Best of 2022: EUropa verliert im Stellvertreterkrieg

EUropa verliert im Stellvertreterkrieg, schrieben wir am 11. Mai 2022. An diesem Befund hat sich bis heute nichts geändert.

“Mit diesem Hilfspaket sendet Amerika der ganzen Welt ein Signal unserer unerschütterlichen Entschlossenheit, das mutige Volk der Ukraine bis zum Sieg über Moskau zu unterstützen”: Mit diesen Worten kündigte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Pelosi, das neue 40 Mrd.-Dollar-Hilfspaket für die Ukraine an.

Kurz danach wurde bekannt, dass die USA Kampfjets nach Kreta verlegen – offenbar sind sie zum Einsatz im Schwarzen Meer bestimmt. Diese und viele andere Meldungen machen klar, dass die USA nicht nur die Führung im Ukraine-Krieg übernehmen, sondern ihn sich zu eigen machen. Er wird zum Stellvertreter-Krieg gegen Russland.

Die EU gerät ins Hintertreffen – nicht nur militärisch. Auch beim Wirtschaftskrieg kommt sie nicht mehr mit. Dies zeigt das Hickhack um das 6. Sanktionspaket. Ungarn ist immer noch nicht bereit, ein Ölembargo mitzutragen, auch andere EU-Staaten stehen auf der Bremse. Der Streit lähmt Brüssel.

Derweil planen die USA schon die nächsten Strafmaßnahmen, die vor allem die europäische Wirtschaft treffen. Nach dem Öl soll das Gas an die Reihe kommen. Dies treibt den Preis für Energie in Europa in die Höhe – und das zu einer Zeit, da die Inflation eh schon außer Kontrolle ist und eine Rezession droht.

EUropa verliert in diesem Stellvertreter-Krieg, auch politisch. Denn es sind die USA, die die Ziele vorgeben, und die Europäer, die immer abhänger von Washington werden und in die Defensive geraten – siehe Deutschland. Nicht von ungefähr warnt Chinas Präsident Xi vor einem Verlust an Autonomie.

Jeder Tag des Krieges ist für Europa eine Niederlage – militärisch, wirtschaftlich und strategisch. Die logische Konsequenz wäre, mit Hochdruck auf einen Waffenstillstand hinzuarbeiten. Kanzler Scholz und Präsident Macron haben sich auch schon dahingehend geäußert. Doch sie finden auf EU-Ebene kaum Widerhall.

Kommissionschefin von der Leyen und Ratspräsident Michel geben sich siegesgewiß – sie setzen genau wie die USA auf eine Fortsetzung von Krieg und Sanktionen, zur Not monatelang. Ein Ausstiegs-Szenario sucht man in Brüssel vergebens, von Waffenstillstand wird nicht einmal geredet…

UPDATE: An diesem Befund hat sich bis heute nichts geändert. Allein der “Energiekrieg” hat die EU bereits eine Billion (!) Euro gekostet, der Wohlstandsverlust ist enorm. Doch die EU ist immer noch nicht bereit, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Sie spricht noch nicht einmal von einem Stellvertreterkrieg – dabei hat der Besuch von Präsident Selenskyj in Washington wohl auch dem Letzten klar gemacht, wo der Hammer hängt…

Mehr “Best of” hier. Siehe auch “Der Stellvertreterkrieg läuft aus dem Ruder

P.S. “Wir sind bereit, für die Sicherheit der Ukraine einen hohen wirtschaftlichen Preis zu zahlen”, sagte Außenministerin Baerbock Anfang Februar – vor Beginn des Krieges. Um die Sicherheit ist es zehn Monate später schlechter bestellt denn je, der Preis ist viel höher als erwartet.