Nord Stream: Was sagt eigentlich der Kanzler?
Die Bundesregierung hat erstaunlich kleinlaut auf die Zerstörung von Nord Stream reagiert. Was sagt eigentlich Kanzler Scholz?
Ich habe eine Agentur-Recherche gemacht und nichts gefunden. Die Stichworte „Scholz“ und „Nord Stream“ liefern nur Verweise auf die Drohung von US-Präsident Biden vom Februar.
Sollte Russland in der Ukraine einmarschieren, „dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben“. Das „verspreche“ er, betonte der Präsident in der Pressekonferenz mit Scholz.
Darauf bezieht sich nun auch Russland. „Der US-Präsident muss auf die Frage antworten, ob die USA ihre Drohung umgesetzt haben“, schrieb Außenamts-Sprecherin Maria Sacharowa im Onlinedienst Telegram. „Europa muss die Wahrheit kennen.“
Vor allem muß aber Deutschland die Wahrheit kennen. Schließlich waren Nord Stream 1 und 2 die wichtigsten deutsch-russischen Infrastruktur-Projekte der letzten Jahre.
Wer sie mutwillig zerstört, greift damit auch Deutschland an. Man kann das als Kriegserklärung, Terrorakt oder Umweltverbrechen werten. Deshalb ist hier ein Machtwort des Kanzlers gefragt.
Doch Scholz schweigt. Warum eigentlich?
Und warum fragt ihn keiner? Das ist DIE Wirtschaftsgeschichte des Jahres, drei Kanzler (Schröder, Merkel, Scholz) sind für Nord Stream eingetreten, auch gegen heftigen Gegenwind aus den USA.
Und jetzt plötzlich – nichts?
Siehe auch „Die Zerstörung von Nord Stream“
Stef
30. September 2022 @ 05:22
Die USA und unser östlicher Nachbar haben starke Motive, insbesondere die Ersteren sind dazu auch fähig, haben solche Aktionen schon gemacht und ihr Präsident hat es vor kurzem sogar öffentlich angekündigt.
Als Deutscher Staatsbürger ist für mich aber etwas anderes noch wichtiger und vollkommen inakzeptabel. Unsere Regierung anerkennt nicht einmal die politische Tragweite. Unser Kanzler taucht komplett unter dem Thema weg, als sei es von geringer Relevanz. Das schockiert mich zutiefst und wirft die Frage auf, ob diese Regierung überhaupt noch willens ist, den deutschen Interessen Vorrang zu geben vor denjenigen der USA. Bis vor dem Anschlag habe ich das zumindest Scholz noch zugerechnet. Inzwischen gehe ich nicht mehr davon aus.
Dabei gäbe es eine ganze Reihe von Möglichkeiten den eigenen politischen Spielraum zu erweitern. Angefangen mit der Einforderung einer neutralen Untersuchung unter Beteiligung Deutschlands und Russlands. Über eine Klarstellung, dass man Russlands Täterschaft für unplausibel halte. Bis hin zu diplomatischen Aktionen zur Einbestellung möglicher Täterstaaten, auf dass sie sich erklären mögen.
Stattdessen kommt der Doppel-Wumms, der nicht einmal den Anspruch hat, irgendeines der politischen Probleme, die zu dieser Katastrophe geführt haben, zu lösen.
Die Deutsche Bundesregierung beschränkt sich inzwischen darauf, die Auswirkungen der zunehmenden strategischen Angriffe auf Deutschland mit Schulden abzufedern. Das rangiert irgendwo zwischen Selbsthass und Verrat.
KK
29. September 2022 @ 22:31
@ ebo:
Der nämliche östliche Nachbar würde das wohl kaum ohne Rücksprache und Freigabe durch die USA tun – ich denke aber, dass eher die USA die Fähigkeiten und Möglichkeiten hätten, zumal ja wohl ein US-Flottenverband beim NATO-Manöver unlängst mehrfach an genau der Stelle operiert hatte.
Fazit der Woche: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr!
KK
29. September 2022 @ 21:57
@ Stef (sorry, von meinem älteren Rechner aus funktioniert die Antwort-Funktion nicht):
Da niemand bezweifelt, dass es ein staatlicher Akteur gewesen sein muss, fände ich Terrorakt unpassend – Kriegserklärung wäre der richtige Terminus! Und es deutet alles darauf hin, dass der Nutzniesser jenseits des Atlantik im warmen, bereiteten Nest für unsere Industrie sitzt und sich die Hände reibt.
ebo
29. September 2022 @ 22:07
Hmmm. Ich würde eher nach Osten blicken. Da gibt es ein EU-Land, das Deutschland anfeindet und an die Ostsee angrenzt. Es hat alle Fähigkeiten und auch ein Motiv. Ist aber reine Spekulation – wie alles, was wir derzeit lesen. Siehe auch „Verbalattacken und Militäraktionen: So will Polen die EU in den Krieg ziehen“
KK
29. September 2022 @ 13:31
@ Stef:
Da bin ich mir nicht sicher, dass „Sabotage“ ausschliesslich als Begrifflichkeit von Anschlägen gegen eigene Anlagen zutrifft, im Gegenteil. Eigene Anlagen sabottiert man eher nicht.
Der DUDEN hierzu:
Sabotage: „absichtliche [planmäßige] Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit politischer, militärischer oder wirtschaftlicher Einrichtungen durch [passiven] Widerstand, Störung des Arbeitsablaufs oder Beschädigung und Zerstörung von Anlagen, Maschinen o. Ä.“
Terrorismus: „Einstellung und Verhaltensweise, die darauf abzielt, [politische] Ziele durch Terror (1) durchzusetzen“
Ich persönlich würde den „Sabotage“-Begriff auch eher auf reine Sachschäden begrenzen wollen, wohingegen Terrorismus ja ganz direkt mit der Angst spielt, gerade auch mittels Personenschäden.
Nichtsdestotrotz ist es offenbar für die westlichen Akteure in Politik und Medien ausgeschlossen, dass ausgerechnet der, der solche Massnahmen bereits Anfang Februar 2022 durch die Blume angekündigt hatte, hinter den Anschlägen (halte ich als Begriff derzeit für angemessen) stecken könnte: US-Präsident Biden nämlich!
Stef
29. September 2022 @ 18:46
Ok, stimmt, war auch so nicht gemeint. Sabotage erfolgt ebensogut an fremden Sachen.
Nur wird man die Zerstörung einer eigenen Pipeline kaum als terroristischen Akt bezeichnen wollen. Erstens weil man als Eigentümer eben die Verfügungsgewalt hat. Und zweitens weil Terrorismus eine andere politische Kategorie an Antwort einfordert. Die Einschränkung der für Deutschland wichtigen Funktion, nämlich das Potenzial für Lieferungen großer Energiemengen, scheint damit eher eine unangenehme Konsequenz, der aber eher technisches alls politisches Gewicht beigemessen wird.
Beim terroristischen Akt steht mehr der strategische politische Effekt im Vordergrund. Diese Lesart setzt voraus, dass man NS1 und NS2 als strategische energiewirtschaftliche Assets Deutschlands definiert. Das sind sie zwar m. E. zweifellos, es passt aber nicht in die aktuelle politische Linie. Weil man dauernd herauskehrt, dass man ohnehin mittelfristig auf das Gas verzichten will. Weil man die strategische Partnerschaft mit Russland ohnehin für beendet erklärt. Und weil die Qualifikation als Terrorismus ein maximales Problem wäre, würde sich ein Verbündeter als Täter herausstellen.
Dabei erfüllen diese Anschläge die Definitionen von Terrorismus mustergültig. Es geht nicht nur um die technische Funktionsbeeinträchtigung und den Engpass, sondern um die strategische Hoheit über das Denken mittels Angst. Mit NS1 und NS2 haben zunehmend viele Menschen die Hoffnung verbunden, dass die Energiekrise vielleicht doch noch glimpflich abgewendet werden kann. Wir haben m. a. W. unsere Verwundbarkeit brutal vor Augen geführt bekommen.
Von daher bleibt Terrorakt für mich der passendere, aber politisch nicht gewollte Begriff. Durch seine systematische Vermeidung erfolgt ein Framing auf fundamentaler Ebene: Lasst alle Hoffnung auf Verständigung mit Russland fahren.
In Russland scheint man dies womöglich verstanden zu haben, eine Instandsetzung noch im Oktober sei vom Betreiber angekündigt.
Stef
29. September 2022 @ 12:19
Interessant ist das gewählte wording „Sabotage“, auf dass sich augenscheinlich die großen Medien festgelegt haben. Das Wort passt alleine dann, wenn Russland seine eigene Pipeline sprengt. Jede Sprengung von Dritter Seite wäre als terroristischer Akt gegen kritische Infrastruktur von nationalem Interesse zu bezeichnen. Dass aber genau diese Bezeichnung umschifft wird, werte ich als Hinweis, dass Russland als vermeintlicher Täter bereits gesetzt ist.
So gesehen hält sich Scholz zurecht noch zurück. Das Russland-Täter-Narrativ ist so absurd, dass er sich lächerlich machen würde, wenn er es einfach so herausposaunt. Ebenso würde er sich lächerlich machen, wenn er zu früh auf das verniedlichende Wort Sabotage einsteigt. Weil solange nicht mehrheitlich etabliert ist, dass es Russland selbst war, ist eben Terror die angebrachte Vokabel.
Er muss also warten, bis der Boden für das einzige für ihn aussprechbare Narrativ vorbereitet ist: Die Sabotage der russischen Pipelines durch Russland.
ebo
29. September 2022 @ 12:26
Danke für diese gute semantische Analyse!
KK
29. September 2022 @ 12:14
Heute in den Radionachrichten: Immer mehr deutsche Politiker machen Rusland für die Sabotageakte gegen NS verantwortlich.
Und dann das:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=88618
Warum erinnert mich das alles nur so dermassen an : „Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!“?
KK
28. September 2022 @ 21:23
@ Walter B.
Dann korrigiere ich mich:
Der Kanzler niesst und schweigt.
Holly01
28. September 2022 @ 19:23
In der Ostsee kreuzen diverse NATO Schiffe und die Amis haben in dem betreffenden Gebiet gerade eine „Übung“ abgehalten.
Da fährt nicht einmal ein Tretboot ohne bemerkt zu werden.
Also nehme ich an, das Putin von Moskau aus zur Ostsee hoch gelaufen ist.
Dann ist der bei Petersburg untergetaucht und an der Pipeline entlang geschwommen, hat unterwegs Sylvester Stallone und Tom Cruise verhauen und dann die Pipeline hoch gejagt.
Der kann sich auch gerade nicht vor der Presse äußern, der hat noch Wasser im Ohr.
Ja das Schweigen ist schon ziemlich laut.
Vielleicht möchte keiner den Idealisten geben, während sich die Geldsäcke schon längst geeinigt haben:
“ https://www.youtube.com/watch?v=QojajMsd2nE “
Ja. Ist dann wohl so. Aber dann kommt auch nicht an wir sollen für nix Krieg spielen, als Eure Belustigung, da müssen Euch die Ukrainer als Unterhaltungsprogramm reichen.
Die Frage nach den Freunden Deutschland wurde jedenfalls robust beantwortet: keine weit und breit zu sehen.
Jetzt bin ich auf die Währungen und die Börsen gespannt, ob da noch etwas kommt.
Walter B.
28. September 2022 @ 18:46
Scholz hat doch „leichte Symptome“ und liegt daher verschnupft im Bett. Da kann man keine geopolitischen Statements abgeben.
KK
28. September 2022 @ 18:18
Der Kanzler geniesst und schweigt.
willi de ville
28. September 2022 @ 17:52
Höre gerade ÖR Nachrichten, kein Wörtchen zur Pipeline und dabei ist das bei Lichte betrachtet ein schwerwiegender Terroranschlag. Wenn der von RU ausgeführt worden wäre (was man bei der Örtlichkeit sofort herausgefunden hätte) wären wir jetzt vermutlich im Nato Verteidigungsfall.
Konrad
3. Oktober 2022 @ 23:54
Nein, kein Terrorakt, sondern eine Wirtschaftkriegserklärung der Polen und USA gegen Deutschland, und anstatt zurückzuschlagen erniedrigt sich die Hampel Regierung, allen voran der immerzu widerlich grinsende feige Scholz, den frechen Polen und Amis noch eifriger einen zu blasen! und der mit US und NATO Propaganda hirnamputierte deutsche brave Bürger tut gar nichts, wenn er doch jetzt oder nie zu hundert Tausenden auf den Straßen sein und diese Verräter am eigenen Volk fünfte Kolonne der Amis aus dem Amt fegen sollte. Erbärmlicher geht nicht!