Brüssel wirft Twitter “illegale Inhalte” vor
Die EU-Kommission stößt sich an angeblich “illegalen” Meldungen auf Twitter / X zum Angriff der Hamas auf Israel. Nun droht Binnenmarktkommissar Breton mit Konsequenzen.
Es gebe Hinweise, dass in der EU über den früher als Twitter bekannten Dienst “illegale Inhalte” verbreitet würden, sagte Breton. Er habe X-Chef Musk in einem Brief an seine Verpflichtungen gemäß EU-Recht erinnert.
Die Nachrichtenagentur Reuters erhielt Einblick in das Schreiben, auch auf “X” wird es dokumentiert. Darin wird Musk aufgefordert, innerhalb von 24 Stunden eine “schnelle, genaue und vollständige Antwort” auf die Vorwürfe zu liefern.
Breton beruft sich auf das neue Digitale-Dienste-Gesetz DSA. Er droht mit einer “Untersuchung”, die zu “Strafen” führen könne. Konkrete Belege für “illegale Inhalte” und “Desinformation” legt er nicht vor.
Nun trifft ein, was Kritiker der neuen EU-Regeln von Anfang an befürchtet haben: Brüssel greift in die Informations- und Meinungsfreiheit im Internet ein. Und das bei Themen, die die EU nicht einmal direkt betreffen…
P. S. So hat Musk reagiert:
Our policy is that everything is open source and transparent, an approach that I know the EU supports.
Please list the violations you allude to on 핏, so that that the public can see them.
Merci beaucoup.
KK
11. Oktober 2023 @ 12:07
Wenn man mal die öffentlichen Äusserungen der EUCO der vergangenen drei Jahre unter die Lupe nimmt, wird da auch nicht wenig illegales zu finden sein. Uneidliche Falschaussagen wären da wohl noch die harmlosesten Vergehen.
Thomas Damrau
11. Oktober 2023 @ 10:14
Das Konzept „Illegale Inhalte“ ist Erklärungs-bedürftig:
– Volksverhetzung ist sicherlich illegal – aber selbst das muss normalerweise von einem Gericht festgestellt werden.
– Die Aussage „Die Erde ist eine Scheibe“ ist offensichtlicher Unsinn, aber nicht illegal.
– Die Behauptung „Die Regierung Selenskyj besteht aus Nazis“ ist russische Propaganda, aber die Verbreitung dieser Behauptung ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt.
Wer darf über Illegalität entscheiden?
Am Ende des Tages müsste man eine Cyber-Space-Glaubenskongregation installieren, die die häretischen Äußerungen per Schnellverfahren (eine Entscheidung nach Wochen ist bei der heutigen Ausbreitungsgeschwindigkeit von „News“ witzlos) ausdeutet und deren Verbreitung im Keim erstickt – am besten durch eine künstliche Intelligenz, die dann von den Marktführern Microsoft, Google und/oder Meta geliefert wird. Grandiose Aussichten für die Meinungsfreiheit.
Brüssel scheint mir in einer Zeitkapsel zu liegen, in die das 21. Jahrhundert noch nicht vorgedrungen ist.
Karl
11. Oktober 2023 @ 11:35
@ Thomas Damrau:
Aufrufe zu Strafaktionen, Tötungen der Zivilbevölkerung mit Militärwaffen, Verhungernlassen der Zivilbevölkerung durch die Besatzungsmacht – darum geht es!
Sie schreiben viel, aber kennen den Wortlaut nicht?
Thomas Damrau
11. Oktober 2023 @ 12:18
@Karl
Solange es um Volksverhetzung und Aufruf zur Gewalt geht, sind die entsprechenden Inhalte natürlich illegal.
Trotzdem ist eine Instanz, die dies im Namen des … (ja wessen eigentlich) feststellt, eine Nebengerichtsbarkeit und damit ein Eingriff in die übliche Gewaltenteilung. Vor allem, weil (wie ich dargelegt habe) ein solcher Eingriff automatisch schon beim Drücken des POST-Buttons vorgenommen werden müsste, da schon nach einer Stunde der Post schon soweit verbreitet ist, dass ein nachträgliches Löschen nur eine trotzige Wiederholung durch Dritte auslösen würde.
Die Logik der Presse-Zensur lässt sich nur durch eine Delegation der Entscheidung an Computer-Programme ins 21. Jahrhundert retten. Wollen wir das?
KK
11. Oktober 2023 @ 13:49
@ Thomas Damrau:
“Die Logik der Presse-Zensur…”
Ist in Deutschland verboten (Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG).
Herbert Johannes
11. Oktober 2023 @ 14:22
…Sie Reden sicherlich von Israel….oder
Thomas Damrau
11. Oktober 2023 @ 14:39
@KK
Genau. Stimmt.
Allerdings scheint der Wunsch, den “mündigen Bürger” vor verderblichem Schrifttum zu schützen, so tot nicht zu sein.
Mit dem Internet haben wir zwar einen Brandbeschleuniger ins Leben gerufen, aber die Explosiv-Stoffe, die entzündet werden, stammen nicht aus der virtuellen Welt. Obwohl es natürlich eine verführerische Erklärung ist, dass der Hass in dieser Welt durch Computer-Chips erzeugt wird. Aber die Gülle war schon vorher da – in Kanistern abgefüllt im Keller gelagert. Nur jetzt kann man sie einfach in der Öffentlichkeit verteilen.
Monika
11. Oktober 2023 @ 21:18
Sie haben gut beobachtet, dass die „Heilige Inquisition“ heutzutage wesentlich zu langsam arbeiten würde. Wollte man den Glaubensdogmen widersprechende Meinungsäußerungen den Menschen, über die man Macht durch die Definition und Ausgestaltung der Glaubensinhalte ausüben möchte, vorenthalten, ist man in der Tat entweder mit KI dabei oder gar nicht. Nur dass der „ungläubige Geist“ findig ist, und sehr effektiv durch „Codes“ (zum Beispiel das Ersetzen von unliebsamen Begriffen und Inhalten durch vermeintlich harmlose Worte) eine KI dumm dastehen lässt… „Ich mache dich Kartoffelbrei“ nur als ein eher lustiges Beispiel für all die Glaubenswächter unserer wertebasierten Ordnung.
Gleichzeitig zeigen die aktuellen Vorkommnisse in Israel, dass Low-Tech gepaart mit dem Mut der Verzweiflung die Hightechwelt recht gut contern kann. Oder eine Nummer kleiner, erinnern sie sich noch an das kleine Flugzeug auf dem Roten Platz?
„Strukturelle Nichtangriffsfähigkeit“ herstellen ist ein mächtiges Wirkprinzip, das es aber strikt verbietet, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Insofern bin ich bei diesem Thema mal eher zuversichtlich.