Anne Will: Zum Abschied noch ein bißchen Jammern über EUropa
In ihrer letzten Sendung wollte Anne Will über “die Welt in Unordnung” sprechen. Stattdessen ging es vor allem um die EU und die deutsche EU-Politik.
Der Schriftsteller Navid Kermani eröffnete die Debatte mit Vorwürfen gegen Deutschland. Berlin habe den deutsch-französischen “Motor” vernächlässigt und übernehme im Ukraine-Krieg nicht genug Führung.
Das sind Gemeinplätze, denen sogar Wirtschaftminister Habeck zustimmen konnte. Sie sind richtig – aber nicht mehr richtig aktuell. Und so, wie sie diskutiert wurden, sind sie teilweise auch wieder falsch.
Denn der deutsch-französische “Motor” funktioniert schon seit der Ära Schröder nicht mehr. Seitdem gilt wieder “Deutschland first”. Seine Nachfolgerin Merkel – eine Ostdeutsche – wollte von Paris zunächst gar nichts wissen.
Den französischen Ex-Präsidenten Hollande hat sie geschnitten, ihren Nachfolger Macron lange ignoriert. Dessen Vorschläge für eine “Renaissance” der EU nach dem Brexit liefen ins Leere, wie Kermani zu Recht anmerkte.
Doch unter Scholz wurde es nicht besser – im Gegenteil: Auf dem Papier bekennt sich seine Ampel-Regierung zwar zur deutsch-französischen Zusammenarbeit und einem starken EUropa.
In der Praxis privilegiert sie aber die transatlantischen Beziehungen. Eine “dienende Führungsrolle” unter Leitung von US-Präsident Biden will Deutschland spielen – für Macron ist nur eine Nebenrolle vorgesehen.
Scholz’ enge Abstimmung mit Biden im Ukraine-Krieg zeigt, wo die Reise hingeht. Und der Fischbrötchen-Empfang für Macron in Hamburg hat gezeigt, wie “wichtig” der Kanzler den Franzosen nimmt.
Doch das wurde bei Will nicht thematisiert. Stattdessen das typisch deutsche Lamento über die böse Welt und das schwache EUropa. Die Deutschen waren unter sich – kein Franzose, kein EU-Politiker durfte mitdiskutieren.
Schade, ich hätte ihr einen besseren Abgang gewünscht…
Thomas Damrau
6. Dezember 2023 @ 07:15
Diese Polit-Talks funktionieren nach zwei möglichen Dramaturgien:
1) Männergespräch: (frei nach Horst Evers) „Einer erzählt, der andere nickt. Alternative Ansichten? Wer braucht so was?“ Manchmal ensteht der Eindruck, es liege eine Diskussion vor. Aber nur deshalb, weil die Meinungskorridore schon so eingeengt sind, dass die Frage, ob Nachtigall oder Lerche, überlebenswichtig erscheint.
2) Strohmann/-frau: Eine(r) wird eingeladen, die/der mal eine abweichende Meinung geäußert hat und der/dem noch allerlei andere Ansichten unterstellt werden, die sie/er so nie von sich gegeben hat (-> https://de.wikipedia.org/wiki/Strohmann-Argument). Dann entspinnt sich ein Wettbewerb unter den übrigen Teilnehmern, wer die/den Häretiker(in) am besten ans Kreuz nageln kann.
Verschwendung von Rundfunk-Gebühren.
KK
4. Dezember 2023 @ 13:37
Hatte nach dem Heimkommen kurz in die schon laufende Sendung reingezappt und nach den ersten weinerlichen Sätzen ohne Substanz von Habeck direkt wieder weggeschaltet.
Politiker sind ja per se wahre Meister darin, mit vielen Worten nichts zu sagen, aber Habeck ist in dieser Disziplin ungekrönter Weltmeister, und alles unter einem salbungsvollen Dackelblick scheinbar von einer gequälten Seele abgerungen! Seine Worthülsen sind noch zahlreicher als die der Patronen, die sich inzwischen auf dem Gebiet der Ukraine angesammelt haben dürften… und kommendes Jahr dann eben bei Caren Miosga.
Udo
4. Dezember 2023 @ 13:12
Die Zeiten der Scripted Reality´s ist eben vorbei. Vielleicht wechselt die Moderatorin jetzt zu Big Brother. Die haben ja noch ein paar Zuschauer.
Alternativ kann sie auch bei BLÖD anfangen…….
MarMo
4. Dezember 2023 @ 12:45
Anne Wills Talkshow ist doch schon lange nicht mehr die Zeit wert, die es kostet, sie sich anzusehen. Mir wird nichts fehlen. Polittheater statt politischer Kultur.