Powerplay der Länderfürsten, Brüssel schont Twitter – und Kiews letztes Aufgebot?



Die Watchlist EUropa vom 07. September 2023 –

In Berlin dringen sie nicht durch. Nun versuchen es die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer in Brüssel: In einer “Brüsseler Erklärung“ fordern sie grünes Licht für einen niedrigen Industriestrompreis. Die gestiegenen Energiekosten seien ein “akutes Hemmnis für die Erholung der Konjunktur”, heißt es in einem Entwurf, über den die Länderchefs mit EU-Präsidentin von der Leyen und mehreren Kommissaren beraten wollen.

Ihr Vorgehen ist ein Affront gegen Kanzler Scholz, der den Industriestrompreis bisher ablehnt. Indem die Länderchefs nun über die Brüsseler Bande spielen, lassen sie sich auf ein Powerplay ein, das innenpolitische deutsche Probleme nach EUropa trägt.

Auch das Timing ist unglücklich. In der EU-Kommission findet gerade ein großes Stühlerücken statt. Nach Klimakommissar Timmermans wurde auch Wettbewerbskommissarin Vestager von ihrer Arbeit freigestellt – sie will sich um die Führung der Europäischen Investitionsbank bewerben.

Bisher war Vestager für staatliche Beihilfen zuständig, zu denen nach Brüsseler Lesart auch subventionierte Strompreise zählen. Erst am Dienstag hat Behördenchefin von der Leyen ihren Nachfolger ernannt – den belgischen EU-Kommissar Reynders. Ob Reynders nun für das Anliegen der Länderchefs zuständig ist, ist unklar.

Die Ministerpräsidenten hoffen, dass die Kommission ein Auge zudrückt und die Strom-Rabatte genehmigt. Den EU-Staaten müsse es “für einen Übergangszeitraum möglich sein, einen wettbewerbsfähigen Brückenstrompreis vor allem für energieintensive … Unternehmen zu etablieren“, heißt es.

Mit verbindlichen Zusagen wird in Brüssel jedoch nicht gerechnet. Die Ministerpräsidentenkonferenz mag eine deutsche Institution sein – in der EU spielt sie keine Rolle. Für die Kommission zählt einzig und allein, was die Bundesregierung macht.

Erst wenn Bundeswirtschaftsminister Habeck aktiv wird, kann in Brüssel die Prüfung beginnen.

Weiterlesen unten (nur für STEADY-Förderer). Siehe auch Industriestrompreis: Habecks Offenbarungseid. Mehr zur Energiekrise hier

News & Updates

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  • Deutschland importiert mehr Strom – auch aus Frankreich. Jetzt ist es amtlich: Seit der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke importiert Deutschland deutlich mehr Strom aus dem Ausland. Gleichzeitig bekämpft Berlin die französischen Lieferanten. – Mehr hier
  • Neues EU-Gesetz verschont Twitter. Die EU nimmt Apple, Amazon und die Facebook-Mutter Meta ins Visier. Sie stehen auf einer Liste von sechs Internetkonzernen, für die ab Frühjahr 2024 schärfere Regeln gelten. Dazu gehören auch Microsoft, die Google-Mutter Alphabet und der chinesische Bytedance-Konzern, der Tiktok betreibt. Twitter wird dagegen verschont – es ist aus EU-Sicht zu klein…
  • Rumänien meldet nun doch den Absturz einer Drohne. “Sollte bestätigt werden, dass diese Teile von einer russischen Drohne stammen, wäre dies eine völlig inakzeptable Situation und eine schlimme Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Rumäniens, eines Nato-Staats”, sagte Präsident Iohannis. Die Nato will die Lage genau beobachten… Mehr hier

Das Letzte

Ist es das letzte Aufgebot? Die Ukraine hat den Kreis mobilisierungspflichtiger Personen ausgeweitet. Dazu gehört auch eine aktualisierte Liste von Erkrankungen sogenannter „eingeschränkt wehrfähiger Männer“, wie die “taz” meldet. Dem Dokument zufolge können nun auch Personen mit Diagnosen wie geheilter Tuberkulose, Virushepatitis oder Erkrankungen des endokrinen Systems mit geringfügigen Funk­tions­störungen einberufen werden. Zudem könnten bald bald Auslieferungsanträge an Bulgarien gestellt werden. Polen soll angeblich bereits drohen, wehrfähige Männer abzuschieben…

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Powerplay der Ministerpräsidenten (Fortsetzung)

Bisher deutet nichts darauf hin, dass die EU-Kommission am Ende grünes Licht geben könnte. Deutschland kann sich zwar auf den „befristeten Krisenrahmen“ berufen, den die Brüsseler Behörde im März erlassen hatte.

Er sieht Ausnahmen vom Beihilferecht zugunsten von Hilfen für die Wirtschaft vor, wenn sie dem Klimaschutz dienen. Dieser Rahmen gilt aber nur bis Ende 2025.

Erschwerend kommt hinzu, dass die EU alle Mitgliedsländer aufgefordert hat, die in der Energiekrise eingeführten Sonderprogramme wieder einzustellen. Auch der „Green Deal“ spricht gegen Stromrabatte für die Industrie.

Er ist ja gerade dazu gedacht, Ausnahmen für die Schwerindustrie abzuschaffen und Emissionen zu verteuern. Ein Strompreis von fünf Cent wäre damit kaum zu vereinbaren – schon gar nicht als Extrawurst nur für Deutschland…