Flüchtlingspolitik: Morawiecki verhöhnt Merkel
Die Flüchtlingskrise in Belarus hat zu einem schweren Zerwürfnis zwischen Polen und Deutschland geführt. Regierungschef Morawiecki geht Kanzlerin Merkel direkt an.
Morawiecki hat Merkel Versagen in der Flüchtlingspolitik vorgeworfen. Merkels Politik in der Flüchtlingskrise 2015 habe “die Souveränität vieler europäischer Staaten gefährdet” und “einen künstlichen Multikulturalismus” geschaffen.
“Das war eine gefährliche Politik für Europa und für die Welt”, sagte Morawiecki der “Bild”-Zeitung. Doch damit sei es nun vorbei. Sein Land beweise derzeit am Grenzzaun zu Belarus, dass effektiver Grenzschutz möglich sei.
Wenn Polen die EU nicht “schützen” würde (mit 20.000 Soldaten, wie im Krieg), könnten es “bald Hunderttausende sein, Millionen, die Richtung Europa kommen”. Gerade Deutschland solle dankbar sein, so der Chef der PiS-Regierung.
Damit fordert Morawiecki die Kanzlerin direkt heraus. Es geht nicht nur um ihr flüchtlingspolitisches Vermächtnis, wonach Humanität und Solidarität im Zweifel wichtiger seien als der Schutz der Grenzen.
Es geht auch um die Außenpolitik. Morawiecki fordert einen Stopp der Gaspipeline Nord Stream 2 – und eine Ende der Gespräche mit dem belorussischen Diktator Lukaschenko. Seine Regierung werde mögliche Ergebnisse der Vermittlung nicht anerkennen.
Wenn sich der polnische Hardliner durchsetzt – und derzeit spricht viel dafür – wird von Merkels europapolitischem Erbe nicht viel übrig bleiben. Die EU baut unter seinem Druck genau die “Festung”, die die Kanzlerin 2015 nicht wollte.
Und das wegen einiger tausend Migranten, die plötzlich nicht mehr als Menschen, sondern als “hybride Waffe” bezeichnet werden…
Kleopatra
20. November 2021 @ 10:05
Der “Flüchtlingsherbst” 2015/16 kann nicht als europapolitisches Erbe Merkels bezeichnet werden, oder wenn, dann nur in Form des auf ihn in praktisch der gesamten EU folgenden Rückschlags. Denn die Position der deutschen Kanzlerin wurde damals von keinem EU-Mitgliedstaat wirklich vorbehaltlos unterstützt. Bereits der “Umverteilungsbeschluss” vom Herbst 2015 wurde nicht nur von Ungarn und andere offen bekämpft, sondern von praktisch allen anderen Mitgliedstaaten de facto stillschweigend sabotiert bzw. einfach mehr oder weniger ignoriert.
Das “Vermächtnis” von A. Merkel ist insofern immer nur eine Position gewesen, die in dieser Form von einigen deutschen Politikern vertreten wurde; und selbst in Deutschland handelte es sich vor allem darum, dass Merkel nicht offen einen Fehler eingestehen wollte. Ansonsten besteht Merkels “flüchtlingspolitisches Vermächtnis” in der Unterstützung Kroatiens (im EU-Wahlkampf und mit Nachtsichtgeräten für die Grenzpolizei) sowie anderer Staaten, die Deutschland die Migranten vom Leib halten, kürzlich in Verhandlungen mit Lukaschenko, in denen es eben gerade nicht um eine Weiterreise der Migranten ging etc.
Karl L. Müller
19. November 2021 @ 22:12
Na ja, die Kanzlerin hatte im Sommer einen Durchhänger bei Ihrer Reputation – siehe
„Du musst aber zurück“ zum Flüchtlingskind in Berlin und die „Griechenland“-Krise,
was aber eine Rettungsaktion für die Deutsche Bank (und die BNP in Frsnkreich war.
Da musste man natürlich auf die Tränendrüse drücken, und Orban dafür abstrafen, dass er streng nach EU-Regeln handelte. Das erweünschte Resultat stellte sich ein.
Und zu „hybride Waffe“ – „Weapons of Mass Migration“ von Kelly M. Greenhill, 2010.