Kein Happy End in Pfizer-Affäre, Streit um Sanktionen – und deutsche Rezession
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? – Die Pfizer-Affäre findet einen überraschenden – und verdammt teuren – Abschluß. Es gibt wieder Streit über EU-Sanktionen. Und Deutschland rutscht in die Rezession.
Es ist eine der größten – und teuersten – Pleiten der EU-Geschichte. Verantwortlich ist – folgt man der “New York Times” – niemand anderes als Kommissionschefin von der Leyen höchstpersönlich.
Doch wer auf der Website der EU-Kommission nach Informationen sucht, wird nichts finden. Das schmähliche Ende der Pfizer-Affäre wird mit keinem Wort erwähnt.
Bereits am Dienstagabend, so berichtet es die “Süddeutsche”, habe die Kommission in einen Deal mit dem US-Pharmakonzern Pfizer und der deutschen BionTech eingewilligt.
Demnach müssen alle EU-Staaten, die über die Kommission und ihre Chefin von der Leyen 2021 den Corona-Impfstoff von BionTech bestellt haben, eine “Stornogebühr” zahlen.
Dies sickerte in Berlin durch, nicht in Brüssel. Gesundheitsminister Lauterbach wird demnach zwar weniger Impfdosen abnehmen – dafür aber mehrere hunderte Millionen Euro nachzahlen!
Hochgerechnet auf alle 27 EU-Staaten, dürften Pfizer und BionTech einige Milliarden kassieren – für Impfstoff, der nicht mehr gebraucht wird und zum Großteil verrotten dürfte.
Es kommt also ziemlich genau so, wie es der Europaabgeordnete Sonneborn prophezeit hat. Die EU hat sich auf ein “Hütchenspiel” eingelassen – Pfizer hat alle über den Tisch gezogen!
Ein Happy End ist das nicht, im Gegenteil. Bleibt die Frage, ob die Geschichte ein parlamentarisches Nachspiel haben wird. Ich hoffe es, wäre mir aber nicht sicher…
Mehr zur Pfizer-Affäre hier, hier und hier (dreiteilige Serie).
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Was war noch? Das groß angekündigte 11. Sanktionspaket gegen Russland lässt weiter auf sich warten. Schuld ist eine “schwarze Liste” der Ukraine, mit der deutsche und europäische Unternehmen angeprangert werden.
Ungarn will dies nicht hinnehmen, Griechenland auch nicht. Streit gibt es zudem noch über sog. Sekundärsanktionen gegen Drittländer. Damit hat vor allem Deutschland große Bauchschmerzen…
…denn sie würden auch die deutsche Wirtschaft treffen, die ohnehin schon in die Rezession gerutscht ist. Schuld daran sind nicht zuletzt die 2022 verhängten Energie-Sanktionen. Vorangetrieben hat sie Wirtschaftsminister Habeck…
Mehr Chroniken hier. Und hier noch die drei besten Blogposts der vergangenen Woche:

Ukraine, Aufrüstung, Migration: Risse in der EU werden tiefer
Nach außen präsentiert sich die EU einig. Doch in Wahrheit werden die Risse immer tiefer – und das nicht nur bei der Ukraine.

Diese “offiziöse” Verschwörungs-Theorie soll Aufrüstung begründen
Die EU kämpft gegen Desinformation und Verschwörungstheorien. Doch jetzt ist sie selbst einer Verschwörungs-Erzählung aufgesessen – damit wird sogar die massive Aufrüstung begründet. Auf Fakten stützt sich diese Politik indes nicht, sondern auf Spekulationen und Angst.

Einstieg in Friedensprozess – doch EU sieht sich mehr denn je bedroht
In ihrem zweiten Telefongespräch haben US-Präsident Trump und Kremlchef Putin die kurzfristigen Erwartungen der Ukraine enttäuscht, dafür aber neue längerfristige Perspektiven eröffnet.
european
27. Mai 2023 @ 20:54
Norbert Häring hat wieder einmal einen sehr lesenswerten Text auf seinem Blog veröffentlicht. Keine leichte Kost, aber das sind Häring’s Texte ja nie 🙂
“European Council on Foreign Relations erklärt „Vasallen der USA“, was ihr Lehnsherr von ihnen erwartet”.
https://norberthaering.de/news/ecfr-vasallen/
Er bezieht sich dabei auf eine Veröffentlichung des European Councils on Foreign Relations vom 4. April 2023. “The art of vassalisation. How Russia’s war on Ukraine has transformed transatlantic relations”
https://ecfr.eu/publication/the-art-of-vassalisation-how-russias-war-on-ukraine-has-transformed-transatlantic-relations/
Sehr zutreffender Text, mit Bestätigung via Twitter von Ulrike Guerot. Interessant auch die Erkenntnis, dass eine Reindustrialisierung der USA mit einer Deindustrialisierung Europa’s einhergehen muss.
Thomas Damrau
28. Mai 2023 @ 08:19
@european
Danke für den Link.
Das Grundproblem der EU ist die Unfähigkeit, in komplexen Szenarien zu denken. Stattdessen werden Reaktionen auf isolierte Ereignisse debattiert. Die isolierten Reaktion ergeben leider keine schlüssige Strategie.
Beispiel Ukraine. Putin wendet Gewalt an, um seine Einflusssphäre zu schützen. Die Schlussfolgerung der EU: Um Schutz vor dem Gewaltmenschen Putin zu bekommen, müssen wir uns bedingungslos um (auch die nicht gerade pazifistische) USA scharen. Eine Analyse, warum in der Ukraine die strategischen Ziele zweier Atommächte kollidieren und welche Konsequenzen aus einer solchen Analyse zu ziehen wären, scheint für die Europäer überflüssig. Lieber brav den USA hinterherdackeln.
Beispiel China. Dass China von den USA als klein zu haltender Rivale empfunden wird, ist spätestens seit Trumps chaotischer Sanktionspolitik offensichtlich. Biden hat Trumps Aufschlag in eine Strategie verwandelt, mit der er China isolieren möchte. (Ob diese Strategie sinnvoll ist, ist die erste offene Frage.) Und da die USA nicht einfach verkünden können „Uns gehen diese blöden Chinesen auf den Sack“, muss die Kampagne gegen China an der Taiwan-Frage festgemacht werden. Die Taiwan-Frage ist ein uralter lauwarmer Konflikt, der durch die USA auf höhere Temperatur gebracht wurde.
Welche Schlussfolgerung zieht die EU?
– Die EU ist empört über die „chinesische Aggressivität“.
– Die EU lässt es zu, dass die NATO sich einem global aktiven Hilfs-Sheriff der USA entwickelt.
Eigene Analysen, Ziele und Strategien? Fehlanzeige: „Die USA sehen das schon richtig.“
Beispiel Wirtschaftspolitk. Die USA haben in den letzten Jahrzehnten die Globalisierung vorangetrieben, Produktion wegen komparativer Kostenvorteile in fremde Länder ausgelagert. Die daraus folgende Deindustrialisierung der USA fällt den Initiatoren nun auf die Füsse – unter anderem, weil die obsolet gewordenen Industrie-ArbeiterInnen heute oft streng rechts wählen. Nun soll eine 180-Grad-Kehre hingelegt werden: Produktion heim ins Reich. Ob das in einem Land gelingen kann, dass im Augenblick von Finanztransaktionen, Rüstung und Spitzenforschung auf eher immateriellen Gebieten lebt, bleibt abzuwarten. Und so praktizieren die USA mit dem selben Feuereifer, mit dem sie früher die Globalisierung gefordert haben, den Schutz ihrer eigenen Märkte und subventionieren die eigene Industrie.
Und die EU: halblaut protestieren, Gegensubventionen auflegen, von einem TTIP 2.0 träumen.
Eigene Analysen, Ziele und Strategien? …
KK
27. Mai 2023 @ 15:13
„Bleibt die Frage, ob die Geschichte ein parlamentarisches Nachspiel haben wird.“
Noch dringender als ein parlamentarisches würde ich mir ein juristisches Nachspiel wünschen! Aber da seh ich schwarz – die kleinen hängt man, die grossen lässt man laufen!
ebo
27. Mai 2023 @ 22:34
Die europäische Staatsanwaltschaft ermittelt schon, mehrere Klagen laufen. Es wäre der Hammer, wenn die Verfahren kurz vor der Europawahl zum Abschluss kämen