Booster, Reisen, Lockdowns: In der EU droht schon wieder Corona-Chaos
Deutschland will alle Erwachsenen boostern – und setzt sich damit über Kritik der WHO und Vorbehalte der Experten hinweg. Doch das ist nicht der einzige Widerspruch in der vierten Welle. In der EU droht Chaos, schon wieder.
Boostern, Reisen, Lockdowns: Nirgendwo sind sich die 27 EU-Staaten einig, eine europäische Strategie ist – wenn es sie je gegeben hat – nicht mehr erkennbar.
Dabei hatte Kommissionschefin von der Leyen – eine studierte Medizinerin – vor einem Jahr versprochen, die Impfung sei die Lösung, sie werde das “Ende der Pandemie” bringen.
“To get to the end of the pandemic, we will need up to 70 per cent of the population vaccinated”, sagte sie im Dezember 2020 im Europaparlament.
Und schon im Juli erklärte sie dieses europäische Impfziel für erreicht – obwohl selbst Deutschland damals noch weit unter der angestrebten Quote lag.
Sendepause in Brüssel
Seitdem herrscht Sendepause in Brüssel. Von der Leyen, ihre Gesundheitskommissarin Kyriakides und sogar die Europäische Medizinagentur EMA ducken sich weg.
Während die Stiko den “Booster für alle” empfiehlt, möglichst sofort, belässt es die EMA bei einer vagen Aussage, dass Auffrischungen möglich seien – aber erst nach sechs Monaten.
Und während deutsche Politiker die Kinder-Spritze versprechen, schiebt EMA die Entscheidung vor sich her. “Die sind ein bißchen langsam, das muß schneller gehen”, ärgert sich der CDU-Gesundheitspolitiker P. Liese.
Ärger droht auch beim Reisen. Noch gilt zwar das europäische Impfzertifikat, mit dem die EU den Sommerurlaub ermöglicht hat. Doch nun droht ein Regel-Chaos.
So haben Österreich und Frankreich angefangen, die zweifache, “vollständige” Impfung anzuzweifeln – nur mit einem “Booster” sollen die Zertifikate künftig anerkannt werden.
Deutschland dürfte bald folgen. Doch was ist mit den vielen Menschen, die gerne boostern würden, aber keinen Termin bekommen? Dürfen die nicht mehr ins EU-Ausland reisen?
Die EU-Kommission verspricht Koordinierung, wirkt jedoch völlig überfordert. Das gilt auch – schon wieder – bei der Sicherung und Durchsetzung anderer Freiheitsrechte.
Notlage in der “Gesundheitsunion”
So hat Österreich einen Lockdown für Ungeimpfte eingeführt. Ist das eine Diskriminierung der Menschen ohne Biontech-Spritze? Darf man ihnen sogar den Zugang zum Arbeitsplatz verweigern?
Brüssel schweigt. Von der Leyen hat seit Beginn der dramatischen vierten Welle kein einziges Wort mehr zu Corona verloren. Dabei wollte sie doch eine “Gesundheitsunion” aufbauen.
Nun spricht von der Leyens beste Freundin, Kanzlerin Merkel, von einer nationalen “Notlage”. Und in der EU droht Chaos – genau wie damals, als alles anfing…
Mehr zur Coronakrise hier. Siehe auch den neuen Live-Blog hier
european
18. November 2021 @ 17:19
Ich verlinke mal einen Thread, den ich vorhin auf Twitter eingestellt habe. Es waren mehrere Artikel, die dort gebündelt zu lesen sind.
https://twitter.com/LaTravelle/status/1461329964268146697
Deutschland – und auch andere Länder – haben seit 2007 innerhalb der EU tausende Ärzte aus armen EU-Ländern abgezogen, z.B. Rumänien, Bulgarien, Griechenland etc. Diese Länder drohen nun wirklich unter der Coronakrise zu kollabieren, vor allem Rumänien. Die Griechen sagen schon gar nichts mehr.
Gleichzeitig bekommen in Deutschland nur ca. 20% der Bewerber einen Medizinstudienplatz. Wir könnten also durchaus mehr ausbilden, aber das würde etwas kosten und da wir der Schwarzen Null und der Schuldenbremse huldigen, saugen wir lieber unsere Nachbarn aus. Nur zur Erinnerung: Insbesondere Lindner und die FDP behaupten ja immer, wir seien Vorbild mit unserer Sparpolitik. Mal von dieser galloppierenden Selbstüberschätzung abgesehen, ist es auch technisch nicht möglich, Wir können nicht alle gleichzeitig das Fachpersonal aus anderen EU – Ländern bzw. Eurozonenländern abwerben und das auch noch zum Erfolgsmodell erklären.
Nun hat die Bundeswehr ganze 18 Intensivpatienten Anfang November aus Rumänien nach Deutschland geholt. Das ist sicherlich positiv zu bewerten, aber wenn man sich das gesamte Bild betrachtet, bleibt man nur sprachlos zurück.
Rumänien hat schon vor ein paar Jahren Abfindungszahlungen verlangt, um seine Ärzte besser bezahlen zu können und das Gesundheitssystem aufzubauen. Das ist zu wenig. Bei einem Fachkräftemangel dieser Art müssen die Ausbildungskosten erstattet werden, auf Höhe des Empfängerlandes. Es darf sich nicht lohnen, wenn man nichts in sein Gesundheitssystem investiert. So kann eine europäische Union nicht funktionieren.
Wenn wir also in Deutschland schon klagen, was bitte sollen erst die Rumänen sagen?
Meiner Ansicht nach ist diese Situation mehr als skandalös.