Streit über Krieg in Israel, Hoffnung in Polen – und Flop beim EU-USA-Gipfel
Die Watchlist EUropa vom 21. Oktober 2023 – heute mit der Wochenchronik
Die Europapolitik dieser Woche wurde vollständig vom Krieg in Israel und dem Streit über das Schicksal der Palästinenser beherrscht.
Nach dem Blankoscheck, den Kommissionschefin von der Leyen der rechtsradikalen Regierung Netanjahu im Alleingang (ohne EU-Mandat) ausgestellt hat, hagelte es Proteste.
Ein eigens einberufener Sondergipfel hat die EU-Linie zwar leicht korrigiert, doch der Streit geht weiter. So haben mehr als 800 EU-Offizielle eine Protestnote unterzeichnet.
Der spanische Premier Sanchez, der aktuell den EU-Vorsitz innehat, hat sich weiter von der EU-Kommission abgesetzt, indem er einen Waffenstillstand forderte.
“Wir müssen alle Zivilisten schützen, sowohl die Geiseln, die zu ihren Familien zurückkehren müssen, als auch diejenigen, die im Gazastreifen leiden“, sagte er beim Gipfeltreffen zum Nahost-Krieg in Kairo.
Dabei haben sich von der Leyen und Ratspräsident Michel gegen einen Waffenstillstand ausgesprochen. Nach einem ansonsten erfolglosen EU-USA-Gipfel in Washington folgen sie brav den Amerikanern.
Diese versuchen offenbar, Ägypten mit Milliardenbeträgen dazu zu bewegen, die Grenze für bis zu 2 Millionen Palästinenser aus Gaza aufzumachen. So wäre der Weg für das israelische Militär frei.
Dagegen stemmt sich jedoch Palästinenser-Präsident Abbas. “Wir werden niemals gehen. Wir werden niemals unser Land verlassen. Wir werden aufrecht auf unserem Land stehen bis zum Ende”, so Abbas in Kairo.
Wenn Israel trotzdem in Gaza einmarschiert oder andersweitig in die Offensive gegen Hamas geht, könnte die Lage schnell außer Kontrolle geraten…
Was war noch? Nach der Wahl in Polen hofft die EU, dass dort bald der europafreundliche Oppositionsführer Tusk die Regierung übernimmt. Doch noch ist es nicht so weit.
Auch wenn die Medien anders berichten: Noch ist in Warschau die PiS am Ruder, die von Brüssel herbeigesehnte europapolitische Wende lässt auf sich warten…
…genau wie das Ende des Handelskonflikts mit den USA. Der groß angekündigte EU-USA-Gipfel in Washington ist gescheitert, nun droht eine neue Runde im Stahlstreit!
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Arthur Dent
23. Oktober 2023 @ 00:04
Ich bin nicht gegen einen Waffenstillstand oder besser noch Frieden – allein, er wird nicht kommen. Sowohl die Hamas als auch Israel beanspruchen das ganze Gebiet für sich. Die „Befreiung Gesamtpalästinas“ ist die offizielle Agenda der Hamas – das bedeutet faktisch die Zerstörung Israels.
Die Hamas hat in der eigenen Bevölkerung in letzter Zeit an Zuspruch verloren. Viele Palästinenser konnten in Israel arbeiten und dadurch ihre wirtschaftliche Situation verbessern – vielleicht liegt hier ein Motiv für den Gewaltausbruch der Hamas. Ein Großteil der zivilen Palästineser wäre einer Zwei-Staaten-Lösung sicherlich nicht abgeneigt – aber offizielle Seiten haben daran kein Interesse.
Wenn zwei Millionen Palästinenser fliehen wollen – wer sollte sie aufhalten. Sie werden aber nicht gehen, Abbas kann seine Landsleute gut einschätzen.
Lutz Hausstein
22. Oktober 2023 @ 13:24
Völlig unabhängig davon, welchen persönlichen Standpunkt jeder zum Palästina-/Israel-Krieg haben mag und welche persönliche Priorität. Es sei der Blick auf einen scheinbar formellen Aspekt gelenkt.
„… Wir werden niemals gehen. Wir werden niemals unser Land verlassen. Wir werden aufrecht auf unserem Land stehen bis zum Ende“, so Abbas in Kairo.
Mit dem verallgemeinernden „wir“, das Abbas mit einschließt, sollen die Palästinenser aus Gaza an der Flucht aus dem Kriegsgebiet in Richtung Ägypten gehindert werden, so ihr Vertreter aus der Hauptstadt Ägyptens, Kairo.
Wer findet den Fehler? Warum erinnert mich dieses „wir“ an hiesige Politiker?
KK
22. Oktober 2023 @ 14:28
Wo sollen die Palästinenser denn hin?
Natürlich wollen sie in der Mehrzahl in ihrer Heimat bleiben, nicht wenige in die Nachbarstaaten Geflüchtete würden sogar zurückkehren wollen, wenn die Bedingungen stimmen.
Aber eben in einem eigenen souveränen Staat, wie schon seit langem von der UN beschlossen – der aber konsequent von Israel verhindert wird, ohne dass es Sanktionen seitens der Weltgemeinschaft gäbe. Und denen, die wie BDS Sanktionen, wie sie gegen jedes andere entsprechend agierende Land verhängt würden, fordern, wird pauschal Antisemitismus vorgeworfen (und sogar vom Deutschen Bundestag ganz offiziell als solcher verurteilt wurde).
Arthur Dent
22. Oktober 2023 @ 12:22
Waffenstillstand ist eine wohlfeile Forderung – genauso gut kann Sanchez einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann schreiben. Selbst der mehr auf Gewaltfreiheit setzende Abbas reagiert ablehnend auf die Vorstellung, man könne die palästinensische Zivilbevölkerung von Gaza komplett nach Ägypten evakuieren.
Die EU hofft auf Tusk – das zeigt, dass die Idee vom vereinten Europa mit ideologischem Eifer vertreten wird. Kennzeichen der EU sind dogmatische Sturheit und Besserwisserei – mit Abweichlern kann oder will man nicht umgehen.
ebo
22. Oktober 2023 @ 12:50
Eine Waffenruhe fordern auch Angehörige der israelischen Geiseln, die arabischen Staaten, Brasilien, Russland und die Uno. Dagegen sind wieder einmal die USA und die EU-Spitze. Woran erinnert uns das?
Lutz Hausstein
23. Oktober 2023 @ 12:18
Das ist nicht der Punkt. Der Fehler, den ich verorte, liegt ganz woanders. Ich dachte eigentlich, dass er sofort ins Auge springt. Aber ich habe mich getäuscht.
Der vielleicht wichtigste Vertreter der Palästinenser sagt aus seinem sicheren Aufenthaltsort in Ägypten, dass “wir” – also auch er – “niemals gehen”, “niemals unser Land verlassen”, “aufrecht auf unserem Land bis zum Ende stehen” werden.
Das erinnert mich daran, dass Politiker gern davon reden (und geredet haben), dass “wir den Gürtel enger schnallen müssen” (bei H. Kohl war das immer besonders witzig) oder dass “wir uns auch schonmal für den Frieden mit dem Waschlappen waschen” könnten.
Es ist dieses “wir”, das eine vermeintliche Gemeinschaft von Volk und Politikern suggeriert. Dabei betreffen doch aber die jeweiligen Zumutungen nie diese Politiker, sondern immer nur die Bevölkerung. Nur darauf bezog sich meine Anmerkung.
Lutz Hausstein
23. Oktober 2023 @ 11:37
Ich habe meine Antwort leider dem falschen Antwort-Button zugeordnet. Sorry, mein Fehler.
KK
23. Oktober 2023 @ 13:04
„Der vielleicht wichtigste Vertreter der Palästinenser sagt aus seinem sicheren Aufenthaltsort in Ägypten…“
Abbas weilt nur zur Konferenz im „sicheren Aufenthaltsort Ägypten“; er lebt in Ramallah im Westjordanland. Es bedarf hier also keiner irreführenden Polemik.