Selenskyj in Washington, Korruption in Brüssel – und ein Deckel ohne Wert
Was bleibt von der Europapolitik der letzten zwei Wochen? Selenskyj goes to Washington – und lässt EUropa links liegen. In Brüssel geht die Angst vor neuen Enthüllungen um – der Fall Kaili lässt auch von der Leyen zittern. Und dann war da noch der Gaspreisdeckel – der aber nie eingesetzt werden dürfte.
Brüssel macht Pause, das Europaviertel ist verwaist, Beamte und Diplomaten sind auf Heimaturlaub. Dennoch waren die letzten zwei Wochen europapolitisch sehr aufschlußreich. Sie haben gezeigt, wie tief Deutschland und die EU gesunken sind.
Beginnen wir mit Deutschland: Das größte EU-Land wäre fast überstimmt worden. Beim letzten großen Ratstreffen dieses Jahres – dem Energierat – konnte Wirtschaftsminister Habeck die ultimative Blamage nur mit ganz vielen Kompromissen abwenden.
Nun wird es doch noch einen Gaspreisdeckel geben, den Deutschland immer abgelehnt hat. Allerdings ist er mit so vielen Haken und Ösen versehen, dass er nie eingesetzt werden dürfte. Die EU setzt in der Energiepolitik auf Potemkin’sche Dörfer!
Wo der Hammer hängt
Das hat man auch in Kiew gemerkt. Präsident Selenskyj hielt es denn auch nicht für nötig, vor seinem Besuch in Washington einen Abstecher in Brüssel zu machen. Stattdessen schaute er auf der Rückreise in Warschau vorbei – und verwies die EU auf Platz drei!
Dass die EUropäer mittlerweile am meisten Finanzhilfe für die Ukraine leisten, die meisten Flüchtlinge aufnehmen und auch am meisten für die Energieversorgung im Kriegswinter tun – geschenkt! Der Hammer hängt in Washington, nicht in Brüssel.
Die EUropäer spielen im Stellvertreterkrieg gegen Russland nur eine Statistenrolle. Sie haben weder ein Kriegsziel definiert noch eine Strategie. Die lassen sie sich von Selenskyj vorgeben, der im Gegenzug schon mal den EU-Beitritt forciert...
Angst vor dem Staatsanwalt
Als wäre das alles nicht schon deprimierend genug, wird Brüssel auch noch vom größten Korruptionsskandal der EU-Geschichte erschüttert. Der Fall Kaili, der im Europaparlament ans Tageslicht kam, lässt mittlerweile auch Kommissionschefin von der Leyen schwitzen.
Denn die CDU-Politikerin hat es versäumt, der NGO „Fight Impunity“ auf die Finger zu schauen, über die offenbar Bestechungsgelder verteilt wurden. Zudem muß sie fürchten, dass der Europäische Staatsanwalt bei ihr klingelt – wegen der SMS-Deals mit Pfizer.
Das Vertrauen in die Integrität der Europapolitiker ist jetzt schon erschüttert. Dabei wollen sich von der Leyen & Co. doch im neuen Jahr für die Europawahl 2024 warm laufen. Einen schlechteren Start kann man sich kaum ausdenken…
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Barnier bildet „Regierung der Verlierer“
In Frankreich geht die Regierungskrise weiter. Und sie dürfte auch nicht so schnell enden – denn Präsident Macron und sein Premier Barnier setzen auf dieselben Parteien wie zuvor – dabei wurden diese abgewählt.
Mit teuren Tricks in eine andere EU
Es war keine Pinkelpause, sondern ein Gang in die Kaffeeecke, der Viktor Orban von einem Veto beim EU-Gipfel abhielt. Nun ist der Weg Beitrittsgespräche mit der Ukraine frei. Er führt in eine andere EU.
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european
31. Dezember 2022 @ 17:59
Ich habe die Nachrichten in den letzten Tagen nicht so verfolgt. Wir waren nach den Corona-Lockdowns das erste Mal wieder für ein paar Tage in Deutschland und haben die Familie besucht. Am Rande habe ich jedoch mitbekommen, dass Russland den Ölexport in Länder mit Deckel verbietet. Das dürfte niemanden überrascht haben. Die Konsequenz folgt auf dem Fuß.
Trotz aller unerfreulichen Nachrichten in diesem Jahr wünsche ich Ihnen, lieber Ebo, und allen Mitforisten einen angenehmen Silvesterabend und einen guten Rutsch ins Jahr 2023. Vielleicht wird es ja doch ein gutes Jahr, in dem die Vorzüge der Diplomatie und des gegenseitigen Interessensausgleichs wiederentdeckt werden. Es gibt nur diesen einen runden Globus für uns, auf dem wir uns weder verstecken noch von ihm wegrennen können. Alles, was passiert, passiert hier und muss auch hier gelöst werden.
Herzliche Grüße aus dem schönen Schottenland 🙂 , in dem es im nächsten Jahr bestimmt auch einige Veränderungen geben wird, wenn alles so läuft, wie angekündigt.
ebo
31. Dezember 2022 @ 18:15
Vielen Dank und beste Grüße nach Schottland! Guten Rutsch – 2023 kann ja (hoffentlich) nur besser werden…