Atomkraft wird “grün”, Belarus-Sanktionen verpuffen – und 30.000 Migranten am Kanal

Die Watchlist EUropa vom 19. November 2021 –

Deutschland und Österreich stellen sich im Streit um die Förderungswürdigkeit der Atomkraft auf eine Niederlage ein. Es gebe kaum noch Zweifel, dass die EU-Kommission die Kernkraft als „grüne“, nachhaltige Energie einstufen werde, heißt es in Brüsseler EU-Kreisen.

Damit wäre der Weg für private und staatliche Investitionen in neue Atomkraftwerke frei.

Die Entscheidung der Kommission, die in den nächsten Wochen erwartet wird, lasse sich kaum noch verhindern, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin.

Ein deutsches Veto reiche nicht aus, vielmehr werde eine Ablehnungsfront von 20 EU-Ländern benötigt. Dies sei jedoch nicht realistisch.

Ähnlich äußerte sich Österreichs Klimaministerin Leonore Gewessler. Bei einer Niederlage werde ihre Regierung vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ziehen, sagte sie in einem Interview mit dem Portal „Euractiv“.

Die Aufnahme von Nuklearenergie sei nicht kompatibel mit der europäischen Rechtsgrundlage, der sogenannten Taxonomie.

12 Staaten für die Kernkraft

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Mit der Taxonomie legt Brüssel fest, welche Technologien mit den Klimazielen der EU vereinbar und damit förderungswürdig sind. Die Entscheidung ist ein spezieller, „delegierter“ Rechtsakt, der nicht mit einem Veto verhindert werden kann.

Vielmehr ist für ein Nein eine qualifizierte Mehrheit der 27 EU-Mitglieder nötig.

Beim letzten EU-Gipfel Ende Oktober hatten sich 12 Staaten, geführt von Frankreich, für die Aufnahme in die Taxonomie ausgesprochen. Die Gruppe der Gegner umfasst dagegen nur fünf Staaten, Deutschland eingeschlossen.

Sie hält Atomkraft für viel zu riskant, zu langsam und zu teuer. Daher könne sie auch nicht nachhaltig sein.

Berlin hat nichts gegen Gas

Doch Deutschland ist – auch wegen der laufenden Koalitionsverhandlungen – in der Defensive. Frankreich möchte nicht nur Atom, sondern auch Gas als „grün“ einstufen, um Investitionen in diese „Übergangstechnologien“ zu fördern.

Beim Gas steht die Bundesregierung – anders als beim Atom – nicht auf der Bremse. Ob es wohl mit den Gaslieferungen aus Russland zusammenhängt?

Oder auch damit, dass die Erneuerbaren die Grundlast der Energieversorgung nicht absichern? So argumentieren die Franzosen, Merkel scheint es auch langsam einzusehen…

Watchlist

Was soll aus den Flüchtlingen werden, die auf “Transit” durch die EU sind? Dabei geht es nicht um auf die Migranten aus Belarus, die nach Deutschland wollen – sondern auch um Menschen aus Belgien und Frankreich, die ihr Heil in Großbritannien suchen. In diesem Jahr haben schon 30.000 Menschen die lebensgefährliche Überfahrt durch den Ärmelkanal versucht, meldet “Le Monde”, 23.000 seien angekommen. Die französischen Hilfskräfte sind mit ihren Kräften am Ende, Paris bekommt das Problem nicht in den Griff…

Was fehlt

Die Bankrott-Erklärung der EU-Sanktionen in Belarus. Trotz der Strafmaßnahmen ist der Handel zwischen Belarus und Deutschland gewachsen. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres legten die belarussischen Ausfuhren in die Bundesrepublik um fast 51 Prozent auf mehr als 603 Millionen Euro zu, meldet das Statistische Bundesamt. Auch die deutschen Exporte sind gewachsen. Außenminister Maas hatte gedroht, die Wirtschaft in Belarus abzuwürgen, bis Diktator Lukaschenko einlenkt – die Fakten sehen ganz anders aus…