Die EU huldigt Merkel – doch die sorgt sich um die (verlorene) Union
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? – Der EU-Gipfel findet keine Lösung für die Streitthemen Rechtsstaat und Energiekrise. Einig sind sich die 27 Staats- und Regierungschefs nur in ihrer Huldigung an Kanzlerin Merkel. Doch die hinterlässt eine tief gespaltene Union.
Zum Abschied gab es Ovationen. Nach ihrem vermutlich letzten EU-Gipfel spendeten 26 europäische Staats- und Regierungschefs der scheidenden deutschen Kanzlerin Angela Merkel am Freitag in Brüssel stehend Beifall.
“Du bist ein Monument”, sagte Ratspräsident Charles Michel. Ein Gipfel ohne Merkel sei wie Rom ohne den Vatikan oder Paris ohne den Eiffelturm. Luxemburgs Premier Xavier Bettel würdigte die CDU-Politikerin als „Kompromissmaschine“. “Frau Merkel hat meistens doch etwas gefunden, das uns verbindet”, sagte Bettel.
Nach ihrem 107. Europäischen Rat – so die offizielle Bezeichnung für die EU-Gipfel – fällt die Bilanz der Kanzlerin allerdings mager aus.
Fast fünf Stunden haben die 27 EU-Granden über die Energiepolitik und den Gaspreisschock diskutiert, rund zwei Stunden über Polen und den Rechtsstaat.
Doch auf Maßnahmen konnten sie sich nicht einigen, alle Streitfragen wurden vertagt. Merkel stand bei ihrem Abschied nicht für Kompromisse, sondern für Abwiegeln und Aussitzen. Die „Ära Merkel“ endet mit einer tief gespaltenen und verunsicherten Union.
Die Kanzlerin räumte dies bei ihrer womöglich letzten Pressekonferenz in Brüssel sogar selbst ein. „Ich gehe in einer Situation, die mir durchaus Sorgen macht“, sagte Merkel. „Die Baustellen für meinen Nachfolger sind groß.“
Als Beispiele nannte sie neben dem Rechtsstaat die ungelöste Migrationsfrage. „Da sind wir verwundbar“, warnte die scheidende Kanzlerin mit Blick auf die Flüchtlinge, die aus Belarus nach Deutschland kommen. Immerhin fand der EU-Gipfel zu diesem Problem eine gemeinsame Linie.
Ganz zum Schluß ihrer Sitzung beschlossen die Staats- und Regierungschefs, die EU-Außengrenzen besser gegen „hybride Angriffe“ abzusichern. Wenn nötig, soll dazu sogar das EU-Recht geändert werden – mit Merkels Zustimmung.
Von der “Flüchtlingskanzlerin” ist auch nicht viel geblieben…
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