Der Stellvertreterkrieg läuft aus dem Ruder

Zu wenig Waffen, zu viele Tote, immer mehr ukrainische Alleingänge und Provokationen: Der Stellvertreterkrieg gegen Russland läuft aus dem Ruder. Die USA reagieren mit deutlicher Kritik, die EU schweigt.

Es geschieht nicht alle Tage, dass sich die USA von der Ukraine distanzieren. Doch nun ist es passiert: Der Sprecher des State Departments rückt von den ukrainischen Drohnenangriffen auf zwei strategische Flugplätze im russischen Kernland ab.

“We are not enabling Ukraine to strike beyond its borders,” Ned Price, the State Department spokesman, said at a daily news briefing. “We are not encouraging Ukraine to strike beyond its borders.” 

Die Klarstellung ist ein weiteres Zeichen, dass die Chemie zwischen Kiew und Washington nicht mehr stimmt. Schon vor zwei Wochen hatte US-Präsident Biden seinem ukrainischen Amtskollegen Selenskyj widersprochen – wegen der Raketeneinschläge in Polen.

Und vor wenigen Tagen rückte Außenminister Blinken von den ukrainischen Kriegszielen ab. Aus US-Sicht gehe es darum, Russland hinter die Linien vom 24. Februar zurückzudrängen, sagte er. Von einer Rückeroberung der Krim war keine Rede.

Offenbar sind die USA nicht mehr bereit, alle Kapriolen von Selenskyj mitzumachen und sich in eine direkte Konfrontation mit Russland verwickeln zu lassen. Deshalb hagelt es in Washington nun Rüffel und Distanzierungen.

Auch aus europäischer Sicht läuft es nicht gut. In Brüssel hört man zwar keine Klagen über Selenskyj. Im Gegenteil: Die EU übt sich in Treueschwüren. Wer ausschert – wie Viktor Orban – wird öffentlich an den Pranger gestellt.

Umso lauter werden die Klagen über die ungleiche Lastenteilung. Während die USA kaum Flüchtlinge aufnehmen und sogar vom Krieg profitieren, ächzen die Europäer unter den Kosten. Neuerdings überholt die EU die USA sogar bei den Hilfszusagen.

In Umfragen halten sich diejenigen, die zu noch mehr Opfern bereit sind, ungefähr die Waage mit jenen, die ein Ende der EU-Hilfen fordern. Die Solidarität mit der Ukraine bröckelt, das Bündnis mit den USA leidet.

Das kann nicht gut gehen

Lange kann das nicht mehr gut gehen. Der Stellvertreterkrieg, den sich die Alliierten in der Ukraine mit Russland liefern, ist aus dem Ruder gelaufen. Die USA reiben sich an der Ukraine, die EU streitet mit den USA.

Höchste Zeit, die Dinge wieder gerade zu rücken. Amerikaner und Europäer müssen Selenskyj gemeinsam zur Räson bringen und auf Verhandlungen drängen. Und die EU muss endlich eine faire Lastenteilung fordern.

Doch Kommissionspräsidentin von der Leyen schweigt. Sie behauptet, die europäischen Interessen seien mit jenen der Ukraine identisch – und lässt sich bei jedem Schritt von Biden leiten…

Siehe auch „China, Ukraine, Krieg: Wo bleibt das europoäische Interesse?“

P.S. Die Bundesregierung erklärt, die Ukraine dürfe sich auch außerhalb ihrer Grenzen verteidigen. Das klingt nach einem Freibrief und dürfte die Lage nicht entspannen, im Gegenteil…