Geopolitik für Dummies
Bei ihrem China-Besuch wollten Macron und von der Leyen europäische Einheit demonstrieren. Erreicht haben sie das Gegenteil – Macron wurde hofiert, Frau Leyen saß am Katzentisch. So geht Geopolitik für Dummies.
Eine “warme Umarmung” für Macron, die “kalte Schulter” für von der Leyen: So fasst “Politico” den Empfang der europäischen “Leader” in Peking zusammen. Schuld daran soll Präsident Xi sein, der die EUropäer spalten wolle.
In Wahrheit ist von der Leyen selbst schuld – denn vor ihrem Peking-Trip reiste sie nach Washington, wo sie mit US-Präsident Biden die China-Politik absprach. Danach outete sie sich bei einer Rede in Brüssel als Hardlinerin.
Kein Wunder also, dass Xi ihr die kalte Schulter zeigte. Zumal die Kommissionschefin auch noch mit neuen Sanktionen drohte! Das zeigt, wie wenig die Chefin der “geopolitischen Kommission” von Diplomatie versteht – und von Geopolitik!
Sie redet, als könne sie Xi Vorschriften machen. Dabei ist nicht nur die europäische Wirtschaft, sondern auch der “European Green Deal” vom guten Willen der Chinesen abhängig! Ohne China hätten wir weder Sonnenkollekoren noch “seltene Erden”…
Aber auch Macron macht Geopolitik für Dummies. Mit seinem Zitat (“Ich weiß, dass ich auf Sie zählen kann, wenn es darum geht, Russland zur Vernunft zu bringen und alle an den Verhandlungstisch zurückzuholen”), hat er sich vor aller Welt lächerlich gemacht.
Russland ist eben kein “Vasall” Chinas, auch wenn man dies in Paris und Brüssel zu glauben scheint. Xi kann Kremlchef Putin nicht einfach zur Räson bringen. Die beiden Autokraten wurden überhaupt erst durch äußeren Druck zusammengeschweißt.
Ein Krieg gegen China wäre fatal
Mit Sanktionen und Waffen haben die EUropäer ihren einstigen “strategischen Partner” Putin vollends in die Arme Xis getrieben. Mit Säbelrasseln schaffen die USA nun auch noch Spannungen im Indopazifik; in Australien stellt man sich schon auf Krieg ein.
Darauf wiederum reagiert von der Leyen, indem sie von China abrückt. Im europäischen Interesse wäre es jedoch, China stärker einzubinden, wie dies Macron immerhin noch versucht. Zudem müßte die EU die USA vor einer Konfrontation warnen.
Ein Krieg gegen China wäre fatal – auch für EUropa. Doch dafür reicht das geopolitische Verständnis schon nicht mehr. Stattdessen dienen sich die EU-Politiker den Amerikanern im Indopazifik an; sogar Deutschland will mehr militärische Präsenz zeigen…
Siehe auch China-Politik: “Die EU muß eine klare Linie ziehen – gegen Biden” Mehr zur Geopolitik hier
P.S. Zum Abschluß seiner Reise haben Macron und Xi noch ein gemeinsames Dokument unterzeichnet. Sie wollen den Dialog verstärken und das Vertrauen stärken – immerhin. Der Text steht hier (Elysée, französisch)
european
9. April 2023 @ 12:32
Interessante Beobachtung:
Gestern gab es wohl eine Demonstration in Berlin gegen die Waffenlieferungen und für Friedensverhandlungen an der einige tausend Demonstranten teilgenommen haben. Auf youtube findet man nur ein einziges Video darüber – vom Chinesischen Fernsehen.
https://youtu.be/ryx9ctRtDdE
So langsam sollte man sich die Frage stellen, wer hier eigentlich Meinungsdiktatur betreibt. 😉
KK
8. April 2023 @ 19:36
@ european:
„…Fernseher in Vietnam produziert wurde und wir dann nicht nur einen, sondern drei oder vier davon in unseren Wohnungen haben, gern auch noch einen auf der Toilette.“
Na, das Informationsprogramm verursacht ja auch seit über einem Jahr extrem Brechreiz und regt an, darauf zu *** – wo machte ein TV-Gerät daher mehr Sinn als dort?
Arthur Dent
8. April 2023 @ 15:56
@Kleopatra
Wer hätte das gedacht: Handel beruht auf Gegenseitigkeit. Im Übrigen machen die Industrieländer das Gleiche mit den Ländern des globalen Südens.
Thomas Damrau
8. April 2023 @ 13:14
@cleopatra
Sind Sie sicher, dass sich ihr kategorischer Prohibitiv so einfach umsetzen lässt? Spätestens seit Beginn der 2000er hat der Westen massiv Produktion nach China ausgelagert.
Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich mir in meiner Firma durch die Frage “Ist es wirklich sinnvoll, unser ganzes Know-How über die Chinesische Mauer zu werfen?” einen langen Vortrag über komparative Kostenvorteile eingehandelt habe. Am Ende lagen die ganzen Software-Quellprogramme in China.
Meinen Sie wirklich, dass sich ein Vierteljahrhundert “off-shoring” von Arbeit mit einem Federstrich rückgängig machen lässt? Wie viele Volksaufstände wird es geben, wenn das eh schon überteuerte iPhone durch Rückverlagerung der Produktion noch teurer wird?
Was Abhängigkeiten betrifft: Viele Länder sind im Augenblick lieber von China abhängig als von der üblichen toxischen Mischung aus IWF und multinationalen Konzernen.
european
8. April 2023 @ 10:35
Tja. Wie können die Chinesen es wagen, in erster Linie Politik für China zu machen. Unerhört so etwas. Die Welt war für uns doch bisher in Ordnung. Wir haben den Ton angegeben und der Rest ist gefolgt. Hin und wieder haben wir uns großzügig gezeigt, Entwicklungshilfegelder gegeben und diese Länder mit unserem Müll, Altkleidern und Billigfleisch überschüttet. Zum Dank sollten sie uns gefälligst die Füße küssen.
Nun wollen die Chinesen, Afrikaner, Südamerikaner auf einmal so leben wie wir. Sie wollen fairen Handel auf Augenhöhe, Eigenständigkeit und eben keine Abhängigkeit mehr vom bisherigen Welthegemon. Kein IWF mehr, kein Ausplündern mehr, keine hochnäsigen Vorgaben, sondern eigenständiges Handeln und Selbstbestimmtheit.
How dare they? 😉 Wie können sie es wagen?
Bisher haben unsere Konzerne vom extremen Lohngefälle profitiert. Wie gern haben wir ausgelagert, was das Zeug hält und natürlich, wie so immer, bleibt kein Vakkum ungefüllt und so freuen wir uns wenn wir billige Kleidung aus Bangladesh bekommen, unser Fernseher in Vietnam produziert wurde und wir dann nicht nur einen, sondern drei oder vier davon in unseren Wohnungen haben, gern auch noch einen auf der Toilette. Daran sind natürlich die Chinesen, Vietnamesen und Afrikaner schuld, denn die wollen uns von sich abhängig machen. Die sind auch daran schuld, dass wir so vehement für jede Form von Freihandel eintreten, die die aufkeimenden Industrien in den ärmeren Ländern sofort wieder im Keim erstickt, weil die natürlich nicht mit unserer Hochtechnologieproduktion mithalten können. Siehe Landwirtschaft in Tahiti oder der ewige Versuch der USA die vielen Urformen des mexikanischen Maises durch Genmais zu vernichten.
Ich bin gespannt, wann wieder lautstark darüber diskutiert wird, dass die Länder mit dem geringsten ökologischen Fußabdruck der Welt am Klimawandel schuld sind, weil sie so viele Kinder haben und dass es Zeit wird, dass der Westen dort wieder einschreitet, wie das früher schon auf ganz entsetzliche Weise geschehen ist.
Entwicklungsländer arbeiten daran, dass ihre Mittelschicht wächst und damit ihre Gesellschaften stabiler werden, während wir Westler diesbezüglich auf dem Rückmarsch sind. Wir setzen darauf, dass Geld und Macht in die Hände weniger gehört, dass wir weder gute Bildung noch gute Gesundheitssysteme brauchen und lassen uns jetzt von diesen Machthabern dazu aufhetzen, dass die Chinesen, Afrikaner, Südamerikaner an diesem unserem Elend schuld sind.
Thomas Damrau
8. April 2023 @ 10:17
@zykliker
Hervorragend geschrieben!
Bei Macron könnte ich mir sogar vorstellen, dass er sich in der Tradition von de Gaulle den Machtansprüchen der USA widersetzen und ungern ohne Rettungsweste das sinkende Schiff betreten möchte.
Aber wie sieht es in den anderen EU-Staaten aus? Widerstandsnester sind in Europa rar.
In Deutschland hat sich die CDU/CSU schon immer eher an die Gebote des amerikanischen Präsidenten als an die Gebote von Jesus Christus gehalten. Die Grünen sind außenpolitisch inzwischen die fünfte Kolonne des State Departments – das begann mit dem Traumduo Joschka Fischer – Madeleine Albright.
Italien: Meloni gibt sich bündnistreu, um für ihre innenpolitische Agenda den Rücken frei zu haben.
Spanien und Portugal: noch kein ernsthafter Widerspruch zu hören.
Osteuropa und Baltikum: außer Orban alles Hardliner.
Irland, Benelux, Skandinavien, Balkan, …????
ebo
8. April 2023 @ 10:47
Spanien sucht noch seinen Weg. Sanchez war gerade in Peking, am 1. Juli übernimmt er den EU-Ratsvorsitz. Wait and see…
Thomas Damrau
8. April 2023 @ 09:21
Es stellt sich mir inzwischen die Frage, ob Frau vdL noch als Präsidentin der EU-Kommission oder bereits als NATO-Generalsekretärin agiert. Den ersten Job hat sie möglicherweise schon abgeschrieben und liefert erste Arbeitsproben für ihren neuen Job.
Oder sollte man NATO-GeneralsekretärIn und Kommissions-PräsidentIn künftig in Personalunion betreiben? Würde vieles einfacher machen.
Kleopatra
8. April 2023 @ 08:49
Das Ziel der chinesischen Politik besteht darin, andre Staaten von sich wirtschaftlich abhängig zu machen. Dem sollte man aktiv entgegenwirken, indem Importe wichitger Güter aus China unterbunden werden. China ist ein Teufel, mit dem nur eseen sollte, wer einen sehr langen Löffel hat.
ebo
8. April 2023 @ 10:46
Die EU ist eine Wirtschaftsunion. Sie hat seit ihrem Bestehen auf Liberalisierung, Globalisierung und Freihandel gesetzt. Ist das jetzt plötzlich alles Teufelszeug?
zykliker
7. April 2023 @ 20:18
Geheimprotokoll von Präsident Macron zur ausschließlichen Verwendung von Präsident Xi:
Sehr geehrter Herr Präsident Xi,
dies ist ein schriftliches Memorandum der Gedanken, die wir unter vier Augen bereits persönlich besprochen haben.
Bitte sehen Sie mir zunächst das für den Westen notwendige, für die Propaganda-Schmierfinken bestimmte Geschwätz „ich kann auf Sie zählen ….“ nach. Es war für eine westliche Öffentlichkeit bestimmt, die immer noch nicht in der Realität der Gegenwart angekommen ist und z.T. wohl auch nie ankommen wird.
Es ist die immer gleiche Selbstüberschätzung, Hybris, Größenwahn des im Niedergang befindlichen, einstmals übermächtigen, die ganze Welt beherrschenden angelsächsischen Machtblocks, die auch uns Europäer wohl noch eine Zeit lang in ihrem Würgegriff halten wird.
Die Macht dieses mit einer Chikagoer Gangsterbande durchaus vergleichbaren Konglomerats reicht bis in die existentiellen Fragen von Sein oder Nichtsein hinein.
Vor ca 80 Jahren gab es in der Mitte Europas einen „Gröfaz,“ dessen Fehleinschätzung der tatsächlichen weltweiten Machtverhältnisse ihn veranlasste, einen Zweifronten-Krieg zu beginnen. Im Unterschied zu damals, als dieser „Gröfaz“ sich für eine junge, aufstrebende, künftige Weltmacht hielt (man konnte es ja mal versuchen, das war ihm wohl viele Dutzende Millionen Tote wert, außerdem winkte der Eintrag in das Große Buch der Gechichte)– und trotzdem scheiterte, hat der angelsächsische Machtblock seine Jahrhunderte lange Blüte hinter sich, ist moralisch degeneriert und weist dies in den letzten Jahrzehnten durch immer neue Kriegsverbrechen, zu denen er sich berechtigt glaubt, um sich an alte Größe klammern zu können, entsprechend nach.
Nicht alle Europäer, aber ein durchaus beachtenswerter Teil unserer geistigen und politischen Elite kennt die Realitäten sehr wohl, schätzt die aufkommende multi-polare Weltordnung als gegeben und durchaus wünschenswert ein und wird versuchen, einen konstruktiven Platz darin zu finden.
Nun steht also ein neuer Mehrfronten-Krieg der Ewig-Gestrigen gegen die erdrückende Mehrheit der Weltbevölkerung an; gegen all die jungen und hungrigen Völker, die sich angewidert abwenden und mit den Kolonialherren untergegangener Epochen nichts mehr zu tun haben wollen. Sie wollen sich nicht mehr ausplündern und schikanieren lassen, sie verachten diese degenerierten rassistischen und kriminellen Räuber.
Sehr geehrter Herr Präsident Xi,
wir aufgeklärten Europäer können noch nicht so, wie wir gerne wollten, denn tot nützen wir weder der künftigen multipolaren Weltordnung noch unseren eigenen Völ-kern. Wir brauchen erst noch die substantielle Schwächung der Noch-Weltmacht, z.B. durch den aus ihrer Hybris angezettelten Mehrfronten-Krieg. Unser Beitrag dazu muss insofern vorerst noch bescheiden bleiben, weil wir unsere Opposition zum Selbstschutz tarnen müssen. Außerdem besteht ein viel zu großer Teil der europäischen Elite aus europäische Sprachen sprechenden, mit heimischen Pässen ausgestatteten Amerikanern.
Aber der Tag ist nicht mehr fern, an dem die sechs Ursprungsländer der Europäischen Union sich zur Keimzelle eines neuen weltpolitischen Faktors zusammentun werden. Wir werden unsere Rolle durchaus selbstbewusst, aber eben nicht besserwisserisch missionierend und nicht dominant ausfüllen.
Unsere Vorbilder sind dabei nicht dreist ignorant herumgrölende Kleinkinder, die das Völkerrecht als Trampolin missbrauchen. Die Deutschen haben da eine Figur aus ihrer Frühgeschichte: einen Stammes-Adeligen, der zunächst in römischen Diensten sozialisiert wurde, sich dann aber angewidert seiner Wurzeln besann und den Kolonialherren eine vernichtende militärische Niederlage zufügte. Bei den Römern hieß er Arminius, und er war nur ein erster Markstein im allmählichen Untergang einer Weltmacht.
Ich selbst, Emanuel Macron, bin auch in der angelsächsischen Welt des Finanzkapitalismus sozialisiert und musste erst Präsident werden, um meine Verantwortung zu verstehen.
Wir Franzosen richten uns an einem populärliterarischen antiken gallischen Dorf auf, das so zwar nie existiert hat; doch unser Zaubertrank ist das Selbstbewusstsein einer immer wieder regenerationsfähigen Großen Kulturnation.
Sehr geehrter Herr Präsident Xi,
lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Menschheit die kommenden schweren Zeiten übersteht.
Mit dem Ausdruck der Vorzüglichsten Hochachtung grüße ich Sie in freundschaftlicher Verbundenheit unserer Völker.
Emanuel Macron
KK
7. April 2023 @ 19:44
Das Mittel der Wahl des Westens gegen die Folgen des Klimawandels scheint die Entfesselung eines nuklearen Weltkrieges zu sein…
…als ob ein „nuklearer Winter“ die Klimaerwärmung kompensieren könnte (da sind wohl ähnliche Strategen am Werk wie George W. Bush, der mal gegen die Erderwärmung das Aufdrehen der Klimaanlagen empfohlen hatte).