Ölembargo: Symbolischer Erfolg, strategische Niederlage

Mit dem Ölembargo „light“ hat der EU-Gipfel einen symbolischen Erfolg errungen. In der Praxis ist es jedoch eine Niederlage – auf mehreren Ebenen.

EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem „bemerkenswerten Erfolg“.

Der Kompromiss, der am Montag um fünf vor zwölf (Mitternacht) erreicht wurde, decke mehr als zwei Drittel der Öl-Importe aus Russland ab, „und schneidet damit eine enorme Quelle der Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie ab“.

Bis zum Jahresende würden sogar fast 90 Prozent der russischen Ölimporte gekappt, so der EU-Michel.

Ganz anders stellte es Ungarns autoritärer Regierungschef Viktor Orban dar, der den Beschluss wochenlang blockiert hatte. „Wir haben eine Einigung erzielt“, schrieb er auf Facebook. „Ungarn ist von dem Ölembargo ausgenommen!“

Tatsächlich entsteht nun ein Zwei-Klassen-System. Ungarn, die Slowakei und Tschechien dürfen weiter russisches Öl über die Druschba-Pipeline beziehen – und sind so gegenüber den anderen EU-Staaten bevorzugt.

Doch das ist nicht das einzige Problem. Die EU hat diese Runde des Wirtschaftskriegs gegen Russland verloren – und das gleich auf mehreren Ebenen.

  • Strategisch: Das Ölembargo kommt viel zu spät, um Kremlchef Putin zu beeindrucken. Es wirkt erst zum Ende des Jahres, doch Putin hat jetzt schon Extra-Profite aus dem Öl- und Gasgeschäft eingefahren. Zugleich verägern die EUropäer die USA, die bis zuletzt gegen das Embargo waren…
  • Wirtschaftlich: Das Embargo treibt den Ölpreis und die Inflation. Deutsche und westeuropäische Unternehmen verlieren an Wettbewerbsfähigkeit, die Bürger verlieren Kaufkraft. Damit erhöht sich auch das Risiko einer Stagflation oder eine Rezession – die EU fällt weiter zurück.
  • Ökologisch: Auch wenn das Embargo als Maßnahme für den Klimaschutz dargestellt wird – es schadet der Umwelt. Denn der EU-Beschluß bedeutet ja keinen Ausstieg aus dem Öl, sondern mehr Import aus ferneren Länder auf dem Seeweg – und damit noch mehr Umweltverschmutzung.

Auch europapolitisch ist die Einigung kein Erfolg. Die EU hat sich mit dem wochenlangen Gezerre in aller Öffentlichkeit blamiert, die viel beschworene Einheit ist dahin.

Dabei steht der nächste Streit schon ins Haus: um ein Gasembargo. Die üblichen Verdächtigen fordern dies als nächsten Schritt, Deutschland, Österreich und Belgien sind dagegen.

Die EU weiß nicht mehr, wo es langgehen soll. Von einer realistischen Analyse des Krieges in der Ukraine und des Wirtschaftskrieges gegen Russland hat sie sich längst verabschiedet…

Siehe auch „Das Ölembargo ist ein strategischer Fehler“. Mehr zu den EU-Sanktionen hier

P. S. Anders als oft behauptet ist das Ölembargo noch nicht beschlossen. Es fehlen noch viele Details und der offizielle Beschluss im Rat. Der EU-Gipfel hat sich nur auf das Prinzip geeinigt, nicht auf die Umsetzung!