“Die europäische Armee ist die Nato”
Eine eigenständige europäische Armee wird es nicht geben, sagt der ehemalige Spindoktor der EU-Kommission, M. Selmayr. Europas Armee sei vielmehr die Nato. Really?
Selmayr war einst die rechte Hand des früheren EU-Kommissionschefs Juncker. Nun ist er EU-Botschafter in Österreich, zieht aber weiter fleissig Strippen. So auch beim europapolitischen Forum Alpbach.
In einem Interview mit dem “Standard” erklärte er dort das Projekt “europäische Armee” für tot. “Die Sicherheitsarchitektur Europas wird nicht durch eine nicht existierende europäische Armee gestützt werden. Die europäische Armee ist die Nato.”
Realpolitisch werde Europa nicht wegen der vier Staaten, die (noch?) nicht in der Nato sind, eine neue Militärstruktur schaffen. Auch die Pläne für eine “europäische Säule” seien von der Wirklichkeit überholt worden.
Really? In Wahrheit brauchen wir eine solche Säule dringender denn je. Denn die Nato ist eben keine europäische Armee. Sie wird von den USA gesteuert, der Nato-Oberbefehlshaber Europa (SACEUR) ist ein Amerikaner.
Zufällig ist es auch der SACEUR, General Cavoli, der der Ukraine sagt, wie sie ihre Gegenoffensive führen soll. Erst vor zwei Wochen gab er seine “Empfehlungen” an der polnisch-ukrainischen Grenze. Ein EU-Militär war, so weit bekannt, nicht dabei.
Wenn es eine “europäische Säule” in der Nato gäbe – ein eigenes Oberkommando, zumindest aber eine enge politische Koordinierung -, könnten die EUropäer selbst entscheiden, was an ihrer Ostflanke geschieht.
Gefährliche Aussagen
Weiß Selmayr das nicht? Oder versucht er nur, das österreichische Publikum zu beruhigen, das auch im Ukraine-Krieg auf militärischer Neutralität besteht?
Schwer zu sagen. Auf jeden Fall sind die Aussagen gefährlich. Denn sie erwecken den falschen Eindruck, die EUropäer bestimmten selbst über ihr militärisches Schicksal. Zudem baut er argumentativ eine wacklige Brücke in den Krieg.
Wenn die Nato wirklich eine europäische Armee wäre, dann könnten sich die US-Streitkräfte bald anderen Schauplätzen etwa in Taiwan zuwenden – und die EUropäer dürften den Schlamassel in der Ukraine allein ausbaden.
Ist vielleicht genau das geplant, etwa nach der US-Präsidentschaftswahl 2024? Die ersten Versuchsballons steigen schon, nicht nur in Alpbach…
Siehe auch “Sie fürchten Kriegsmüdigkeit – und Wahlen”
P.S. Selmayr hat Österreich beschuldigt, “Blut” an seine Händen zu haben, weil es weiter russisches Gas bezieht. Deshalb wurde der EU-Botschafter nun von Außenminister Schallenberg zusammen gestaucht…
KK
7. September 2023 @ 15:15
@ Monika:
„Es wäre sehr an der Zeit für Deutschland …aus dem militärischen Teil der NATO auszuscheren.“
Nette Vorstellung, aber wovon träumen Sie nachts? Bei dem derzeitigen politischen Personal bis mitten hinein in die von mir nur noch sogenannte „LINKE“ ist doch der Gedanke allein schon ein Zeichen von Realitätsverweigerung.
Monika
7. September 2023 @ 14:29
…Andere reinreiten, es sich dann anders überlegen, die anderen mit dem angerührten Mist sitzenlassen ist eine bewährte Strategie der US-Militärpolitik…
Aus amerikanischer Sicht: Mission vollkommen completet.
Da man mit Europa als Konkurrenten und “Partnern” nicht verfahren kann wie mit irgendeinem “Drittweltstaat”, (vgl. Südamerikan. Hinterhof, oder Iran, Irak, Afghanistan, Syrien – die ja nach ihrer völkerrechtswidrigen militärischen “Behandlung” im Anschluß bis heute die vorsätzliche völkerrechtswidrige Ausplünderung erleiden, mit Millionen von zivilen Opfern – ) musste man hier ein wenig “über Bande spielen”, den Vorgarten Europa zum Zweck der wirtschaftlichen und hegemonialen “Gesundung” der USA umzugraben. Spätestens seit der klaglos hingenommenen “Kriegserklärung” Nordstream-Sprengung ist klar, dass Europa dagegen nichts “einzuwenden” hat, als Vorgarten der USA zu funktionieren.
Es wäre sehr an der Zeit für Deutschland das zu tun, was General de Gaulle für Frankreich schon einmal getan hat: aus dem militärischen Teil der NATO auszuscheren. Begründung: die NATO ist von einer Verteidigungs- zu einer Interventionsarmee transformiert worden. Dieses aktuelle militärische Konstrukt unter US-Hoheit ist mit der besonderen Verpflichtung Deutschlands, sich uneingeschränkt für den Frieden und gegen Militarismus einzusetzen, die sich aus seiner historischen Verantwortung zweier Weltkriege ergibt, nicht mehr kompatibel. Aus diesem Grund muss Deutschland die forcierte Blockkonfrontation der USA ablehnen und sich militärisch “neutralisieren”. Demokratische Werte ja, aber bitte ohne die auf diese Werte aufgepfropften hegemonialen militärischen “Abenteuer” der USA mitzuspielen.
KK
7. September 2023 @ 11:23
@ Helmut Höft:
„Wie soll die deutsche Parlamentsarmee…“
Eine diesbezügliche Änderung des GG wäre in der gegenwärtigen bellizistischen Stimmungslage wohl das geringste Problem – aber sie wäre noch nicht einmal erforderlich, weil das mit der „Parlamentsarmee“ lediglich in einem Bundesgesetz, dem „Parlamentsbeteiligungsgesetz“, geregelt ist, lediglich Auslandseinsätze betrifft und somit keinen Verfassungsrang hat. Das kann jederzeit mit einfacher Mehrheit geändert oder wieder abgeschafft werden.
Helmut Höft
7. September 2023 @ 09:27
Den Wunsch nach einer europäischen Streitmacht vernimmt man seit Jahrzehnten; unabhängig wie man dazu steht: Wie soll die deutsche Parlamentsarmee in eine solche eingegliedert werden? Und überhaupt: Wer hätte das Sagen für einen Einsatz … und wer würde diesem – und mit welchen Folgen – widersprechen?
european
7. September 2023 @ 07:41
Europa wird niemals eigenständig oder souverän sein, solange es die NATO und damit den negativen Einfluss der US Administration gibt. Die aktuelle Krise zeigt das mehr als deutlich. Sämtliche Entscheidungen, die bisher getroffen wurden, waren zum Schaden Europas, weil niemand für europäische Interessen eingetreten ist. Im Gegenteil. Die aktuellen europäischen Spitzenpolitiker lassen immer mehr Spaltungen zu. Es gibt keine funktionstüchtige Führung, der Schwanz wedelt mit dem Hund, die US Administration gibt den Takt vor und stellt in der EU die Prioritäten auf den Kopf.
Katla
6. September 2023 @ 19:16
Ich halte es für denkbar, dass so etwas geplant sein könnte. Andere reinreiten, es sich dann anders überlegen, die anderen mit dem angerührten Mist sitzenlassen ist eine bewährte Strategie der US-Militärpolitik. In der Sache zwar nicht vergleichbar, aber die Bilder von den hastig startenden US-Flugzeugen in Kabul, an denen Menschentrauben hängen, sind ein aussagekräftiges Sinnbild dafür. Europa als Putzfrau oder Tatortreiniger der USA – wenn europäische Politiker so eine Konstellation befürworten, haben sie – im günstigsten Fall – ihre Aufgabe nicht verstanden.
Bogie
6. September 2023 @ 21:10
„Europa als Putzfrau oder Tatortreiniger der USA – wenn europäische Politiker so eine Konstellation befürworten, haben sie – im günstigsten Fall – ihre Aufgabe nicht verstanden.“
Da muss ich energisch widersprechen. Sie betrachten es ganz offensichtlich als ihre Aufgabe US-Interessen zu vertreten, Das allerdings haben etliche Wähler nicht verstanden.
KK
6. September 2023 @ 17:51
Wer oder was legitimiert Selmayr überhaupt, solche Aussagen öffentlich zu tätigen?
Oder machte er das gar im ausdrücklichen Auftrag der EUCO-Präsidentin, die ja quasi als Anschlussverwendung auf den Posten der NAhTOd-Generalsekretärin scharf sein soll?