Die neue EU-Krise: Vom Kurs abgekommen
Ukraine-Krieg, Flüchtlingskrise, Rezession: Die EU steckt mal wieder in der Krise. Doch diesmal ist alles anders. Die 27 sind vom Kurs abgekommen – sie wissen nicht mehr, wofür sie stehen. – Teil eins einer mehrteiligen Serie.
Früher war klar, worum es ging: Frieden, Wohlstand und Stabilität waren die Versprechen, mit denen die EU angetreten ist. Die deutsch-französische Aussöhnung stand für Frieden, der Binnenmarkt für Wohlstand und der Euro für Stabilität.
Aus, vorbei. Der Frieden ist in der Ukraine verloren gegangen, die EU sucht ihn nicht einmal mehr. Der Binnenmarkt leidet unter kontraproduktiven Sanktionen und explodierenden Energiepreisen. Die Eurozone hat die Inflation nicht im Griff; die steigenden Lebenshaltungskosten gefährden den Wohlstand.
Die EU hat alle Ziele verfehlt, die Politik ist vom Kurs abgekommen. Doch statt sich dies einzugestehen und Abhilfe zu suchen, wird die Krise verdrängt. Früher gab es wenigstens noch Krisengipfel, um die Probleme zu lösen. Heute gibt es nicht einmal mehr das.
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Beim EPG-Gipfel in Granada wurde um den heißen Brei herumgeredet. Die Ohnmacht in Bergkarabach und im Kosovo sollte ebenso wenig auffallen wie der tiefe Riss, der die EU sieben Jahre nach der ersten großen Flüchtlingskrise 2015/16 immer noch zerreisst.
Statt sich an die eigenen Versprechen zu erinnern und den Kurs neu zu bestimmen, suchen die EU-Politiker die Flucht nach vorn. Im Beitritt der Ukraine, Moldaus sowie der Westbalkan-Länder soll das neue, “geopolitische” Heil liegen. Bis 2030 soll alles geschafft sein.
Bis dahin will die EU nicht nur die Ukraine retten – wofür jetzt schon neue Schulden gemacht und neue Waffenfabriken hochgezogen werden. Sie will sich auch selbst reformieren, damit es keine internen Blockaden mehr gibt und immer mehr Mittel nach Osteuropa gepumpt werden können.
Doch wo bleiben die Bürger, wer vertritt die Interessen der 450 Millionen West- und Mitteleuropäer? Wohin geht die Reise, wo bleibt die viel beschworene “Finalität” der EU? Fragen über Fragen, die auch den Europawahlkampf beherrschen dürften.
Wir wollen ihnen in einer mehrteiligen Serie nachgehen. Der zweite Teil – die neue Flüchtlingskrise – ist für Donnerstag geplant.
Andre As
11. Oktober 2023 @ 10:42
Die europäische Integration ist eines der am meisten mythologisierten Themen der modernen Weltpolitik, die bereits voller Illusionen und Legenden ist, die nichts mit der harten Realität der internationalen Beziehungen zu tun haben.
Man hat uns einstmals das geeinte Europa als großes Friedensprojekt versprochen (Es gibt auch andere Hinweise, aber vermutlich haben die beteiligten Politiker daran geglaubt. Sie hatten WK2 erlebt).
Das hat sich geändert: Die EU ist leider schon vor längerer Zeit “auf die schiefe Bahn geraten” . Mittlerweile ist sie für ihre Bürger eine einzige Zumutung oder sogar eine Bedrohung. Wie lange wollen wir noch zusehen, wie eine unfähige und verlogene Politiker-Generation Europa zerstört?
Die Anstalt (Betreutes wählen, Sept. 2016) mit Claus von Wagner und Max Uthoff zeigt an einem Grundriss Europas akute Demokratiedefizite auf.
Zitat: “Die Kernideen der EU stammen im Grunde aus der Feder von Konzernen und Banken.”
https://m.youtube.com/watch?v=3lHVcvJdWIs
Hans L. Schmid
11. Oktober 2023 @ 09:08
„Doch wo bleiben die Bürger, wer vertritt die Interessen der 450 Millionen West- und Mitteleuropäer? “ – Ein Aufstand aller Europäer wäre längst dringend nötig! – Alle Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa, auch in Russland und in der Ukraine, sind aufgerufen, daran teizunehmen, auf http://www.our-new-europe.eu – gewaltlos, online, bottom-up, mit dem Stimmzettel!
KK
11. Oktober 2023 @ 11:57
“Ein Aufstand aller Europäer wäre längst dringend nötig!”
Als hätte man eine solche Entwicklung seinerzeit vorausgesehen, hat man genau für diesen Fall in die Europäischen Veträge – gut versteckt – die Option einer Wiedereinführung der – eigentlich geächteten – Todesstrafe explizit hineingeschrieben!
KK
11. Oktober 2023 @ 02:08
Na, dass aus dieser mehrteiligen Serie mal kein Abgesang wird…
Und das mich selbst erschreckende: Ich würde es inzwischen noch nicht mal mehr bedauern!
Karl
11. Oktober 2023 @ 11:27
@ KK: “Ich würde es inzwischen noch nicht mal mehr bedauern!”
Bedauern würde ich das sehr, denn voraussichtlich wird es noch viel schlimmer werden. Trotzdem brauchen wir dringend eine wirksame Alternative zu dieser EU der Konzerne, der Atomindustrie und des Rüstungsindustriellen Komplexes!
Das wird auch Frankreich lernen müssen, um die “Strategische Autonomie” Europas zu erreichen. Aber ob Deutschland lernfähig ist oder wieder in seine historische Rolle der Rückständigkeit von vor 1945 zurückfällt?!