EUropa verliert auf der ganzen Linie
Dies ist eine der dunkelsten Stunden für Europa seit 1945, sagt der Außenbeauftragte Borrell nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Es ist vor allem eine dunkle Stunde für die EU. Sie verliert auf der ganzen Linie.
Der EU ist es nicht nur nicht gelungen, den Frieden zu verteidigen – wieder einmal. Schon die Jugoslawien-Kriege der 90er Jahre haben gezeigt, wie machtlos die “Friedensunion” ist, wenn kleine und große Mächte zündeln. Sie hat auch vor der Aufgabe versagt, eine eigenständige Rolle zu spielen. Russland hat die EU nicht ernst genommen, die USA haben die EUropäer an der langen Leine geführt. Jeder Schritt war mit US-Präsiden Biden abgesprochen.
Nur Frankreichs Staatschef Macron ist (ein wenig) ausgebrochen. Er hat immerhin versucht, sich von der “hirntoten” Nato zu lösen und einen Dialog über eine neue europäische Sicherheitsordnung anzustoßen. Doch er blieb allein.
Am Ende ist ihm nicht einmal Kanzler Scholz gefolgt. Der SPD-Politiker ist zu schwach und unerfahren, zudem sitzen ihm die Grünen im Nacken. Deutschland war in dieser Krise defensiv und isoliert, wie das Debakel um Nord Stream 2 zeigt.
Der deutsch-französische “Motor” entfaltete keine Zugkraft, auch die EU-Institutionen spielten keine nennenswerte Rolle. “Außenminister” Borrell klopft jetzt große Sprüche, doch an der Krisenlösung hat er sich nicht beteiligt.
Nur Kommissionschefin von der Leyen darf sich als “Gewinnerin” fühlen. Sie ist – ohne Mandat und Kontrolle – in die Rolle der europäischen Verteidigungsministerin geschlüpft und hat so getan, als spreche sie auf Augenhöhe mit Biden.
Gemeinsam hat dieses ungleiche Paar ein “noch nie da gewesenes” Sanktionspaket geschnürt, das nun schnell umgesetzt werden dürfte – und EUropa erst recht zum Verlierer macht. Denn die Kosten dürften vor allem wir zahlen.
Und zwar nicht nur ökonomisch. Auch politisch ist der Schaden für EUropa enorm. Gemeinsam mit (oder zumindest ungestört von) Russland hätte die EU einen eigenständigen “Pol” in der neuen multipolaren Weltordnung bilden können.
Nun wird auch Deutschland seine privilegierten Beziehungen zu Russland verlieren, die nach dem Ende des Kalten Krieges so wichtig waren – nicht nur für gute Geschäfte, sondern auch für den Frieden in Europa.
Die EU wird noch abhängiger von den USA – und das zu einem Zeitpunkt, da die einstige Supermacht schwächelt und Präsident Biden versagt…
Siehe auch Putin lässt die Maske fallen, Biden steht gefährlich blank da und “Das Worst-Case-Szenario rückt näher”
P.S. Auch den USA droht ein “Worst Case”-Szenario: Nicht nur China, auch Iran äußerst Verständnis für Russland. Die Nato sei für die Eskalation in der Ukraine-Krise verantwortlich, schreibt Außenminister Hossein Amirabdollahian auf Twitter. Grund seien “provokative Maßnahmen” des westlichen Militärbündnisses. Russland, China und Iran dürften nie zusammenfinden, hieß es bisher in Washington. Eine “Achse” Moskau-Peking-Teheran gilt US-Strategen als geopolitischer Alptraum.
Holly01
28. Februar 2022 @ 10:08
Sehr guter link, danke @european.
european
27. Februar 2022 @ 19:18
Heute morgen las ich auf Telepolis einen Artikel, in dem der Autor auf aktuelle russische Umfragen verwies. Noch im Januar konnten Putin und seine Leute auf 69% Rückhalt in der Bevölkerung zählen. Andere Berichte lassen vermuten, dass in Russland eine neue Rechte aufsteigt. Wenn wir also weiterhin zulassen, dass die Sicherheitsansprüche Russlands missachtet werden und damit der Nationalstolz angestachelt wird, dürfte es in Europa wirklich ungemütlich werden.
Selbst wenn Putin irgendwann weg sein sollte, wer sagt uns denn, dass der Nachfolger besser wird? Die Dämonisierung und Reduzierung eines 140 Mio Volkes auf einen einzigen Mann über Jahre hinweg hat den Westen nicht verfolgen lassen, was eigentlich für eine Politik im Land betrieben wird und welche Mehrheiten sich dort bilden. Auch in einer Autokratie gibt es unterschiedliche Kräfte. Und Nawalny? Wieviel Rückhalt hätte er tatsächlich und wie würde er als nationalistischer Russe im Amt über die Krim denken? Mit wehenden Fahnen abgeben, wenn noch viel nationalistischere Kräfte im Hintergrund agieren?
Wir müssen verhandeln mit den Leuten die da sind. Wir können uns kein Paralleluniversum stricken und uns in Wunschdenken ergehen. Außerdem wird es Zeit, dass wir anerkennen, dass andere Kulturen nicht nur andere Entwicklungsgeschwindigkeiten haben, sondern nicht selten auch zu völlig anderen Denkergebnissen kommen als wir. Das mag uns nicht gefallen, aber dem ist ganz einfach so. Wir sind nicht dazu da, die Welt zu erziehen. Außerdem ist die Frage, ob unsere Denkweise denn so richtig ist? Was für uns zutrifft, trifft nicht für alle zu.
Eine wirklich ausgezeichnete Analyse nicht nur über die Situation, sondern auch das jahrelange Versagen der Medienlandschaft bietet dieser Artikel. Er ist sehr lang, aber sehr präzise, sehr gut recherchiert und sollte wirklich von allen gelesen werden, die in Politik und Medien tätig sind.
https://www.heise.de/tp/features/Blaupausen-fuer-die-Ukraine-6527247.html
Ansonsten bleibt uns nur die Hoffnung auf Besserung der Lage. Es ist grauenvoll, was sich da gerade abspielt. Es gibt keine Rechtfertigung für Krieg.
Hubertus Magnus
3. März 2022 @ 13:23
Natürlich gibt es eine Rechtfertigung für einen Krieg. Nämlich wenn man angegriffen wird oder jemanden auf dessen Wunsch hin verteidigt, der angegriffen wird.
Seit 8 Jahren ist Krieg in der Ukraine. OSZE-Beobachter bestätigen eine 75% zu 25% Beteiligung von Ukraine und Donbass-Republiken. Ich habe von keinem Aufschrei des Westens gehört. Dabei sind dabei über 10.000 Menschen getötet worden.
Die Ukraine hat eine derart rechtsradikale Regierung, dass es jeden grausen müsste. Denkmäler für Stepan Bandera (selbersuchen macht schlau) wurden errichtet. Ein nationaler Gedenkttag für den Jahrestag der SS-Division Galizien eingerichtet.
Die diversen Bio-Labor der USA in der Ukraine sind wofür? Das Nichtverfolgen und Anklagen der Täter von Odessa (Gewerkschaftshaus-Brand mit Dutzenden von Toten).
Das Geschwafel von Ukraine in die Nato und Aufstellen von Raketen.
Man sollte die Ukraine auffordern sich zu ergeben und anschließend mit den Russen sich an einen Tisch setzen und reden. Waffen und Soldaten zu schicken verlängert nur das Elend auf allen Seiten. Die Russen gewinnen ja doch. Fragt sich nur zu welchem Preis.
Und gerade die, die nach Einsatz von Soldaten der Nato schreien, sollten selber die Koffer packen und hinfahren. Ist ja jetzt sogar offiziell erlaubt worden. Na dann mal los!
Holly01
27. Februar 2022 @ 18:04
@ Kleopatra:
Ich würde das nicht so formulieren wie Sie, lande aber beim selben Ergebnis.
Ein Deutschland in der EU und NATO kann nicht abseits stehen und sein Ding machen.
Ob diese Vorgänge nun ok sind kann man (muss man?) diskutieren (dürfen).
Fakt ist aber, das die einzige richtige Reaktion jetzt wäre das die EU (EU vs NATO) mit 200.000 Soldaten aufmarschiert und in die Ukraine einrückt.
Wie die Kontingente sind, ist egal, aber es müssen alle EU-Staaten mitmachen.
Dann muss die EU aber auch die Verantwortung tragen den Frieden für die Menschen herzustellen und zu bewahren.
Ich denke nicht das irgend jemand so blöd wäre 200.000 EU Soldaten anzugreifen.
Man könnte ja eine Luftverbotszone einrichten.
Da darf nur reinfliegen, wer unbewaffnet ist und sich angemeldet hat.
DAS wäre eine angemessene Aktion.
Ohne die USA zu bemühen und mit einer ganz klaren Aussage:
An der EU Grenze führt niemand Krieg, egal wer anfängt, die EU wird es beenden.
Ob die Ukraine dann zur gehört?
Nein, tut Sie nicht.
Aber das Recht wird hergestellt und durchgesetzt.
Dann muss man auch mal 2 oder 3 Jahre da bleiben mit 200.000 Soldaten und so ein Zeichen setzen.
Keiner setzt einen Fuß auf russisches Territorium, von mir aus hält man da einen 20km Sicherheitsabstand und da könne die Russen auch rumlaufen und gucken.
Aber besetzt wird das gesamte Land.
Kleopatra
26. Februar 2022 @ 13:39
Welchen Wert haben „privilegierte Beziehungen“ mit einem solchen Russland? Und wenn es sich grundsätzlich ändert, können neue Beziehungen geknüpft werden. Aber da der russische Präsident Putin die Ukraine kassieren will wie Hitler Österreich, ist eine Neutralität in diesem Konflikt nicht sinnvoll.
ebo
26. Februar 2022 @ 14:02
Natürlich macht eine “Unabhängigkeit” unter dem Stiefel Russlands keinen Sinn. Es wäre ja keine. Selenskyj hat keine guten Optionen, Putin aber auch nicht
Kleopatra
27. Februar 2022 @ 15:56
Der Unterschied ist, dass Putin Selenskyj gute Optionen offen lassen könnte. aber nicht umgekehrt. Insofern gibt es hier eben einen Unterschied zwischen dem Angegriffenen und dem ruchlosen Aggressor.
Mit einem Russland, das Nachbarstaaten, die für es keine ernsthafte Bedrohung darstellen (und nicht den Ehrgeiz haben, Russland ernsthaft zu bedrohen), unprovoziert überfällt und auf Wirtschaftssanktionen des Westens dann mit der Mobilisierung seiner Atomstreitkräfte reagiert, kann niemand “privilegierte” Beziehungen haben wollen, der noch bei Verstand ist. So leid es einem tut: solange Russland diese Führung hat, muss es möglichst weitgehend isoliert werden.
Hubertus Magnus
25. Februar 2022 @ 12:11
Der Westen hat fertig! Wo man auch hinschaut regiert nur noch Idiotie.
Gewollt und seit vielen Jahren gesteuert. Ziel: The Great Reset.
Angeblich wird danach wieder alles gut. Wer’s glaubt.
Russland ist jetzt angeblich der schröckliche Bösewicht. Wieviel völkerrechtswidrige Kriege und Covert Operations haben die USA in den letzten 50 Jahren so durchgezogen? Wieviel Menschen sind dabei um ihr Leben gekommen? Millionen!
Aber die dürfen das. Denn die USA sind nach ihrer eigenen Definition die Guten. Alles was sie machen ist gut. Punktum. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Putin hat die letzten beiden Jahrzehnte immer wieder Gespräche angeboten. Er wurde nur ignoriert. Die USA haben alle Russland gegebenen Versprechen arrogant ignoriert und gemacht was sie wollten. Jetzt stehen sie nackt da. Sie wollen nicht nur keinen größeren Krieg mit Russland, sie können gar keinen größeren Krieg mit Russland führen. Denn sie würden sofort, dank der russischen Hyperschallraketen, ihre gesamte Trägerflotte riskieren. Und das wäre dann das für jedermann sichtbare Ende der amerikanischen Vorherrschaft.
Der sog. Wertewesten ist wertemäßig so gottlos verrottet, dass ich wünschte Putin würde bis an die Atlantikküste durchmarschieren lassen.
Hitler hat 60 Millionen Tote verursacht. Seit ca. 1970 wurden ca. 2,4 Milliarden Kinder im Mutterleib ermordet. Aber Hitler ist abgrundtief böse und wir sind die Guten. Aber irgendwann kommt immer die Quittung.
european
24. Februar 2022 @ 19:37
Zu wieviel Selbstkritik ist die EU wohl fähig?
Erst die Nato-Osterweiterung, dann das Assoziierungsabkommen. Diese Eskalation mag nicht gewollt gewesen sein, aber es kann doch niemand so blind gewesen sein, um nicht zu sehen, dass daraus massive Konflikte entstehen werden. Sie kamen ja auch prompt.
Es gibt keine Rechtfertigung für Krieg. Es gibt auch keine guten oder schlechten Kriege. Im Krieg verlieren alle.
Peter Bingel
25. Februar 2022 @ 14:42
“Im Krieg verlieren alle.”
Nö! Nicht alle. Es war schon immer so und im Film “let’s make money” wurde es klar und schön deutlich gezeigt: Krieg ist DIE Chance Geld zu verdienen. Richtig viel Geld. Mehr als sonst. Oder Macht, oder Einfluss. Wenn immer ALLE verlieren würden, wären Kriege schon längst verboten. Schon seit Jahrtausenden.
Reply
european
26. Februar 2022 @ 12:15
Damit haben Sie Recht. Es gibt immer Kriegsprofiteure und sehr oft schwimmen die auch nach einem Krieg wieder obe.
Ich bezog mich auf die normale Bevölkerung auf beiden Seiten eines Krieges. Die werden selten gefragt und verlieren alle.