Baerbock: US-Hilfe sichert “europäische Friedensordnung”
Außenministerin Annalena Baerbock hat das US-Votum für neue milliardenschwere Militärhilfen für die Ukraine als Durchbruch gewertet – und erneut ihre Unkenntnis offenbart.
“Das ist nicht nur ein guter und wichtiger Moment für die Ukraine, sondern das ist auch ein wichtiger Moment für die Sicherung der Europäischen Friedensordnung“, sagte die Grünen-Politikerin in Luxemburg.
Man habe endlich eine Situation erreicht, in der “die Herzen der beiden wichtigsten Ukraine-Unterstützer der Europäer und der Amerikaner wieder im gleichen Takt schlagen”.
Dies sei wichtig, weil der russische Präsident Putin alle vorhandenen Mittel dafür nutze, um die Ukraine zu zerstören und die “europäische Friedensordnung” anzugreifen.
Von welcher “Friedensordnung” redet sie? Wer sich ein wenig mit europäischer Zeitgeschichte auskennt, weiß, dass es keine europäische Friedensordnung gibt.
Frankreich Ex-Präsident Mitterrand wollte eine schaffen, gleich nach dem Fall der Mauer. Doch US-Präsident Bush und Nato-General Wörner waren dagegen, und Kohl war’s egal.
Bish heute gibt es keinen Friedensvertrag oder ein europäisches Sicherheitssystem. Im übrigen herrscht in Europa kein Frieden – und die Waffen made in USA werden ihn auch nicht wiederherstellen.
Selbst wenn die US-Militärhilfen der Ukraine bei der Verteidigung helfen (was zu wünschen ist), sind sie Teil des Stellvertreter-Kriegs, den die USA und der Westen in der Ukraine führen.
Für eine “Friedensordnung” müsste man Verhandlungen mit Russland führen. Baerbocks Amtsvorgänger Genscher wußte das noch – die Grünen-Politikerin offenbart ihre Unkenntnis…
Siehe auch Ukraine, Israel, Taiwan: USA gießen Öl ins Feuer
P.S. Polen hat sich bereit erklärt, (US-)Atomwaffen auf seinem Territorium zu stationieren. Das wäre wohl kaum nötig, wenn es eine “Friedensordnung” gäbe – und dürfte den Krieg weiter anheizen…
Stef
25. April 2024 @ 09:42
@ Kleopatra: Nur war Polen und waren anderen Staaten des aufgelösten Warschauer Paktes nach dem Fall der Mauer zunächst noch keine Nato-Mitglieder. Als nicht-Mitglieder durften sie eine eigene Meinung haben, aber die Nato war nicht verpflichtet diese zur Richtlinie des eigenen Handelns zu machen. Der Nato-interne Kursschwenk Richtung einer Osterweiterung war eben ein Nato-interner Kursschwenk für den weder den Osteuropäern noch den Russen die Verantwortung zugeschoben werden kann. Dass dies gegen die historischen Absprachen verstoßen hat, ist verbürgt. Das mag man legalistisch relativieren wollen, es bleibt ein Bruch historischer Absprachen und wir erleben gerade die damit selbst verursachte historische Konsequenz.
Und vergessen wir nicht, dass die USA mit der einseitigen Aufkündigung der wesentlichen Abrüstungs- und Kontrollverträge begonnen hat. Und zwar ohne Zwang und Not, um in Osteuropa ein Raketenabwehrschild “gegen den Iran” zu installieren. Schon damals war sonnenklar, dass die USA damit die wesentliche Errungenschaft aus dem Kalten Krieg beerdigt.
Wenn Sie denn die Ehrlichkeit hätten, diese Zusammenhänge nicht immer ins Gegenteil zu verkehren, könnte man ihren Standpunkt zumindest als aus osteuropäischer Sicht machtpolitisch nachvollziehbar bezeichnen. Unter Verkehrung der historischen Fakten in ihr Gegenteil bleibt es eine bloße Geschichtsklitterung. Die hilft Ihnen allenfalls propagandistisch. Realismus ist damit nicht verbunden.
Thomas Damrau
23. April 2024 @ 18:50
@Kleopatra
“Wenn Sie soweit zurückgehen wie hier (bis 1990), dürfen Sie sich nicht auf wolkige Andeutungen beschränken …”
Bitte nicht schon wieder Geschichts-Klitterung. Ich habe die 1990er bewusst erlebt – Sie vielleicht nicht?
Damals hat sich der Warschauer Pakt aufgelöst. Danach hat sich die UdSSR aufgelöst. Die meisten Beobachter sind davon ausgegangen, dass nun die Ost-West-Konfrontation ein Ende haben würde. Und daher keine NATO-Osterweiterung auf der Tagesordnung stünde – sondern eher die Auflösung der NATO.
Jetzt wieder zu behaupten, es sei der “böise Rosse” gewesen, der diese Utopie zerstört habe, ist schon dreist.
In meiner Erinnerung waren es die US-Amerikaner, die Uni-Lateralismus (“Alles tanzt nach unserer Pfeife.”) und US-Hegemonie (“… und morgen die ganze Welt …”) verkündeten und damit die Sache an die Wand gefahren haben.
Währenddessen wurde Russland in 1990ern – nicht zuletzt durch die genialen Vorschläge neoliberaler Wirtschaftsberater aus den USA – wirtschaftlich an die Wand gefahren und ausgeplündert. Damals hatte Russland andere Probleme als die Rückeroberung seiner ehemaligen Interessensphäre. Daher waren die ersten Schritte der NATO-Osterweiterung in den 1990ern keine Absicherung gegen eine mögliche russische Aggression, sondern lediglich eine Ausweitung der US-Einflusszone.
Als dann Putin Anfang der 2000er dem neoliberalen Spuk in Russland ein Ende bereitete, war Busc Junior stinkesauer und hat nach Wegen gesucht, um Putin zu zeigen, wo der Hammer hängt.
Und natürlich ist zu vergessen: Mit dem Ende der UdSSR war der NATO und der von ihr profitierenden Rüstungsindustrie das Feindbild abhandengekommen. Die islamistische Terrorgefahr war in den 1990ern als Feindbild ein wenig zu mager, um die aberwitzigen Rüstungsausgaben zu rechtfertigen. Es sah also nach Umsatzrückgang aus.
Nach 9/11 hat sich der “Terrorismus” zur Freude der Rüstungsmanager zumindest zeitweise als Begründung für weitere Rüstung angeboten. Und Bush Junior hat mit der Invasion Iraks die Büchse der terroristischen Pandora geöffnet. Aber der Wor-on-terro war am Ende ein Fehlschlag.
Deshalb hat sich der Westen (und seine Rüstungsindustrie) wieder auf traditionelle Feindbilder konzentriert, also in erster Linie China und zusätzlich Russland als “Regionalmacht”, die noch nicht klein-geraspelt war.
Das war der Anfang der Katastrophe, vor der wir gerade stehen: Putin hat erkannt, dass es sich nicht lohnt, nach westlichen “Regeln” zu spielen und sich seine persönliche Autokratie zusammengebastelt. Und der Westen hat nach immer neuen Wegen gesucht, um Putin abzustrafen – und dabei gleichzeitig seine eigene Wirtschaft mit russischen Rohstoffen befeuert.
Dieses seltsame Gebräu aus latenter Aggression und Rohstoff-Kooperation ist zweimal explodiert:
— 2013/2014 als der Westen (z.B. in Frau Nuland oder die EU-Kommission) etwas zu laut “Die Ukraine ist unser” gerufen hat.
— 2021/2022 als Putin “bis hierhin und nicht weiter” verkündet hat und der Westen “Du traust Dich doch nicht” geantwortet hat.
Skyjumper
24. April 2024 @ 17:37
Das kann ich Wort für Wort so unterschreiben. Die Nichtauflösung der NATO nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes ist eine historische Chance gewesen die der Westen gnadenlos versemmelt hat.
Es ist die Faulheit amtierender Politiker, und der Überlebenswille bürokratischer Organisationen, die immer wieder zu solchen Fehlleistungen führt. Auch die Tatsache, dass es in der UN-Charta immer noch die angeblich belanglose Feindstaatenklausel gibt ist ein solches Versäumnis. In den letzten Jahrzehnten zwar ohne konkrete Folgen, aber es könnte zu Lasten Deutschlands und/oder Japans jederzeit schwerwiegende Konsequenzen haben. Das Kohl/Genscher sich aus opportunistischen Gründen gegen einen echten Friedensvertrag entschieden haben (stattdessen der 2+4 Vertrag) ist eine solche Fehlleistung.
Kleopatra
25. April 2024 @ 09:20
Ich kann mich ebenfalls präzise an die 1990er Jahre erinnern, so wie auch an 1989 etc. Damals wurden zahlreiche Ideen ventiliert, so zum Beispiel eine Vereinigung Deutschlands mit ganz neuer Verfassung etc. Allerdings wurde schnellklar, dass diese Ideen von ganz Neuem nicht realistisch waren. Dass die meisten Beobachter von einer baldigen Auflösung der NATO ausgegangen seien, kann ich jedenfalls überhaupt nicht bestätigen. Vielleicht in Ihrem Bekanntenkreis. Aber etwa Polen, mit denen ich 1989 über die eventuelle Wiedervereinigung diskutiert habe, fanden Westdeutschland viel sympathischer als die DDR und hätten dementsprechend (wenn danach gefragt) jedenfalls ein solches einiges Deutschland präferiert, in dem der Westen das Sagen hatte (wie es denn auch gekommen ist). Und zum x-ten Mal: es waren die ost- und mittelosteuropäischen Staaten, die von sich aus in die NATO wollten. Viele Kommentatoren hier machen den Fehler, dass die ignorieren (bewusst oder unbewusst), dass die Völker dieser Staaten ihre eigenen Wünsche haben. Dass sie in die NATO wollten, ist Folge ihrer Erfahrungen mit der russischen Besatzung in den vorangegangenen Jahrzehnten. Hätte der Westen hier Nein gesagt, hätte dies die Staatenordnung gerade nicht stabilisiert.
ebo
25. April 2024 @ 09:30
Polen wollte nach dem Mauerfall eben nicht in die Nato – denn die Sowjettruppen wurden als Sicherheit gegen mögliche deutsche Gebietsansprüche begriffen!
Kleopatra
28. April 2024 @ 23:10
1) Woher beziehen Sie diese Behauptung? 2) Bei einer NATO-Mitgliedschaft Polens wäre Polen gegen jegliche unterstellte deutsche Begehrlichkeit durch die USA geschützt gewesen. 3) Wenn Sie mit territorialen Ansprüchen argumentieren: die Sowjettruppen schützten auch die Territorien, die die SU Polen weggenommen hatte.
ebo
28. April 2024 @ 23:24
M.E. Sarotte: Nicht einen Schritt weiter nach Osten (C.H. Beck 2023) – Seiten 98, 100, 109
Die Autorin hat mein Exemplar ihres Buches persönlich signiert 🙂
Skyjumper
25. April 2024 @ 20:16
Ich möchte mir überhaupt nicht anmaßen für jedes (nach 1990) Neu-Mitglied der NATO zu wissen wie hoch der Anteil der Bevölkerung war, welcher sich aus egal welchen Gründen einen NATO-Beitritt wünschte oder dagegen war.
Falsch gehandelt, im übergeordneten Interesse einer europäischen Sicherheitsarchitektur, hat die NATO. Man kann niemanden verwehren den Wunsch zu äussern beizutreten. Sehr wohl allerdings kann, und darf, (und hätte man sollen) sich diesen Wunsch verweigern.
Und wer ernsthaft glaubt, dass der sogenannte Euro-Maidan eine Volksbewegung war. Der glaubt auch das Zitronenfalter Zitronen falten. Davon abgesehen ist die Ukraine ein multi-ethnisches Land. Das haben leider weder die pro-russischen, noch die pro-eu Regierungen der Ukraine in der Vergangenheit (und bis heute) angemessen berücksichtigt.
Kleopatra
25. April 2024 @ 09:24
Ende 2013 hat nicht der Westen, sondern Russland zu laut gerufen “die Ukraine ist unser” (Druck Moskaus auf Janukovič, dass er den Assoziierungsvertrag nicht unterschreiben sollte). Das Ergebnis war die im Euromaidan kulminierende Volksbewegung. Es war das ukrainische Volk, das die Ukraine in der EU sehen wollte, nicht sinistre Kräfte in Brüssel, die sie angeblich mit Intrigen einkassieren wollten.
Stef
25. April 2024 @ 09:46
Können Sie das nachweisen?
Daraus, dass sie gegen das Abkommen war, kann dies nicht abgeleitet werden. Denn das Abkommen hätte eine dramatische Einschränkung der bis dahin langjähigen und umfangreichen wirtschaftlichen beziehungen zwischen Russland und der Ukraine bedeutet. Dagegen darf man sich aussprechen, ohne schon damit implizit die Anektion des Nachbarn anzukündigen.
Also: Wo bitte hat die russische Staatsführung in 2013 über die Ablehnung des Assoziierungsabkommens hinaus geäußert, dass die Ukraine “ihr” sei?
Thomas Damrau
23. April 2024 @ 17:51
„“die Herzen der beiden wichtigsten Ukraine-Unterstützer der Europäer und der Amerikaner wieder im gleichen Takt schlagen”
Wenn ich nicht wüsste, dass Joachim Gauck noch lebt, hätte ich vermutet, dass sein Geist in Annalena Baerbock reinkarniert wurde: Wie kann eine Person allein so viel Polit-Kitsch (https://de.wikipedia.org/wiki/Kitsch) von sich geben?
Peter Michael
23. April 2024 @ 11:46
Unser letzter Außenminister war schon unterirdisch, aber mit Frau Baerbock haben wir eine absolute Niete gezogen.
Sie soll aber offensichtlich genau das machen was sie macht. Sie war schließlich in der Ausbildung der YGL des WEF – wie meines Wissens auch Harbeck, Lindner , Macron, Truedeau, uva. , was im Netz offen nachzuvollziehen ist.
Die Bevölkerung Europas wird offensichtlich seit langen Jahren für dumm verkauft. Wenn wir das nicht ändern, haben wir diese Dauerkrisen, die wir uns einreden lassen, genauso verdient.
Helmut Höft
23. April 2024 @ 11:18
“Selbst wenn die US-Militärhilfen der Ukraine bei der Verteidigung helfen (was zu wünschen ist), …”
Hm? *kopfkratz* Ist die Verlängerung des Krieges zu wünschen? Sind – infolge dessen – mehr Tod und Zerstörung “zu wünschen”? Klares NEIN!
Hier noch einmal Feynsinn: “Der Wertewesten hat in jeder Hinsicht ausgedient, was Gründe hat. Nicht nur verzichtet der Erfinder der Diplomatie seit Jahrzehnten auf diese und setzt stattdessen voll auf Hegemonie; Er hat auch durch seine blinde Ausbeutung der Restwelt seine ökonomische Basis zerstört.” https://feynsinn.org/?p=11255
Was ist mit der Ungleichheit? Was mit Umwelt/Klima? 2,3 b€ für Sicherheit, noch mehr Sicherheit, noch viel mehr Sicherheit … dazu SIPRI: https://www.sipri.org/media/press-release/2024/global-military-spending-surges-amid-war-rising-tensions-and-insecurity
“Global military spending surges amid war, rising tensions and insecurity”
Hm? Security bringt inssecurity? Ja, so ist das!
DAS HAT AUFZUHÖHREN, JETZT, UM JEDEN PREIS!
Stef
23. April 2024 @ 10:34
@ Kleopatra: Sie setzen hier das Existenzrecht eines Staates gleich mit dem vermeintlichen Recht, auf seinem Staatsgebiet Waffen eines Militärbüdnisses stationieren und diesem beitreten zu dürfen, dass in erklärter Gegnerschaft zu der benachbarten Atommacht steht. Dazwischen liegen Welten. Ersteres hat Russland bisher nicht infrage gestellt, letzteres ist Kern des Ukrainekrieges.
Es kann keinen Frieden geben, wenn zwischen den waffenstarrenden Groß- und Atommächten keine Sicherheitsabstände existieren. Das ist eine Binse aus dem Kalten Krieg, die Sie geflissentlich vergessen haben. Die Missachtung dieser Binse hätte im Rahmen der Kubakrise schon einmal fast zu einem Atomkrieg geführt. Glücklicherweise hatten die seinerzeitigen Großmachtlenker erkannt, dass diese Regel zu wahren den Frieden besser sichert, als jede Rüstungsspirale. Heute meint man dies wieder ignorieren zu dürfen mit absehbarem Ergebnis. Das hat aber mit der Verteidigung von Recht soviel zu tun, wie das Rennen gegen Wände mit Bewegungsfreiheit.
Man muss internationale Machtpolitik nicht mögen. Insbesondere Kuba und die Ukraine haben jedes Recht, sich über die Einschränkung aus ihrer Lage und Geografie zu beklagen, doch sie können ihr nicht entweichen. Wer meint, unter Missachtung dieser Umstände Politik machen zu wollen, ist kein Freiheitskämpfer, sondern ein Kriegsbefürworter.
Diese Logik zu missachten und sich danach zu wundern, dass Chaos ausbricht, scheint mir näher bei billigender Inkaufnahme von Krieg zu rangieren als an Naivität. Falls Sie von dieser Logik wegkommen wollen, gibt es leider nur einen bekannten Weg: Die Atommächte mit imperialen Ambitionen müssen FREIWILLIG auf ihre Waffen und ihre imperialen Ambitionen verzichten. Und das in der Regel auch noch gleichzeitig.
Klingt schwierig, ist es auch. Aber alles andere ist bisher gescheitert. Nur in diesem schwierigen Prozess ist es möglich und wirkungsvoll, die imperialen Atommächte zur Einhaltung von universalen Regeln zu drängen.
Leider haben die USA diesen Prozess nach dem Kalten Krieg zuerst torpediert.
KK
23. April 2024 @ 11:50
“Insbesondere Kuba und die Ukraine haben jedes Recht, sich über die Einschränkung aus ihrer Lage und Geografie zu beklagen, doch sie können ihr nicht entweichen.”
Die Lage der Ukraine wäre heute eine andere, hätte man Russland in den 1990er Jahren wie versprochen in eine gemeinsame EUropäische Sicherheitsarchitektur eingebunden und im Zuge dessen die NAhTOd entweder aufgelöst oder zumindest Russland mit den anderen osteuropäischen Staaten in diese aufgenommen. Die Tür dafür war weit offen…
Kleopatra
23. April 2024 @ 12:28
Putin hat in einem oberflächlich spinnert wirkenden Artikel auf seiner offiziellen Homepage als russischer Präsident von der “historischen Einheit von Ukrainern und Russen” geschwafelt (Juli 2021). Der russische Außenminister bezeichnet in einem Interview letzte Woche die Ukraine als Teil der “russischen Welt” und sieht das Kriegsziel als einen Zustand, indem die Bewohner des größten Teils der Ukraine Teil der russischen Welt sein, russische sprechen und ihre Kinder russisch erziehen wollen. (Einen marginalen Teil der Westukraine würden diese Russen Polen zum Fraß vorwerfen, in der Hoffnung, sie dadurch zu Spießgesellen bei ihrem Raubzug zu gewinnen). Und Sie wollen keine Tendenz der russischen Führung erkennen, der Ukraine die Existenzberechtigung abzusprechen?
Arthur Dent
22. April 2024 @ 23:30
Wenn einem so viel Gutes wird beschert, …
Sie bekommen das Geld nicht geschenkt, sondern als Kredit. (und wer wird wohl für den Kredit bürgen?) Ein Großteil des Geldes fließt sogleich in amerikanische Rüstungskonzerne – die USA müssen ihre Vorräte wieder auffüllen.
Das geht so ähnlich, wie „Griechenland retten“ – das meiste von dem gewährten Kredit sieht die Ukraine gar nicht.
Und was Baerbock betrifft – Es ist schwierig, jemanden dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn er/sie ein Gehalt dafür bekommt, dass er/sie es nicht versteht.
Kleopatra
22. April 2024 @ 20:54
Wenn Sie soweit zurückgehen wie hier (bis 1990), dürfen Sie sich nicht auf wolkige Andeutungen beschränken wie das “Mitterand eine Friedensordnung schaffen wollte, Bush aber nicht”.
Voraussetzung jeder Friedensordnung ist der unbedingte gegenseitige Respekt der Territorien und Grenzen. Dieser ist auf russischer Seite nicht gegeben (hingegen will niemand ein Stück von Russland, diesem be…….ten Land der Welt, erobern).
Worauf wollen Sie hinaus? Wollen Sie Russland eine “Interessensphäre” zugestehen (wie letztmals Hitler)?
ebo
22. April 2024 @ 21:14
Ich beziehe mich auf das Buch von M.E. Sarotte: “Not One Inch”. Die US-Amerikanerin beschreibt detailliert, wie Kohl die Wiedervereinigung voran trieb und wie Bush alles tat, um Deutschland in der Nato zu halten und die Option für eine Öffnung der Militärallianz nach Osten offen zu halten. Die großen Gegenspieler waren Genscher in Bonn und Mitterrand in Paris. Mitterrand wollte eine paneuropäische Föderation mit Osteuropa und eine europäische Friedensordnung. Bekanntlich haben sich Bush und Kohl durchgesetzt. Gorbatschow liebäugelte damals noch auf eine Nato-Mitgliedschaft seines Landes 🙂
umbhaki
22. April 2024 @ 22:35
Letzteres, die Mitgliedschaft der Russischen Föderation in der NATO, hat auch der böse Gottseibeiuns namens Putin noch einmal angefragt. Im Jahr 2000 war das, also zu Beginn seiner Amtszeit als Präsident. Er hat damals auch deutlich gemacht, dass er sein Land als Teil Europas ansieht und mit allen europäischen Staaten gedeihliche Beziehungen anstrebt.
Der sich politisch, militärisch, wirtschaftlich und vor allem auch moralisch weit überlegen fühlende Wertewesten hat zwei Jahrzehnte der Ausgrenzung, Ablehnung und Missachtung russischer Interessen gebraucht, bis sich die Sichtweise Putins endgültig geändert hat.
Kleopatra
23. April 2024 @ 08:00
Im Jahr 1990 waren bekanntlich sowohl der Warschauer Pakt als auch die Sowjetunion noch existent. Nach der Auflösung des Warschauer Pakts Mitte 1991 und der Sowjetunion Ende 1991 lagen substanziell andere Gegebenheiten vor. Dann gab es keinen Grund mehr, mit Verweis auf angebliche Zusagen am offenen Kamin mittelosteuropäischen und osteuropäischen Staaten, die dieses wünschten, die Aufnahme in die NATO grundsätzlich zu verweigern. Im Gegenteil konnte argumentiert werden, dass ihre Integration in die NATO dem Staatensystem Struktur und Stabilität verleihen könnte. Dass von den ehemals von der Sowjetunion besetzten oder gar annektierten Staaten keiner bereit gewesen wäre, auf die NATO-Mitgliedschaft zu verzichten oder sich gar einem von Russland dominierten Staatensystem anzuschließen, mag man bedauern, es war aber unvermeidlich. Militärisch (also durch Dislozierung von Truppeneinheiten) hat sich die NATO zunächst äußerst zurückhaltend ausgeweitet, erst nachdem Russland alle Hemmungen fallen gelassen hat, entfällt diese Rücksichtnahme schrittweise. Atomwaffen beispielsweise sind in Polen gegenwärtig noch nicht stationiert, der polnische Präsident hat aber die Bereitschaft Polens dazu erklärt. Der Hintergedanke ist natürlich (wie bei bundesdeutschen Politikern), dass wenn amerikanische Atomwaffen in einem Land stationiert sind, jede sowjetisch/russische Aggression gegen dieses Land sofort einen Gegenschlag der massivsten Art zur Folge hat.
european
22. April 2024 @ 13:30
Wie gut, dass wenigstens die Herzen der beiden wichtigsten Ukraine-Unterstuetzer im Takt schlagen. Die der Soldaten schlagen nicht mehr.
Was ist der Plan?
ebo
22. April 2024 @ 13:37
Vermutlich eine “europäische Friedensordnung” ohne bzw. gegen Russland…
KK
22. April 2024 @ 14:23
“Selbst wenn die US-Militärhilfen der Ukraine bei der Verteidigung helfen (was zu wünschen ist)”
Wieso ist das zu wünschen?
Derzeit sieht es doch eher so aus, dass der Krieg nur auf zwei Arten zu beenden ist: Durch Verhandlungen oder die Niederlage einer Seite.
Dass die Ukraine nicht mehr gewinnen kann, sollte inzwischen ausser einigen total Verblendeten völlig klar sein. Verhandlungen sind aber von westlicher Seite nicht gewollt.
Also, was bleibt noch als Option für eine Beendigung des Krieges und Sterbens?
ebo
22. April 2024 @ 15:35
Doch, natürlich soll sich die Ukraine verteidigen (können). Dazu werden nunmal Waffen gebraucht.
Gleichzeitig muss Kiew aber auch endlich einsehen, dass der Krieg nicht zu gewinnen ist – und eine Verhandlungslösung suchen.
KK
22. April 2024 @ 18:33
Da die Ukraine per Verfassung Verhandlungen verboten hat, kann man sie wohl nur durch den Entzug weiterer Waffen endlich an den Verhandlungstisch bringen – vorausgesetzt, man möchte überhaupt, dass der Krieg endlich endet.
Oder sollen tatsächlich so lange immer neue Waffen geliefert werden, bis kein Ukrainer mehr da ist, der sie bedienen kann?
Kleopatra
23. April 2024 @ 08:14
@ebo: Verhandlungen setzen voraus, dass man die Existenzberechtigung der anderen Seite anerkennt. Während jedoch kein Ukrainer jemals die Existenzberechtigung des russischen Volkes und Russlands bestritten hat, tut dies Russland der Ukraine gegenüber tagtäglich. Mit einem solchen Gegenüber kann man nur so verhandeln wie mit einem Geiselgangster, aber ein tragfähiger Friede ist nicht möglich.
ebo
23. April 2024 @ 08:36
Es hat ja bereits Verhandlungen gegeben. Sie konstruieren Gründe, warum es sie nicht wieder geben sollte – dabei werden sie so oder so kommen.
Kleopatra
23. April 2024 @ 08:50
@ebo: Ich differenziere zwischen Verhandlungen über temporäre Waffenstillstände der minimalsten Art, die meiner Meinung nach stets möglich sind, aber eben auf der Stufe von Verhandlungen mit einem Geiselgangster stehen, und Verhandlungen über einen ernsthaften Friedensvertrag, die nur bei gegenseitiger Anerkennung des Existenzrechts möglich sind, und diese Voraussetzung liegt nicht vor – im Gegenteil häufen sich wieder die Erklärungen der russischen Seite, dass der Krieg ihrer Ansicht nach nur mit der bedingungslosen Kapitulation der Ukraine und der Umerziehung des größten Teils ihrer Bürger zu willigen, treudoofen, russisch sprechenden und denkenden Befehlsempfängern enden könne. (Polemische Umformulierung der Aussagen des Außenministers Lavrov in seinem Interview von letzter Woche).
ebo
23. April 2024 @ 10:00
Wenn Sie das ernst meinen, müssten Sie ein Einfrieren des Krieges a la Korea fordern.
Wenn Sie ein wenig in sich gehen wollen, empfehle ich den Beitrag von Lüdeking im Cicero: Ist Putin zu Verhandlungen bereit?
Kleopatra
23. April 2024 @ 12:58
Die EU, die als Prinzip hoch hält, dass territoriale Veränderungen mit Gewalt nicht zulässig sind, dürfte nach einem solchen Kompromiss keine Handelsbeziehungen mehr mit Russland haben und müsste auch alle Unternehmen und Einzelpersonen sanktionieren, die Grundbesitz auf der Krym, in Mariupol o.ä. erworben haben. (Ich erinnere mich an eine nicht triviale Sanktion gegen Fluglinien, die nach 2014 die Krym angeflogen haben). Das Beispiel Nordkorea zeigt gut, wieviel Spielraum für Beziehungen bleibt. Russland müsste als ein Pariastaat behandelt werden (und seine Bürger als Parias).
Kurz: Ein echter Frieden mit Russland würde voraussetzen dass Russland ein normaler Staat wird, und das ist nach T. Snyder ohne eine russische Niederlage nicht möglich. Ein Nordkoreafrieden geht hingegen immer.
Skyjumper
24. April 2024 @ 16:49
@Kleopatra – 12:58
„Die EU, die als Prinzip hoch hält, dass territoriale Veränderungen mit Gewalt nicht zulässig sind, dürfte nach einem solchen Kompromiss keine Handelsbeziehungen mehr mit …….“
……. dem Kosovo, dem Südsudan, Israel, und-und-und, haben. Da das offenkundig nicht der Fall ist, kennt die EU ein solches Prinzip offenbar nicht.
„Russland müsste als ein Pariastaat behandelt werden (und seine Bürger als Parias).“
Es wäre nicht nur schön, sondern es wäre für den werteverwahrlosten Westen auf Sicht gesehen existenziell wichtig, wenn man hier endlich einmal (an)erkennen würde, dass der Wind sich gedreht hat. Noch 10-15 Jahre weiter so in dem Tenor in welchen unsere Regierungen – und Sie – hier rumtönen, und im Ergebnis wird nicht Russland der Paria sein, sondern wir. Unter Berücksichtigung von Bevölkerungszahlen (als Konsumenten und Produzenten) und der Rohstoffressourcen, ist Westeuropa längst ein überflüssiger Blinddarm im Weltorganismus geworden.
Helmut Höft
23. April 2024 @ 10:51
@european
“Die [Herzen] der Soldaten schlagen nicht mehr.”
Leider d’accord, aber es gibt da ein Problem: Kurt Tucholsky.
Um nicht missverstanden zu werden, Feynsinn: “”Kriegsmüdigkeit”, wenn das Wort denn überhaupt einen Sinn ergibt, sollte eine zivilisatorische Grundhaltung sein. Nach den Verheerungen der Menschheitsgeschichte, die jedem hinterwäldlerischen Halbdeppen bekannt sind, kann niemand mehr ernsthaft in jeglicher Weise für Krieg sein. Wir sind keine Affen, die mit Kokosnüssen werfen. Wir haben hochgerüstete Armeen, die einen Weltbrand auslösen können, der noch den bis 1945 in den Schatten stellt.” https://feynsinn.org/
“Was ist der Plan?” Frag Biden. (ebo liegt wohl richtig)
Die Aussage von Hastings Ismay über den Zweck der NATO https://de.wikipedia.org/wiki/Hastings_Ismay,_1._Baron_Ismay#%C3%9Cber_die_Funktion_der_NATO ist zu modifizieren: „to keep the Russians out, the Americans in, and the Europeans down“. Die EU einig mit RUS, das wäre wohl eine wirtschaftlich, militärisch usw. kaum zu dominierende Macht, ein amerikanischer Alptraum.
european
23. April 2024 @ 11:31
@Helmut Hoeft
Ich befuerchte eben, dass es ueberhaupt keinen Plan gibt und das Interview von Vance in der New York Times bzw. der Text auf seiner Homepage streicht eben genau das hervor.
https://www.nytimes.com/2024/04/12/opinion/jd-vance-ukraine.html
und hier:
https://www.vance.senate.gov/press-releases/senator-vance-the-math-on-ukraine-doesnt-add-up/
“The White House has said time and again that they can’t negotiate with President Vladimir Putin of Russia. This is absurd. The Biden administration has no viable plan for the Ukrainians to win this war. The sooner Americans confront this truth, the sooner we can fix this mess and broker for peace.”
Es gibt eben keinen Plan. Es hat ihn nie gegeben. In USA nicht und in Europa sowieso nicht, weil die auf die Anweisungen von USA warten. M.E. ist das Ziel, die Ukraine noch irgendwie ueber die US-Wahl zu hieven, damit Biden nochmal gewinnt, um sie anschliessend fallen zu lassen, weil man sich um China kuemmern wird. Ausserdem ist sowieso alles auf lend-lease Basis, also zurueckzuzahlen. (Durch die EU natuerlich) Aktuell ruesten die USA Taiwan maechtig auf, obwohl es sich um chinesisches Territorium handelt. Siehe Ben Norton’s Geopolitical Economy Report.
Helmut Höft
23. April 2024 @ 11:32
Sry, der Link @european ist unvollständig, muss dieser sein: https://feynsinn.org/?p=11166