Best of 2022: Die EU ändert ihr Narrativ – es wird ernst
Die EU ändert ihr Narrativ – es wird ernst: Das meldeten wir am 21. April. Im Rückblick hat sich das Blatt tatsächlich im April gewendet. Die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland wurden abgebrochen, die EU begann mit der Lieferung schwerer Waffen. Die Lage ist ernster denn je.
Die EU hat ihre Position schon mehrfach geändert. Zu Beginn des Krieges hat sie ein schnelles Ende der Kampfhandlungen gefordert und behauptet, die Sanktionen würden Kremlchef Putin an den Verhandlungstisch zwingen.
Als sich das Blatt wendete, hieß es plötzlich, der Krieg werde “auf dem Schlachtfeld” entschieden, von Verhandlungen war keine Rede mehr. Stattdessen begann die EU, die Ukraine aufzurüsten – womit sie als Vermittler ausschied.
Nun hat sich die Lage erneut geändert. Die Nato spricht von einem langen Krieg und schweren Waffen. Gleichzeitig werden die Sanktionen weiter verschärft. Mittlerweile plant Brüssel schon bis Ende 2022: Dann soll ein Ölembargo gegen Russland greifen.
Da muß man natürlich auch das Narrativ anpassen. Es muß aggressiver werden und sich auf die lange Frist ausrichten. Dies ist in den letzten Tagen geschehen. Der Ton ist rauer geworden, die EU identifiziert sich mit der Ukraine.
So preist EU-Ratspräsident Charles Michel neuerdings die ukranische Hauptstadt Kiew als “Herz eines freien und demokratischen Europa”. Der russische Krieg ziele nicht nur auf die Ukraine, sondern auf die EU und ihre Werte.
Michel sagte eine Verdoppelung der EU-Militärhilfe aus der sog. “Friedensfazilität” zu und erklärte, der Kampf der Ukraine werde “siegreich” enden. Damit wird die EU zumindest verbal zur Kriegspartei, die Ukraine zum Schauplatz eines Stellvertreter-Kriegs.
Ernst auch auch die Diskurs-Verschiebung bei den Sanktionen. Die Strafen werden nicht nur ausgeweitet und verlängert. Die EU hat auch eingesehen, dass sie nicht den gewünschten Effekt auf Putin erzielen, aber schwere Nebenwirkungen haben.
So dürften die Finanzsanktionen und Ausfuhrverbote die Preise für Getreide und Lebensmittel nicht nur in Europa, sondern auch im Nahen Osten und in den Schwellenländern in die Höhe treiben. Dies könnte zu Hungerkrisen führen, warnen Experten.
“Kampf der Narrative”
Schuld daran wäre aber nicht die EU oder die USA, sondern einzig und allein Putin, behauptet der EU-Außenbeauftragte Borrell. Man müsse sich auf einen “Kampf der Narrative” einstellen, erklärte er bei der letzten Sitzung der EU-Außenminister.
Finanzminister Lindner hat sich schon in die rhetorische Schlacht gestürzt. Der FDP-Mann rechnet mit einem völlig anderen Wirtschaftsumfeld und schweren Krisen. Schuld sei allein Russland, erklärte er beim G20-Treffen in Washington.
Hungeraufstände, Schuldenkrisen, Energiearmut – an all dem soll Putin schuld sein. Dabei hat nicht er den Gas- und Ölhahn zugedreht und den globalen Wirtschaftskrieg erklärt, sondern der Westen.
Und nicht er hat Sanktionen gegen die großen Kali-Hersteller in Belarus und Russland verhängt, die für Düngemittel wichtig sind, sondern die EU. Egal – Putin ist schuld, an allem, weltweit.
Wer anderes behauptet, folgt dem “russischen Narrativ” und verbreitet Fake News. Das ist jedenfalls die neue Ansage aus Brüssel…
UPDATE: Beim letzten EU-Gipfel des Jahres hat die EU kleinlaut eingeräumt, dass ihre Sanktionen tatsächlich auch Kali- und Dünger-Hersteller treffen und die Lebensmittelversorgung gefährden. Die Sanktionen wurden daher nachgebessert. Das Narrativ wurde aber nicht korrigiert – mehr denn je soll Putin an allem Unheil schuld sein, mehr denn je setzt die EU auf “Sieg”. Was das bedeuten soll, ist jedoch weiter offen – denn die EU-Staaten können sich weder auf ein Kriegsziel noch auf eine gemeinsame Strategie einigen…
Siehe auch “Der Krieg der Narrative kennt keine Grenzen mehr”
european
2. Januar 2023 @ 09:10
“Kiew als “Herz eines freien und demokratischen Europa”
Dazu sollte man sich dieses Interview auf ActivismTV ansehen, das die Geschichte der Ukraine und deren massive internen Konflikte wesentlich intensiver beleuchtet, als das bisher geschehen ist. Höchst interessant sind auch die Aspekte bezüglich der Gesetze, die inzwischen in der Ukraine verabschiedet wurden, die eine Art “mentaler Reinigung” der russisch-sprachigen Bevölkerung der Donbass-Gebiete vorsehen, wenn diese wieder in die Ukraine “eingegliedert” werden sollen. Das Interview ist deutsch synchronisiert und gut verständlich.
“Ukraine: Wie die Rechtsextremen mit Unterstützung der NATO den Frieden blockieren”
https://youtu.be/K8FNquG0-9o
Ebenfalls hörenswert ist dieser aktuelle Podcast von Chris Hedges, der die aktuelle Situation in den USA näher beleuchtet, insbesondere die gigantischen Militärausgaben. Das Transkript mit den Zahlen befindet sich unterhalb des Media-Links. Die EU sollte sich nicht allzu sicher sein, dass die amerikanische Bevölkerung das weiterhin mitträgt. Die Wahlen in 2024 stehen vor der Tür. Außerdem haben die USA/Nato nun neben Taiwan auch noch mal eben schnell mit Serbien ein weiteres Konfliktfass aufgemacht.
“The Democrats are Now the War Party”
https://chrishedges.substack.com/p/listen-to-this-article-the-democrats?utm_source=podcast-email%2Csubstack&publication_id=778851&post_id=94166754&utm_medium=email#details
Und – aller guten Dinge sind drei… 😉
Betrifft Regime-Change in Russland. Medvedev wird Chef des Militärs und damit Putin’s Vize. Diese Tatsache wird in einem aktuellen Podcast von The Duran näher beleuchtet, in dem Sinne, dass mit diesem Schachzug ein potenzieller Nachfolger von Putin herangezogen wird und was das für Folgen für Europa haben kann/wird. Wer glaubt, es wird angenehmer, der irrt sich.
“PR spin and peace proposals. Medvedev to oversee military industry”
https://youtu.be/3cdcdOHP6_o
Arthur Dent
1. Januar 2023 @ 17:40
Die EU kennt vermutlich nicht die ultimativen Kriegsziele der USA, deshalb kann sie sich selbst auf kein Kriegsziel einigen. Die EU ist der verlängerte, zivile Arm der NATO. Schließlich hat sie die Aufgabe ehemalige Warschauer-Pakt-Staaten aufzunehmen und auf die Nato-Mitgliedschaft vorzubereiten.