EU verurteilt russische “Referenden” – doch was folgt daraus?
Noch vor der Veröffentlichung offizieller Resultate hat die EU die “Referenden” in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine verurteilt und mit Sanktionen gedroht. Allerdings ist unklar, wie sie künftig mit diesen Regionen umgehen will.
“Die EU verurteilt die Abhaltung illegaler “Referenden” und deren gefälschte Ergebnisse”, schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf Twitter. “Das ist eine weitere Verletzung der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine, die mit systematischen Menschenrechtsverletzungen einhergeht.”
Auch EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilte die russischen Volksbefragungen und deren Ausgang. “Gefälschte Referenden. Gefälschte Ergebnisse. Wir erkennen weder das eine noch das andere an”, schrieb er auf Twitter.
Am Dienstag hatten die von Moskau eingesetzten Besatzungsverwaltungen in den Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson von großer Zustimmung für einen Beitritt zu Russland gesprochen.
Die russischen Befragungen werden weltweit nicht anerkannt, weil sie unter Verletzung ukrainischer und internationaler Gesetze sowie ohne demokratische Mindeststandards abgehalten wurden. Die EU droht nun mit neuen Sanktionen.
Unklar ist, wie man mit den betroffenen Regionen umgehen will, die aller Voraussicht nach zu russischem Staatsgebiet erklärt werden. Nach EU-Auffassung gehören sie weiter zur Ukraine. Doch können sie auch zurückerobert werden?
Damit würden die Ukraine und ihre europäischen und amerikanischen Partner eine direkte militärische Konfrontation mit Russland riskieren. Nach der bisher gültigen Doktrin wollen die EU und die Nato genau dies vermeiden.
Und nun? Wirft man die Doktrin über den Haufen, riskiert man eine Eskalation. Hält man hingegen daran fest, so erkennt man indirekt doch den russischen Anspruch an…
Mehr zum Ukraine-Krieg hier
KK
30. September 2022 @ 15:09
@ Kleopatra:
Daran brauchen Sie mich nicht zu erinnern; ich wollte nur Sie daran erinnern, dass es eben nicht so ist wie von Ihnen behauptet, dass “Seriöse Referenden” keinesfalls immer voraussetzt, dass “die Gebiete von internationalen Armeen besetzt würden”, die Besatzungsarmee sich also zurückziehen müsste.
Und was wäre denn passiert, hätte Adenauer der Volksabstimmung nicht zugestimmt? Es wäre damit zu rechnen gewesen, dass sich Frankreich das Saarland (wegen der Industrie ein interessanter Happen) einverleibt hätte… da war eine Volksabstimmung wohl eine Chance, es zu behalten.
Im übrigen konnten sich die Befragten, überwiegend russischstämmigen Bürger in der Ostukraine seit 2014 ein Bild davon machen, wie die Westukraine mit ihnen umgeht: weitgehendes Verbot der russischen Sprache in der Ukraine und andere Repressalien gegenüber russischer Kultur und Identität sowie der andauernde und zletzt in 2021 zunehmende Beschuss der Seperatistengebiete.
Ich denke, “Werbung” für die jeweiligen Seiten wurde inzwischen reichlich gemacht. Und wenn unabhängige Beobachter durch Repressalien gegen ihre Person dann zuhause geächtet werden, darf man sich auch nicht beschweren, wenn es keine solchen gibt.
Kleopatra
1. Oktober 2022 @ 12:12
Die “Referenden” wurden keineswegs nur in den seit 2014 von durch Putin gesponserten Räuberbanden “regierten” “Volksrepubliken”, sondern auch in erst seit de Februar 2022 besetzten Gebieten (Mariupol’, Cherson etc.) durchgeführt. Um wieder das Saarland zu Vergleich heranzuziehen: das wäre, wie wenn die französische Besatzungsarmee im August 1945 ein “Referendum” über den Anschluss an Frankreich angesetzt hätte.
Eines der überzeugendsten “Argumente” für ein “Ja” bei der “Abstimmung” war anscheinend oft ein Gewehrlauf. Aus denen kommt ja laut Mao alle Macht 😉
Zustimmen kann ich allenfalls, dass die Abstimmung im Saarland ein Beispiel für eine legitime Abstimmung ohne Aufsicht durch internationale Armeen ist. Allerdings war hier, und in allen als legitim anzusehenden Abstimmungen, ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den interessierten Staaten sowie eine ausreichende Periode zur Werbung vor der Abstimmung die Grundlage.
Gegenstand der Volksabstimmung im Saarland war ein zwischen Deutschland und Frankreich ausgehandeltes Statut zur Internationalisierung des Saarlandes. Dieses wurde abgelehnt. Die Alternative zur Volksabstimmung wäre also die Fortführung des internationalen Status des Saarlandes ad infinitum gewesen.
european
29. September 2022 @ 14:42
Bezueglich der Referenden moechte ich auf zwei Artikel hinweisen, die auf Telepolis und Hintergrund.de den gleichen Sachverhalt schildern.
https://www.hintergrund.de/kurzmeldung/weitreichende-konsequenzen-fuer-deutsche-beobachter-in-ostukraine/
“Für mindestens zwei Deutsche in der Ostukraine hat ihr Einsatz vor Ort Folgen. Der Journalist und Hochschuldozent Patrik Baab, der nach eigenen Angaben privat vor Ort ist und für ein Buch recherchiert, darf künftig nicht mehr an der Berliner Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) lehren.”
https://www.heise.de/tp/features/Deutsche-Teilnehmer-Kuendigungen-nach-russisch-organisierter-Beobachtung-in-der-Ost-Ukraine-7279106.html?seite=all
“Der Journalist und Hochschuldozent Patrik Baab darf künftig nicht mehr an der Berliner Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) lehren. Der Geschäftsführer des nordhessischen Versorgers Energie Waldeck-Frankenberg (EWF), Stefan Schaller, ist nach seinem Einsatz als Wahlbeobachter durch den Aufsichtsrat seines Unternehmens freigestellt worden.”
Ich finde, dass sich Deutschland mit solchen Aktionen, die m.E. in die gleiche Kategorie gehoeren wie die Gewissenspruefungen von russischen Kuenstlern uvm, in gefaehrliche alte Gewaesser begibt. Wir hatten sowas schon in Ost und West. Die Folge war, dass man nirgendwo mehr sicher war, weil man ueberall mit Ueberwachung rechnen musste.
Was mir hier auch fehlt, ist ein medialer Aufschrei, weil damit saemtliche erkaempfte Rechte wie Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, auch freie Berufswahl (z.B. das angestrebte Verbot fuer EU Buerger, jobs in Russland anzunehmen) nur der Anfang sind. Aber die Medien in Deutschland sind Teil des Systems geworden, das durch und durch antidemokratische Strukturen durchsetzen will und wird.
KK
28. September 2022 @ 21:28
@ Kleopatra:
Wie war das noch gleich anno 1955 im Saarland? Internationale Armee war da nicht, da waren die Franzosen – und sonst niemand!
Kleopatra
30. September 2022 @ 13:33
Darf ich daran erinnern, wie die Situation in Europa nach dem 2. WK überhaupt zustande kam? Und im Saarland lag der Abstimmung ein Vertrag zwischen den beiden angrenzenden und potenziell interessierten Staaten (F und DE) zugrunde; während der Zeit vor der Abstimmung war die Agitation gegen die von der Besatzungsmacht gewünschte Lösung frei. Letztlich hätte m.W. Adenauer gegen eine Zugehörigkeit des Saarlandes zu Frankreich nichts einzuwenden gehabt.
Die Voraussetzung für jede seriöse Volksabstimmung (nicht nur über eine territoriale Zugehörigkeit) ist die Möglichkeit, während eines genügend langen Zeitraums vor der Abstimmung für jede Möglichkeit zu werben. Diese bestand offensichtlich nicht: weder gab es Freiheit der Werbung, und die Frist zur Vorbereitung war gleich null.
Holly01
1. Oktober 2022 @ 09:27
Also gerade die Zeit nach dem DoppelWK ist ein ganz schlechtes Beispiel.
Die völkerrechtswidrigen Besatzungen der deutschen Gebiete (das haben alle Staaten VOR dem Doppelweltkrieg auch verhandelt und ratifiziert) ist ein ganz und gar eigenes Thema.
Da hilft es auch nicht die Augen zu schließen und den „geschichtlichen Konsens“ der zu Lasten Deutschlands erzwungen wurde nachzubeten.
Es gibt genug Bilder wo die „handverlesenen, deutschen“ Politiker durch die Reihen von bewaffneten alliierten Verbänden gehen mussten, um die vorgefertigten Texte anzunehmen.
Kann man alles begründen und rechtfertigen, Deutschland hat verloren und war selbst als Sieger alles andere als rücksichtsvoll.
Aber.
Man kann auch das nicht schön reden, sollte man auch nicht.
Denn wenn nur die Menschen „ausbrechen“ weil die Blockparteien nicht einmal die Grundversorgung mit Wärme und Essen hinbekommen, dann wird es genug Stimmen geben, die behaupten, das es seit dem DoppelWK, so etwas wie einen deutschen Staat nie gab.
DAS ist dann richtig übel.
Diese Verleugnung ist da nur Wasser auf den nationalistischen Mühlen.
Warum das UK in seinem Besatzungsgebiet NRW schaffen musste und nach dem ersten WK die zweite umfassende Gebietsreform durchgezogen hat (ja um Preußen auszutilgen) und was das für den „rechtlichen Fortbestand“ Deutschlands bedeutet lasse ich mal so im Raum stehen.
Genau wie die Aktion „Türknauf“ also die Einführung und Etablierung der Deutschen Mark und der Deutschen Bundesbank.
Eine Währung eingeführt zu bekommen ist auch kein Zeichen für Souveränität.
Also gewöhnen Sie sich schon an diese Argumente.
In den wilden Zeiten die uns bevorstehen, werden diese und viele (leider sehr viel) davon zu hören und zu lesen sein.
Warum Deutschland auf Wikipedia als Völkerrechtssubjekt erst 1871 auftaucht ist auch so ein Rätsel.
1815 hat der Wiener Kongress eine Resolution verabschiedet, in der alle Nachbarn Deutschland als Staat und die Deutschen als Volk anerkannt haben.
Also das das Heilige römische Reich deutscher Nation kein Bund loser Staaten war, sondern ein Zusammenschluss der für sich selbst Volk und Staatsgebiet definiert hat. Ist ja auseinander gefallen, nachdem die Rheinprovinzen an Napoleon abgegangen sind. Der Verlust für die Kapitalinhaber bestand dann in dem „Verkauf“ der Kirchengüter an den Staat, diese Verträgen bescheren uns bis heute die Kirchensteuer (Nachfolgeregelung: Reichskonkordat).
Wenn Sie diskutieren möchten: immer kommen lassen.
Aber bitte nicht wieder dieses „Nazi“ Geflenne, das ist entwürdigend und das sollten Sie nicht benötigen.
Kleopatra
28. September 2022 @ 19:53
Auch bisher wurden russische Staatsbürger mit Wohnsitz auf der Krim für deutsche Visa an die Botschaft in Kyiv verwiesen (da die Krim zum Konsularbezirk Kyiv gehört). Das würde sicher ähnlich weiter praktiziert. Gegen die Angriffe auf militärische Einrichtungen auf der Krim hat sich die EU nicht gewandt. Nach unserer Auffassung ist die Krim ja Teil der Ukraine.
Selbstverständlich muss die Ukraine anstreben, diese Gebiete wieder zu erobern. Schon deshalb, weil sie ansonsten vom Schwarzen Meer weitgehend abgeschnitten wäre. Ähnliche Gründe gelten für die Industrie der gegenwärtig besetzten Gebiete, das AKW Zaporižžja usw. Und Europa sollte sie hierbei massiv unterstützen.
Die Ergebnisse der „Referenden“ sind irrelevant. Seriöse Referenden müssten ähnlich ablaufen wie nach dem Ersten Weltkrieg (was unter andere bedeuten würde, dass die Gebiete von internationalen Armeen besetzt würden, die russische Armee sich also zurückziehen müsste). Hierzu ist Russland nicht bereit, sondern die überstürzte Durchführung der Pseudoreferenden zeigt, dass sie vor allem Angst hatten, aus diesen Gebieten verdrängt zu werden. Praktisch wird Russland sich nun allerdings das Recht zubilligen, die Bevölkerung der besetzten Gebiete zum Dienst in der russischen Armee zu zwingen (ein schwerer Verstoß gegen die Landkriegsordnung, die dies ausdrücklich verbietet); vielleicht war auch das ein Motiv, was dann ebenfalls zeigen würde, dass die russische Armee aus de letzten Loch pfeift.
european
28. September 2022 @ 13:21
Ich bin einfach nur auf die Ergebnisse der Referenden gespannt, denn ich glaube sehr wohl, dass sehr viele russischsprachige Ukrainer nach den dauerhaften Buergerkriegserfahrungen mit tausenden Toten lieber zu Russland gehoeren moechten. Ich werde das auf Nikita Gerrassimov’s Telegram Kanal verfolgen.
Propaganda koennen sie alle. West und Ost. Zwecklos, das zu verfolgen. Auch die Wahrheit liebt keiner so wirklich. Die USA hat bisher noch jeden in den Krieg gelogen. Interessiert uns auch nicht. Wenn Freunde luegen, ist das offensichtlich etwas anderes als wenn “Feinde” luegen. 😉
KK
28. September 2022 @ 16:52
Es gibt natürlich auch solche, die wollen von ihren “Freunden” angelogen werden. Denn sonst könnten sie keine “Freunde” mehr bleiben, sondern müssten längst Feinde sein…
Burkhart Braunbehrens
29. September 2022 @ 15:28
I am not convinced
european`
29. September 2022 @ 16:44
Exactly!