Es geht ums Prinzip

Kungelei um Chefposten, große Koalition, keine echte Alternativen: Es gibt viele Gründe, die Europawahl als postdemokratisches Feigenblatt abzutun – so wie die Mehrheit in meiner aktuellen Umfrage. Dennoch gehe ich heute wählen. Wegen TTIP, Datenschutz und Eurokrise, aber auch aus Prinzip.

Bereits seit zehn Jahren beherrschen konservative und neoliberale Parteien, angeführt von Kanzlerin Merkel, die EU. Ihre Bilanz fällt verheerend aus. Die EU steht heute schlechter da als zu Beginn der Amtszeit von Kommissionschef Barroso.

„Europa steht vor einem Scherbenhau, meint der ehemalige Barroso-Berater Legrain. Er ist kein Linker, sondern ein liberaler Ökonom aus London.

Doch sein Aufruf für einen „europäischen Frühling“, einen wirtschaftlichen und politischen Kurswechsel, verhallte ungehört. Dabei hat das EU-Parlament Alternativen formuliert. Man muss sie nur wollen – und wählen.

  • Beispiel TTIP: Parlamentspräsident Schulz hat eine Aussetzung der Verhandlungen mit den USA gefordert – wenigstens während des Wahlkampfs. Teil der SPD, Grüne und Linke gehen noch weiter und fordern eine Unterbrechung bis November, wenn die neue EU-Kommission steht.
  • Beispiel Datenschutz: Das Europaparlament hat einen sehr ambitionierten Entwurf zur Datenschutzgrundverordnung verabschiedet – unter Federführung des grünen deutschen Abgeordneten Albrecht. Es fordert damit die USA, aber auch laxe EU-Länder wie Irland heraus.
  • Beispiel Eurokrise: Das Europaparlament hat einen Untersuchungsbericht vorgelegt, der einer Ohrfeige für die Euroretter und ihre internationale Troika gleichkommt. Geleitet wurde die Untersuchung von einem österreichischen Konservativen, Othmar Karas.

Es gibt aber noch einen anderen Grund, zur Wahl zu gehen: Es geht ums Prinzip. Einige EU-Chefs, darunter Merkel und der britische Premier Cameron, wollen sich partout nicht darauf festlegen, den Wahlsieger zum nächsten Kommissionspräsidenten zu machen.

Sie möchten das Ergebnis der Abstimmung ignorieren und die Barroso-Nachfolge in kleinem Kreis ausmauscheln, wie gehabt. Es wäre ein Putsch von oben, ein Rückfall in vordemokratische Zeiten.

Höchste Zeit, das zu verhindern. Sonst können wir uns die nächste Europawahl gleich ganz sparen.