlich. Dafür aber komme nicht die EU-Kommission in Frage, der „das notwendige politische und finanzielle Gewicht“ fehle, sondern lediglich die G7; „der erste Koordinator“ des Wiederaufbaus müsse „ein Amerikaner mit einer globalen Statur“ sein… ”
Der ganze Artikel ist mehr als lesenswert, weil er das ganze Ausmaß amerikanischer Aktivitäten beleuchtet. Die EU, insbesondere Deutschland, waren willfaehrige Erfüllungsgehilfen, um nicht zu sagen nützliche Idioten, auch gegen europäische Interessen, und werden jetzt im Vorbeigehen nonchalant abgelegt.
Mission accomplished.
Soll keiner sagen, man hätte es nicht gewusst. Die Zeichen standen schon lange an der Wand.
fjesse
28. Oktober 2022 @ 08:47
ebo, Sie behaupten, dass niemand sich eingestehen wolle, dass sich die EU in einer Krise befinde. Die Medien („Leitmedien“ für die Nach- und QuerDenker, anti-spiegel und RT-fans und was sonst noch zu diesen Kreisen gehört), sind doch voll davon. Es gibt aber unterschiedliche Haltungen dazu. Es gibt eben auch Menschen, für die diese „traversé du désert“ leider dazu gehört, um der Ukraine ihr Recht auf eine demokratische Entwicklung und die Freiheit zu garantieren, um zu entscheiden, mit wem sie Bündnisse eingehen will, mit wem nicht usw.
Und dann gibt es die, die behaupten, die Ukraine sei gar kein richtiger Staat, woraus man wohl ableiten soll, dass er und dessen Bevölkerung nicht schützenswert seien, dass es der Westen, sei der eine agressive, imperialistische Politik gegenüber Russland betreibe, die eben alles, ein wenig umformuliert, nachreden, was Putin, Lavrov usw. von sich geben.
Was Ihr wiederholtes Bedauern von fehlenden Friedensinitiativen von ukrainischer oder westlicher Seite angeht: schlagen Sie doch mal eine Liste vor, was alles in der gegenwärtigen Situation akzeptiert werden soll, damit Putin seine geheuchelte Angst vor der Vernichtung Russlands durch die USA und die NATO verliert. Ich helfe mal : die Ukraine akzeptiert, dass Sie alle russisch besetzten Gebiete, dazu gehört auch die Krim abgibt, dass Russland darüber entscheidet, ob das Land der EU, der NATO beitritt oder nicht, nach welchem politischen und gesellschaftlichen Modell sie sich entwickeln will, dass Polen und die baltischen Staaten austreten, Finnland und Schweden ihren NATO-Beitritt zurückziehen, dass die Demokratien in Deutschland und Frankreich nur noch als solche anerkannt werden, wenn sie mit Italien, Schweden und Ungarn gleichziehen, Sarah Wagenknecht Bundeskanzlerin wird, Marine Le Pen Präsidentin und Jean- Luc Mélenchon Premierminister. Bon Appetit.
european
28. Oktober 2022 @ 10:03
„um der Ukraine ihr Recht auf eine demokratische Entwicklung und die Freiheit zu garantieren, um zu entscheiden, mit wem sie Bündnisse eingehen will, mit wem nicht usw.“
Wenn man sich die ganze Vorgeschichte dieses Konfliktes ansieht, dann geht es hier um alles Mögliche, aber nicht um die Freiheit der Ukraine. Was wir hier beobachten, ist Geopolitik der Supermächte, insbesondere der USA, die sich ihre Vormachtstellung in der Welt sichern will. Und dabei spielt die Ukraine eine besondere Rolle.
Das hat schon der US Strategieberater Zbigniew Brzeziński in „The Grand Chessboard“ ausführlich beschrieben.
„….According to Brzezinski [who passed away in May 2017], independent since 1991, Ukraine is an “important space on the Eurasian chessboard”, the control of which is supposed to make a domination over the world possible[4]. In a post-Cold War world under the United States’ (US) geostrategic domination, Brzezinski identifies Ukraine – in Eurasia, alongside Azerbaijan and Uzbekistan – as the state “deserving America’s strongest geopolitical support”[5]. While Ukraine’s independence affects the nature of Russia’s state itself[6], it is for the US “the critical state”[7] among “key Eurasian geopolitical pivots”[8]; ‘geopolitical pivots’ being defined as “states whose importance is derived not from their power and motivation but rather from their sensitive location and from the consequences of their potentially vulnerable condition for the behaviour of geostrategic players”…“
https://www.open-diplomacy.eu/blog/the-ukraine-crisis-or-the-revival-of-the-grand-chessboard-s-geopolitics
Genau deshalb haben die USA in die Ukraine „investiert“, wurde Yanukovych weggeputscht und Asarow als willfähriger Nachfolger eingesetzt (siehe dazu das Fuck-the-EU Telefonat zwischen Nuland und Pyatt.) Hier das nachlesbare Transkript dazu.
https://www.bbc.co.uk/news/world-europe-26079957
Nuland’s Favorit für den Posten des PM war Arseniy Petrovych Yatsenyuk, der es dann auch geworden ist. Klitschko fand nicht ihre Zustimmung.
Nichts in der Geschichte der Ukraine hat irgendetwas mit Demokratie und dem Willen des Volkes zu tun und wenn man sich die neoliberale Agenda bezüglich des Aufbaus des Landes ansieht, dann sehen wir dort all das, was in Griechenland zur wirtschaftlichen Katastrophe, Zerstörung des Gesundheitssystems und zum Aufstieg der Faschisten geführt hat. Zero hours Verträge, Abschaffung von Arbeitnehmerrechten und Mindestlohn. Schutz der Oligarchen. Verkauf der schwarzen Ackerböden und und und.
Es ist reine Meinungsmache der Medien und narzistischer PolitikerInnen wie von der Leyen, Baerbock und Habeck, dass das ganze auch nur irgendetwas mit dem Selbstbestimmungsrecht der Ukraine zu tun hat. Unfassbar ist, dass immer noch so viele Bürger darauf reinfallen.
ebo
28. Oktober 2022 @ 11:14
Gut zusammengefasst, danke. Besonders krass ist, dass mit dem Selbstbestimmungsrecht letztlich auch der Krieg ermöglicht wurde. Die Nato hielt bis zuletzt an der Politik der offenen Tür fest – und verhinderte so eine diplomatische Lösung…
ebo
28. Oktober 2022 @ 10:27
Ich rede von Brüssel. Hier herrscht Business as usual, es hat nicht einmal einen Sondergipfel zur EU Krise gegeben – dafür aber gleich zwei zur Ukraine (Versailles und Prag).
Was die deutschen Medien betrifft: Ja, sie berichten über die Krise, tun aber meist so, als sei Putin an allem Schuld.
fjesse
29. Oktober 2022 @ 10:26
“Was die deutschen Medien betrifft: Ja, sie berichten über die Krise, tun aber meist so, als sei Putin an allem Schuld.” Bei der taz auch ?
Ich habe es mal kurz über Google versucht :
https://www.cicero.de/aussenpolitik/john-mearsheimer-ukraine-krieg-eu-russland-ende-nato-schuld
https://www.focus.de/politik/experten/gastbeitrag-von-gabor-steingart-im-ukraine-krieg-verfolgen-die-usa-vor-allem-drei-strategische-ziele_id_96939439.html
Und als Beispiel eines Artikels, der die gegensätzlichen Auffassungen in den USA darstellt : https://www.lemonde.fr/idees/article/2022/05/04/guerre-en-ukraine-l-administration-biden-estime-vital-de-defendre-les-valeurs-de-la-democratie-liberale-partout-dans-le-monde_6124679_3232.html
Und wir wollen die taz nicht vergessen, für die Sie regelmäßig interessante Beiträge liefern : https://taz.de/Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150/ oder https://taz.de/Linke-und-der-Ukrainekrieg/!5834130/ usw.
Ich finde, man ist mit den “Leitmedien” nicht so schlecht bedient.. und vielleicht besser, als mit einem Medium, dass sich (überwiegend) auf “Gegeninformation” spezialisiert. Warum also ständig diesen Mythos von der einseitigen Information durch die Medien bemühen? Niemand ist verpflichtet, sich sich über soziale Medien oder nur nur einem Fernsehprogramm zu informieren…
european
28. Oktober 2022 @ 08:29
Seit dem der Krieg angefangen hat, wird ständig behauptet, dass Putin verliert. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Dazu muss man sich nur einmal die Landkarte der Ukraine ansehen. Aber die Meinungsmanagement-Maschinerie ist in vollem Gange. Es wird auch erstaunlich wenig über die Demonstrationen gegen die Russland-Sanktionen berichtet.
Man gewinnt keinen Krieg gegen eine Atommacht. Gabriele Krone-Schmalz weist in ihrem Vortrag sehr zu Recht darauf hin, dass es in Russland sehr radikale Kräfte gibt, denen Putin viel zu handzahm ist und die sich eine deutlich härtere Gangart wünschen. Noch hält er die in Schach. Aber sollte er tatsächlich stürzen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wir es mit deutlich radikaleren Machthabern zu tun haben werden.
Nawalny for President? Nope.
Die Verkürzung Russlands auf Putin war schon immer eine Art Volksverdummung westlicher Leser und hat nicht die Realität Russlands widergespiegelt. Die politische Landschaft ist anders und auch wenn der Westen es sich noch so sehr anders wünscht, die Zustimmung in der russischen Bevölkerung ist groß. Westliche Regierungen würden von solchen Zustimmungsraten träumen.
Wenn ich das richtig einschätze, dann handelt die EU mit ihrem Wirtschaftskrieg ohnehin ohne jedes Mandat. Es wundert mich, dass das außerhalb dieses Blogs nirgendwo angesprochen wird.