EUropa streckt die Waffen, Paris muß kürzen – und Straßburg bricht Rekord
Die Watchlist EUropa vom 23. April 2024 – Heute mit Gezerre um Patriots für die Ukraine, den Folgen der neuen Schuldenregeln und 89 EU-Gesetzen auf einen Schlag.
So lange wie nötig, so viel wie möglich: Das sind die beiden Hilfs-Versprechen, die die EU der Ukraine im Krieg gegen Russland gemacht hat. Doch sie kann sie nicht halten – EUropa streckt die Waffen.
Das hat sich schon im Januar gezeigt, als der EU-Außenbeauftragte Borrell einen Offenbarungseid liefern mußte: Die versprochenen eine Million Artillerie-Geschosse treffen – wenn überhaupt – erst mit mehreren Monaten Verspätung in der Ukraine ein. Die Lager sind leer, die Produktion kommt nicht hinterher.
Nun kommt die nächste kalte Dusche: Auch bei der Luftverteidigung hinken die EUropäer hinterher. Die deutsche Bundesregierung hat zwar schon angekündigt, der Ukraine ein weiteres Patriot-System zu liefern.
Die meisten anderen Mitgliedsstaaten tun sich jedoch schwer. Die Lager-Bestände sind leergefegt, die begehrten Patriots werden zur eigenen Landesverteidigung gebraucht.
Polen sagt Nein
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So hat Polen der Lieferung weiterer Systeme an die Ukraine eine Absage erteilt. Sein Land habe derzeit keine Möglichkeit dafür, sagte Ministerpräsident Donald Tusk in Warschau. Man brauche die Waffen selbst.
Damit wächst der Druck auf Griechenland und Spanien. Im Gegensatz zu Polen liegen diese beiden Länder weit entfernt vom Kriegsschauplatz in der Ukraine. Sie könnten ihre Patriot-Systeme entbehren, ohne die eigene Sicherheit zu gefährden, glauben EU-Diplomaten in Brüssel.
Allerdings ist die Lieferung von Waffen eine nationale Entscheidung. Brüssel kann Athen und Madrid nicht dazu zwingen. Deshalb ist fraglich, dass die EU die von Kiew angeforderten sieben Systeme liefern kann.
Kiew muß warten
Wahrscheinlich würden nur zwei oder drei Länder dem deutschen Beispiel folgen, hieß es bei einem Treffen der Außen- und Verteidigungsminister in Luxemburg. Zusagen gab es nicht, Kiew muß weiter warten.
Dass es Probleme gibt, hatte zuvor bereits Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg eingeräumt. Einige Alliierte müssten wohl auf Waffen zugreifen, die eigentlich für die Bündnisverteidigung reserviert sind, sagte Stoltenberg auf einer Krisensitzung in Brüssel.
Die Folge: Einige Nato-Länder können sich im Ernstfall kaum noch selbst verteidigen. Deutschland gehört auch dazu – und steht mit seiner “großzügigen” Lieferung eines Patriots in die Ukraine nun allein auf weiter Flur…
Siehe auch Baerbock: “US-Hilfe sichert europäische Friedensordnung”
P.S. Mehr als die Hälfte der weltweiten Militärausgaben sind im vergangenen Jahr laut Friedensforschern auf die Nato-Staaten entfallen. Dennoch ist die Nato nicht in der Lage, Russland Paroli zu bieten…
News & Updates
- Neue Schuldenregeln: Frankreich drohen harte Einschnitte. Das Europaparlament stimmt an diesem Dienstag über neue Regeln für Haushaltsdefizite und Staatsschulden in der EU ab. Für Frankreich wird es ernst: Nach einer ersten Budget-Kürzung im Februar um 10 Mrd. Euro kommen auf das Land bis 2027 nach Schätzungen weitere 50 Mrd. zu. Und das bei steigenden Rüstungs-Ausgaben…
- Brüssel nimmt TikTok und verkehrsreiche Porno-Seiten ins Visier. Die neue Internet-Aufsicht aus Brüssel treibt merkwürdige Blüten. Nun nimmt sie TikTok und Porno-Seiten ins Visier – angeblich zum Schutz der Kinder. Doch es gibt auch andere, nicht so hehre Motive. – Der Blogpost steht hier. Siehe auch Trotz Sicherheitsbedenken: Europaparlament goes TikTok
- Rechnungshof warnt vor Klima-Flop bei E-Autos. Der Europäische Rechnungshof sieht neue Hürden auf dem Weg zur Klimaneutralität. Ein Hindernis für die Verkehrswende sei etwa, dass E-Autos teils zu teuer seien, heißt es in einem neuen Gutachten. Elektrofahrzeuge müssten die breite Masse erreichen. Zudem weise das Ladenetz in Europa große Löcher auf. – Siehe auch “Der “Green Deal ist schon Geschichte”
Das Letzte
Straßburg bricht Rekord: 89 EU-Gesetze auf einen Schlag. Sage noch einer, unsere EU-Parlamentarier seien faule Spesenritter. Nein – bei ihrer letzten Plenarsitzung in Straßburg vor der Europawahl wollen sie nicht weniger als 89 Rechtsakte und Gesetze verabschieden – ein neuer Rekord. Darunter sind wichtige Regulierungen wie die neuen Schuldenregeln (siehe oben), ein Recht auf Reparatur oder das lange umstrittene Lieferkettengesetz. Tolle Sache, die Parlamentarier rackern bis zur letzten Minute, damit es den EU-Bürgern besser geht! So richtig demokratisch ist das allerdings nicht. Zum einen fehlt es bei einer heiß laufenden Gesetzgebungsmaschine an Transparenz – wer kann noch nachvollziehen, wie 89 Texte abgestimmt wurden? Zum anderen gehört es sich nicht, kontroverse Gesetze kurz vor der Wahl durchzupeitschen. Die Abgeordneten täten besser daran, das Votum der Wähler abzuwarten…
P.S. Am Abend schmetterte das Parlament den Antrag der AfD-Abgeordneten Ch. Anderson ab, die undurchsichtigen Impfstoffdeals der EU mit Pfizer unter die Lupe zu nehmen. Dabei hätte das “Pfizergate” durchaus eine eingehende Befassung verdient – schließlich ermittelt sogar der Staatsanwalt…
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european
23. April 2024 @ 11:09
Ja, die Rating-Agenturen treiben uns wieder einmal vor sich her. Wir haben zwar mit Scope eine europaeische Rating-Agentur, aber von der hoert man nichts. So unterwerfen wir uns auch hier transatlantischen Regeln und nehmen die wirtschaftliche Entwicklung Europa’s von allen Seiten pflichtschuldigst in die Zange. Auf das sich nichts entwickeln moege. In Deutschland wackelt die FDP und sollte die Regierung tatsaechlich stuerzen, droht mit Merz noch mehr Transatlantizismus und vielleicht doch noch der Taurus. Fleissige Helferlein ueberall.
Wer das alles bisher fuer wilde Verschwoerungstheorien gehalten hat, wird aktuell eines besseren belehrt. Es kommt sogar schlimmer.
Ute Plass
23. April 2024 @ 10:34
Schön wär’s ja, wenn Europa die Waffen streckte und dem entsprechen würde, wofür es den Friedensnobelpeis bekam:
“Das Norwegische Nobelkomitee hat entschieden, dass der Friedensnobelpreis 2012 an die Europäische Union (EU) vergeben wird. Die Union und ihre Vorgänger haben über sechs Jahrzehnte zur Förderung von Frieden und Versöhnung beigetragen. Seit 1945 ist diese Versöhnung Wirklichkeit geworden.
Das furchtbare Leiden im Zweiten Weltkrieg zeigte die Notwendigkeit eines neuen Europa. … Heute ist Krieg zwischen Deutschland und Frankreich undenkbar. Das zeigt, wie historische Feinde durch gut ausgerichtete Anstrengungen und den Aufbau gegenseitigen Vertrauens enge Partner werden können. …
… Die Teilung zwischen Ost und West ist in weiten Teilen beendet. Die Demokratie wurde gestärkt. …
“Die Arbeit der EU repräsentiert ‘Bruderschaft zwischen den Nationen’ und entspricht einer Form von ‘Friedenskongress’, wie Alfred Nobel dies als Kriterium für den Friedenspreis 1895 in seinem Testament umschrieben hat.”
“Die EU-Wahlen und der Krieg”
https://www.nachdenkseiten.de/?p=114252
Arthur Dent
23. April 2024 @ 09:21
“Frankreich drohen harte Einschnitte” – bedeutet, noch länger arbeiten und später in Rente. Macrons Untertanen werden sicher jubeln.
Der Flop der E-Autos – man bekommt wenig Auto für viel Geld. (Wenn weniger Verbrennerautos gebaut werden, steigen die Stückkosten – wenn wenig E-Autos gebaut werden, sinken sie nicht). Zudem gibt es überhaupt keine umweltfreundlichen Autos, umweltfreundlich ist die Muskelkraft. Dann braucht man noch Unmengen an Kupfer, Kobalt, Lithium, seltene Erden… Man muss ein E-Auto mindestens acht Jahre fahren, bis man es halbwegs klimaneutral gerechnet. Sollte in der Zwischenzeit die Batterie den “Geist aufgeben”, ist es Schrott und man kann es wegwerfen.
ebo
23. April 2024 @ 09:24
Ich halte das Ziel eines klimaneutralen Individualverkehrs für irreführend. Selbst nach Modellen der Verkehrsbranche lässt sich Klimaneutralität allenfalls dann machen, wenn wir alle auf Bus, Bahn, Leasing und automatisierte Lieferdienste umsteigen und weitgehend auf private Pkw verzichten. Das E-Auto ist nicht klimaneutral, umweltverträglich ist es schon gar nicht.
Monika
23. April 2024 @ 10:07
Da gebe ich Ihnen völlig recht! Aber dem Deutschen sein “liebstes Kind, das Auto” zu nehmen, wird sich schwieriger gestalten, als die Schnullerentwöhnung bei einem emotional verarmt aufwachsenden Kleinkind…
Dabei eignet sich Deutschland ebenso wie die Beneluxstaaten auf Grund ihrer dichten Besiedlung hervorragend für diese Art von Mobilitätsgestaltung, die Sie beschreiben! Aber Mut zu echter Veränderung ist nicht vorhanden, i.G. jedes noch so kleine “Meins” wird bis zum Exzess verteidigt, und das AUTO als Inbegriff von “Wohlstand” und “Freiheit”, ja sogar “Sicherheit” als Fluchtvehikel ins Nirgendwo ABSOLUT unersetzbar! Das zeigt sich doch schon bei der völlig verblödeten diskussion um eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. Lieber einen Schilder- und Regelungsdschungel, als eine klare allgemeine Geschwindigkeitsdeckelung!
KK
23. April 2024 @ 12:07
Ein ÖPNV, der flächendeckend den Individualverkehr ersetzen könnte, ist zu Zeiten der jetzt lebenden Generationen nicht denkbar. In Grossstädten vielleicht – aber nur, solange man diese nicht verlassen will… ich lebe zwar in der Nähe einiger Grossstädte, aber insb. abends ist ohne Individualverkehr nirgends hin- geschweige denn zurückzukommen. Kultur kann ich mir dann abschminken (aber die wird wohl sowieso zugunsten der Kriegstüchtigkeit als erstes eingestampft werden) wie auch das Pflegen von Sozialkontakten.
Es wird wieder geritten werden…
Fidas
23. April 2024 @ 08:54
Durch Öffnung seines Luftraums für die Luftstreitkräfte Israels ist Griechenland direkte Partei im Nahost Konflikt. Daher wäre es gerade jetzt nicht weise seine Patriot Systeme zu Gunsten der Ukraine zu entbehren.