Geopolitik: Scholz und Macron haben die halbe Welt verloren
Kanzler Scholz hat sich in Indien eine Abfuhr eingeholt – das Land will nicht auf Anti-Russland-Kurs einschwenken. Es ist bereits die zweite große Klatsche; zuvor hatte Brasilien “nein” gesagt. Frankreichs Staatschef Macron geht es kaum besser; auch er verliert im geopolitischen Machtpoker.
Man stelle sich vor, Deutschland und Frankreich würden die halbe Welt als Partner verlieren. Nicht nur Russland, sondern auch China, den Indopazifik und Afrika. Außerdem würden sich Brasilien und Indien quer stellen. Weit hergeholt? Nein, genau das spielt sich gerade vor unseren Augen ab.
Kanzler Scholz und Präsident Macron stecken eine geopolitische Niederlage nach der nächsten ein. Und damit verliert auch die EU. Sie glaubte, es sei schon erfolgreiche Geopolitik, wenn man Russland die Stirn bietet und der Ukraine hilft. Doch damit ist es nicht getan – ganz im Gegenteil!
Fangen wir mit Deutschland an: Das größte EU-Land hat Russland verloren. Böse Zungen behaupten, dies sei seit je ein Ziel der USA und ihrer Europapolitik gewesen. Fakt ist, dass die Beziehungen zu Moskau seit Kriegsbeginn zerrüttet sind.
Mit Russland hat Deutschland auch seine strategische Autonomie verloren. Das gilt nicht nur in der Energiepolitik, sondern auch beim Handel oder in dem weiten Feld, das man einst stolz “Ostpolitik” nannte.
Die “Unabhängigkeit” von Russland wurde mit neuen Abhängigkeiten erkauft, von Autonomie kann keine Rede mehr sein. Gestärkt sind hingegen die USA – sie können den Kurs vorgeben, siehe Nord Stream…
Abfuhr für Scholz
Doch Kanzler Scholz will sich damit nicht abfinden. Trotzig behauptet er, Deutschland sei fit für die neue, multipolare Welt – und geht auf Reisen. Nach China und Brasilien hat er nun in Indien sein Glück versucht.
Eine gute Figur hat er nicht gemacht. Nach Fachkräften betteln und zugleich fordern, dass Indien auf Anti-Russland-Kurs einschwenkt – das konnte nicht gut gehen. Scholz holte sich eine Abfuhr ein.
Die nächste Pleite droht in China – denn die USA ziehen immer mehr die Daumenschrauben an. Wegen angeblicher Waffenlieferungen drohen sie mit Wirtschafts-Sanktionen nach dem russischen “Vorbild”.
Wenn es so weit kommt, kann Scholz einpacken. Dann wäre er nicht nur geopolitisch, sondern auch geoökonomisch blank. China ist Deutschlands wichtigster Markt, wenn der auch noch wegbricht – gute Nacht!
Auch Macron verliert
Nicht viel besser sieht es in Frankreich aus. Schon vor dem Ukraine-Krieg haben die USA die ehemalige Kolonialmacht im Indopazifik in die Schranken gewiesen – und einen Milliarden-Deal platzen lassen.
Nun verliert Macron auch noch Afrika. Ein halbes Jahr nach dem unfreiwilligen Abzug aus Mali hat er eine “sichtbare Verringerung der Präsenz” französischer Soldaten auf dem schwarzen Kontinent angekündigt.
Das sei kein Rückzug, heißt es in Paris. In Wahrheit geht es jedoch genau darum. China und Russland sind in Afrika auf dem Vormarsch, auch die Türkei gewinnt an Einfluß. Frankreich verliert.
Polen wittert seine Chance
Dass Deutschland und Frankreich gleichzeitig auf der Verliererstraße sind, dürfte die von beiden Ländern getragene EU schwächen und die geopolitischen Gewichte weiter nach Osteuropa verschieben.
Polen wittert seine Chance, die USA auch. It’s geopolitics, stupid…
Siehe auch “Polen wird zum Vorposten der USA – und zum Spaltpilz in der EU” sowie “Ausblick 2023: Es wird einsam um EUropa”
P.S. Der Westen steht mit seiner Ukraine-Politik bei den G20 “fast allein da”, berichtet der “Standard” aus Wien. Wundert das noch jemanden?
Annette Hauschild
2. März 2023 @ 19:20
Ich glaube und hoffe, dass die BRICS-Staaten ein Gegengewicht zu der ökonomischen Vorherrschaft der USA werden könnten, aber es gibt noch viele offene Fragen und Unsicherheiten.
Z.B. machen die USA jetzt grade eine Charmeoffensive in Lateinamerika, und wer weiß, ob die lateinamerikanischen Regierungen den Verlockungen lange standhalten können. Siehe Ecuador, das eine große Kreditzusage erhalten hat und Julian Assange fallen ließ. Südafrika macht zur Zeit ein Flottenmanöver mit Russland und China, aber bis 2015 war der Manöverpartner die Bundesmarine. Weggegangen Platz vergangen. Da die Bundesmarine nicht mehr mitmacht, suchte Südafrika sich eben andere Partner. Das kann sich aber auch wieder ändern, je nachdem, was Südafrika sich erhofft.
Ich glaube, dass die verstärkte Zuwendung afrikanischer Länder zu Russland und China mehreren Faktoren geschuldet ist.
1. Russland und China sind nie als Kolonisatoren dort aufgetreten. Im Gegenteil hat die Sowjetunion etliche afrikanische Befreiungsbewegungen, z.B. den ANC, finanziell, ausbildungsmäßig und auch sonst unterstützt. Die damaligen Bundesregierungen (CDU, SPD und FDP mit wechselnden Anteilen an der Regierung) haben sich beim Freiheitskampf in Südafrika, Angola, Mosambik und Nambia hingegen nicht mit Ruhm bekleckert, sie haben weiterhin Rüstungsexporte genehmigt, Wissenschaftler ausgebildet, Kulturaustausch, Schüleraustausch etc betrieben, OBWOHL die UNO ein für alle bindendes Embargo gegen Apartheid-Südafrika verhängt hatte.
2. Die beiden Länder wollen den Regierungen keine Staatsform beibringen, sie unterstützen jeden der es will, um einen Fuß drin zu haben. China baut Rohstoffe ab und bringt dazu sinnigerweise seine eigenen Arbeiter mit ins Land, was auch viel Unmut auslöst. Und China pachtet Landflächen, um Nahrungsmittel anzubauen, ich glaube das ist in Somalia. Noch vor 20 Jahren war es die Konkurrenz Frankreich -USA auf dem schwarzen Kontinent, die ist jetzt um zwei weitere Schachspieler erweitert worden.
Die Amerikaner und unsere Medien und Politiker sehen das natürlich als neue Abhängigkeit von Russland und China werden sich bemühen, diese Länder auch von dieser selbst gewählten Abhängigkeit zu befreien. mit Zuckerbrot und Peitsche, Krediten, viel Geld und wer weiß, was ihnen sonst noch so einfällt?
Annette Hauschild
2. März 2023 @ 12:22
Indische Fachkräfte gehen eh lieber nach England oder gleich in die USA. Da wird besser bezahlt als in D und für sie ist es einfacher, sich dort dauerhaft niederzulassen. Es gib eine große indische Community dort. Wo ist die hier zu finden?
Thomas Damrau
1. März 2023 @ 09:12
Modi, Lula da Silva und andere sind nicht auf den Kopf gefallen. Auch wenn ihnen das manchmal in westlicher (möglicherweise rassistischer) Überheblichkeit unterstellt wird.
Es ist ganz offensichtlich, das die USA nichts weniger wollen als eine multipolare Welt. Deshalb befürchten viele Länder einen Domino-Effekt, der die Weichen für die nächsten Jahrzehnte bestimmen könnte:
– Erst wird Russland paralysiert.
– Dann wird China eingehegt.
– Dann sind die linken Regierungen in Latein-Amerika dran (in alter Tradition) und, wer sich sonst noch aufmüpfig zeigt.
– Und am Ende diktieren die USA allein die Spielregeln.
So paranoid ist diese Domino-Theorie des 21. Jahrhunderts nicht.
ebo
1. März 2023 @ 09:21
Das Verrückte ist, dass sowohl Scholz als auch Macron die multipolare Welt kommen sehen, ja sogar befürworten. Doch sie verstehen nicht, dass der US-getriebene Wirtschaftskrieg die halbe Welt verschreckt und die BRICS noch stärker zusammenschweißt. Zugleich macht er die EU noch mehr von den USA abhängig!
Thomas Damrau
1. März 2023 @ 09:29
@ebo
Die EU unterliegt einer großen Selbsttäuschung, wenn sie meint, mit Biden seien andere geopolitische Ziele ins Weiße Haus eingezogen:
– Trump war ein Schulhofschläger, der „America First“ getrötet hat – aber völlig planlos agierte.
– Biden hat die bessern Tischsitten, erzählt gerne von Kooperation (nach US-Vorgaben) – und ist dabei sehr viel konsequenter und zielgerichteter mit „America First“, ohne das laut anzukündigen.
european
1. März 2023 @ 13:30
Nicht zu vergessen, dass die EUCO-Praesidentin als europaeische Neocons gegen sie arbeitet.
Auch wenn es nicht so offensichtlich ist, dass es ihnen auffallen koennte. Sie macht amerikanische Politik, keine europaeische. Baerbock ebenso, aber sie ist nicht an so exponierter Stelle und ausserdem nimmt sie sowieso keiner mehr ernst. Sie ist nicht mehr als eine nuetzliche Idiotin.
KK
1. März 2023 @ 00:12
@ european:
„Putin hat in einer seiner Reden mal sehr eindringlich darauf hingewiesen, dass der Westen den Rest der Welt ausschließlich als Rohstofflieferanten wahrnimmt. Womit er sicherlich richtig liegt. Rohstoffe und Arbeitskräfte.“
Nicht nur; als Kunden für Exportwaren werden sie natürlich auch gebraucht, als billige Abnehmer für Müll (insb. dem giftigen) und anderem, zB hier nicht benötigter Geflügelteile, die dann massenhaft subventioniert den dortigen Erzeugern schaden.
Hauptsache immer zum eigenen Vorteil.
european
28. Februar 2023 @ 21:13
Das war absehbar.
Die haben immer noch nicht begriffen, dass der Rest der Welt das ernst meint.
Putin hat in einer seiner Reden mal sehr eindringlich darauf hingewiesen, dass der Westen den Rest der Welt ausschließlich als Rohstofflieferanten wahrnimmt. Womit er sicherlich richtig liegt. Rohstoffe und Arbeitskräfte. Am besten qualifiziert auf Kosten der Entsendeländer.
Was Scholz offensichtlich noch nicht wahrgenommen hat ist, dass Indien seine Fachkräfte selbst braucht und nicht nur das. Selbst der tiefreligiöse Modi hat begriffen, dass er das Land nicht auf die Füße bekommt, wenn das Kastensystem bestehen bleibt. Also hat er besondere Ausbildungs- und Anstellungsprogramme für die untere Kaste aufgelegt, damit er die manpower bekommt, um das Land hochzuziehen. Sprich: Das Kastensystem hat das Ende seines lifespans erreicht. Will das Land Erfolg haben, muss es durchlässiger werden.
Anm: Das hat Deutschland übrigens auch mal geglaubt. In den 70ern. Damals hat die SPD noch eine Sozialpolitik gemacht, die den Namen verdiente. Da war die Rede von Aufstieg, von Durchlässigkeit, von Arbeitnehmerfortbildungen, Arbeiterkindern auf dem Gymnasium und und und.
Und jetzt kommt Scholz nach Indien, will die indischen Fachkräfte abwerben und gleichzeitig Russland isolieren. Wieviel Einheiten auf der internationalen Trampelskala werden dadurch wohl aufgebraucht? Wer fliegt als nächstes hin? Baerbock mit dem feministischen Setzkasten unter dem Arm?
Ja, und Macron?
Macron hat zu Beginn seiner Amtszeit nicht nur vom souveränen Europa gesprochen, sondern auch von einer massiven Entschuldung der afrikanischen Länder. Man darf raten, wer auch hier wieder auf der Bremse gestanden hat.
Es wundert nicht, dass aktuell in Europa der Schwanz mit dem Hund wedelt. Soviel Planlosigkeit auf einmal hinterlässt ein Vakuum, in das irgendjemand hineintritt.