Sanktionen, Getreide, Munition: Die Solidarität mit der Ukraine bröckelt

Bisher hat das Feinbild “Putin” die EU zusammengeschweißt. Nur Ungarn stellte sich quer, konnte jedoch nicht viel ausrichten. Doch nun bröckelt die Solidarität mit der Ukraine – sogar wichtige Partner stellen sich quer.

Probleme gibt es gleich in drei Bereichen, die für die Ukraine- und Russland-Politik wichtig sind. Sie gehen tiefer und halten länger an, als es die vollmundigen Erklärungen der EU-Chefs vermuten lassen:

  • Sanktionen: Die 27 können sich nicht mehr auf neue Strafmaßnahmen gegen Russland einigen. Ein Vorstoß der USA für ein generelles Exportverbot ist gerade krachend gescheitert. Aber auch Deutschland kann sich mit der Forderung, den russischen Atomsektor ins Visier zu nehmen, nicht durchsetzen. Der wichtige Partner Frankreich, aber auch Belgien, Finnland und Ungarn stellen sich quer. Ergebnis: Das nächste, 11. Sanktionspaket dürfte wohl erst Ende Mai fertig werden. Und es wird sich auf die Schließung von Lücken und die Durchsetzung konzentrieren…
  • Getreide: Mit “Solidarity lanes” wollte die EU den ukrainischen Bauern helfen, ihr Getreide nach Afrika und in andere bedürftige Regionen der Welt zu exportieren. Doch die auf dem Landweg importierten Agrarprodukte bleiben in Lagern hängen und verderben die Preise. Nach massiven Bauernprotesten haben nun Polen, Ungarn und einige andere Länder zu radikalen Maßnahmen gegriffen und Importverbote verhängt. Die EU-Kommission sucht eine “europäische Lösung”, kommt jedoch nicht voran. Die durch eine leichtsinnige Liberalisierung entstandene Lage ist verfahren.
  • Munition: Seit Wochen verspricht die EU, den akuten Munitionsmangel in der Ukraine zu beheben. Doch sie hat den Mund zu voll genommen. Die Lagerbestände reichen nicht aus, um die in einer zweiten Phase versprochenen gemeinsamen Beschaffungen gibt es Streit. Frankreich beharrt darauf, dass nur europäische Produzenten zum Zuge kommen sollen. Deutschland und andere EU-Staaten wollen jedoch in großem Stil in Übersee einkaufen – auch Rheinmetall ist auf Importe angewiesen. Dies hat zu massivem Ärger geführt; in Brüssel geht es nicht voran.
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Diese Probleme sind keine Kleinigkeiten – im Gegenteil: Sie betreffen wichtige Partner der Ukraine wie Polen, Deutschland und Frankreich und damit den “harten Kern” der europäischen Kriegspolitik.

Sie sind auch nicht von Russland oder notorischen “Quertreibern” wie Ungarn verursacht, sondern gehen auf materielle Probleme zurück, die die EU-Kommission in ihrem Eifer offenbar “übersehen” hat.

Anders gesagt: Die viel beschworene Solidarität mit der Ukraine ist an objektive Grenzen gestoßen. Wer sie überwinden will, wird sich über wichtige EU-Staaten hinwegsetzen müssen – oder krachend scheitern…

P.S. Polen wird seinen Import-Stopp für ukrainisches Getreide bis mindestens Ende des Jahres aufrecht erhalten, kündigt Entwicklungsminister Waldemar Buda an. Das Embargo werde mindestens so lange dauern, bis sich die EU auf Ausgleichsmaßnahmen geeinigt habe. Offenbar glaubt er nicht mehr an eine schnelle Einigung…