Katargate: Verdächtige Eile im Europaparlament

Das Europaparlament hat die Hauptverdächtige im Korruptionsskandal ihres Amtes enthoben. Dabei stehen die Ermittlungen noch ganz am Anfang. Die Angst, dass Viktor Orban oder Marine Le Pen das „Katargate“ für ihre Zwecke ausbeuten könnten, diktiert das Handeln in Brüssel.

Roberta Metsola hatte es eilig, verdächtig eilig.

Nur vier Tage, nachdem die belgische Justiz ihre Ermittlungen in der bisher größten und wohl auch brisantesten Korruptionsaffäre der EU-Geschichte aufgenommen hat, machte die Präsidentin des Europaparlaments bereits Tabula rasa.

Die Hauptverdächtige, die Griechin Eva Kaili, wurde ihres Amtes enthoben. Bisher hatte sie Metsola als Vizepräsidentin gedient, wie 13 weitere Abgeordnete. Allein schon der Verdacht, dass Kaili 150.000 Euro von Katar angenommen haben soll, reichte.

Die Degradierung im Eilverfahren hat jedoch ein Geschmäckle. Schließlich ist bisher noch keine Anklage erhoben worden, die Ermittlungen der belgischen Justiz stehen noch ganz am Anfang. Metsola hat sich über die Unschuldsvermutung hinweg gesetzt.

Auch die Immunität der EU-Parlamentarier wird in diesem Aufsehen erregenden Verfahren mißachtet. Metsola wohnte sogar persönlich einer Hausdurchsuchung bei einem Abgeordneten bei. Die belgische Justiz will das so, der Souveränität des Europaparlaments spricht es Hohn.

Rechtsstaatliche Regeln und Verfahren scheinen keine große Rolle zu spielen, wenn es darum geht, den Ruf des Europaparlaments zu retten. Die Angst, dass Viktor Orban oder Marine Le Pen das „Katargate“ für ihre Zwecke ausbeuten könnten, diktiert das Handeln in Brüssel.

“Das Parlament wird angegriffen”

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Metsola will sich selbst und ihre 704 Abgeordneten-Kollegen weiß waschen, bevor das Warmlaufen für die Europawahl 2024 beginnt. “Das Parlament wird angegriffen”, erklärte sie – ganz so, als käme das Böse von außen, und als gebe es nicht auch in ihrem Haus große Probleme.

Es werde keine “Straffreiheit” geben, und nichts werde “unter den Teppich gekehrt”, sagte die konservative Politikerin beim EU-Gipfel. Die Absetzung Kailis beweise, wie ernst man es meine. Doch mit der Exkommunizierung schwarzer Schafe ist es nicht getan.

Das Europaparlament ist keine Kirche, auch wenn es sich gern so präsentiert. Hochmoralische Entschließungen zum „staatlichen Terrorismus“ Russlands können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Straßburger Kammer in der Außenpolitik nicht viel zu melden hat.

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P.S. Metsola hat “weitreichende” Reformen angekündigt. Dazu gehörten ein “Verbot aller inoffizieller Freundschaftsgruppen, eine Überprüfung der Einhaltung unseres Verhaltenskodexes und eine gründliche Überprüfung unserer Beziehungen zu Drittländern”, sagte Metsola nach einer Diskussion mit den europäischen Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in Brüssel.