Der Westen nimmt den Mund zu voll
Drei Gipfel, eine Botschaft: “Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie nötig.” Wer die Treffen von EU, G-7 und Nato verfolgt hat, konnte den Eindruck gewinnen, die Welt drehe sich nur noch um die Ukraine und den Krieg mit Russland. Dem ist aber nicht so.
– Beim G-7-Gipfel wurde klar, dass der globale Süden dem Westen nicht mehr folgt. Wichtige Länder wie Indien oder Südafrika lehnen es ab, die Ukraine zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Politik zu machen und sich den westlichen Sanktionen anzuschließen.
– Auch beim Nato-Gipfel gab es Mißtöne. Bei seiner Abschluß-Pressekonferenz wurde US-Präsident Biden immer wieder nach den hohen Benzinpreisen und der Abtreibung in den USA gefragt – das ist der US-Presse wichtiger als die Ukraine.
– Beim EU-Gipfel wurde stundenlang darüber diskutiert, was man gegen die Energiekrise und die Inflation tun könne. Da man sich nicht einig wurde, stellten die EU-Chefs die “historische” Einigung auf den Kandidatenstatus für die Ukraine heraus.
Doch genau wie in den USA untergräbt die Energie- und Wirtschaftskrise auch in der EU das Vertrauen der Bürger – und die Solidarität mit der Ukraine. Spätestens im Herbst wird die Opferbereitschaft nachlassen und die “Kriegsmüdigkeit” überhand nehmen.
Dann wird sich zeigen, dass die Politiker den Mund zu voll genommen und falsche Erwartungen geweckt haben. Den Schaden hat die Ukraine – und die EU, die die größten Lasten tragen soll.
Schon jetzt ist die Krise in EUropa ernster als in den USA. Die Sanktionen treffen Deutschland und andere EU-Länder härter als Russland. Die vollmundigen Versprechen werden sich kaum halten lassen.

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