Best of 2023 (10/10): Was Scholz der Ukraine versprochen hat
Im Mai 2023 haben Kanzler Scholz und Präsident Selenskyj eine “gemeinsame Erklärung” unterzeichnet. Sie binden Deutschland bis weit nach dem Krieg – die Ukraine hingegen gar nicht. Die Folgen zeigen sich heute.
Bisher war Deutschland vor allem durch EU-Beschlüsse an die Ukraine gebunden. Doch mit dem Besuch Selenskyjs in Berlin hat sich dies grundlegend geändert.
Kanzler Scholz hat nicht nur weitere Waffenlieferungen im Wert von 2,7 Mrd. Euro zugesagt. Er hat auch Versprechen gemacht, die Deutschland bis weit nach dem Krieg binden.
Hier einige Auszüge aus der “Gemeinsame(n) Erklärung der Ukraine und Deutschlands”:
- Deutschland wird die Ukraine weiterhin politisch, finanziell, humanitär und militärisch unterstützen, solange es nötig ist – sowohl einzelstaatlich als auch im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit in der Europäischen Union, G7, NATO, den Vereinten Nationen und in anderen Formaten.
- Des Weiteren hat Deutschland insgesamt mehr als 11 Milliarden Euro für 2023 und darüber hinaus vorgesehen, um die militärische Unterstützung für die Ukraine fortzusetzen.
- Die Ukraine und Deutschland sind sich einig, dass es nötig ist, unseren gemeinschaftlichen Druck auf Russland und auf diejenigen, die seine Kriegsanstrengungen unterstützen, durch weitere Sanktionen aufrechtzuerhalten und zu erhöhen, um Russlands Fähigkeit zu schwächen, seinen illegalen Angriffskrieg fortzuführen.
- Deutschland bekennt sich gemeinsam mit internationalen Organisationen sowie europäischen und internationalen Partnern dazu, sich an der wirtschaftlichen Erholung und dem Wiederaufbau der Ukraine zu beteiligen.
- Die Ukraine und Deutschland erklären ihre Bereitschaft, ihre bilateralen Wirtschaftsbeziehungen in allen Bereichen weiter zu stärken. (…) Darüber hinaus unterstützt Deutschland aktiv die Modernisierung und den Wiederaufbau der ukrainischen Energiewirtschaft einschließlich der Energieinfrastruktur durch die bilaterale Energiepartnerschaft.
Noch mehr Milliarden für den Krieg in der Ukraine, noch mehr Sanktionen gegen Russland und uneingeschränkte Hilfe beim Wiederaufbau: Scholz hat offenbar alle Bedenken beiseite geschoben. Nicht kleckern, sondern klotzen, so die Devise.
Seine Zusagen reichen in weite Ferne. Wir sprechen über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte (wenn es um den EU-Beitritt geht). Woher hat der Kanzler eigentlich das Mandat, um Deutschland so lange und so stark an ein Nicht-EU-Mitglied zu binden?
Und wieso bindet sich nur Deutschland, nicht aber die Ukraine? Der Text enthält keine einzige Verpflichtung für Kiew – dafür umso mehr für Berlin. Scholz hat es zudem versäumt, seine Versprechen an Bedingungen zu binden.
Keine diplomatische Initiative
Warum wird die Waffenhilfe nicht konditioniert? Wo steht, dass die Ukraine die deutschen Waffen nicht zweckentfremden darf – etwa für einen Angriff auf Russland? Scholz verlässt sich auf mündliche Zusagen, legt sich selbst jedoch fest.
Und er begeht den Fehler, sich auf die vage, nicht einmal fertige “ukrainische Friedensformel” als “Ausgangspunkt für weitere Beratungen” festzulegen. Damit gibt er das Heft für eigene diplomatische Initiativen endgültig aus der Hand.
Jetzt fehlen eigentlich nur noch Kampfjets – und das grüne Licht zum Nato-Beitritt. Doch selbst das wird schon vorbereitet…
Siehe auch “Erst siegen, dann verhandeln? Das glauben nur die Deutschen“. Mehr zum Krieg um die Ukraine hier
P.S. Die deutsch-ukrainische Erklärung bestätigt meine Einschätzung im “Presseclub” im Januar, dass Scholz mit der Lieferung von Kampfpanzern alle roten Linien aufgegeben hat. Er macht sich ukrainische Positionen zu eigen, ohne selbst Strategien oder Ziele zu formulieren. Damit zieht er Deutschland wie ein Schlafwandler immer tiefer in den Krieg…
Update
Dieser Beitrag wurde 2023 zu Recht am meisten gelesen. Denn er hat sich als weitsichtig erwiesen. Deutschland hat sich und die EU auf Dauer an die Ukraine gebunden, Scholz hat fast alle roten Linien beiseite geschoben, und Verhandlungen zur Beendigung des Krieges hat es keine gegeben. Nur beim Nato-Beitritt lagen wir falsch – Scholz hat ihn, gemeinsam mit US-Präsident Biden, verhindert. Gleichwohl sind auch die Beziehungen zur Nato heute enger denn je…
Arthur Dent
5. Januar 2024 @ 23:41
@KK & ebo
Psst – wenn das der Haldenw…, also der Verfassungsschutz liest, dann werdet ihr als gesichert rechtsextrem eingestuft 🙂 – wie alle Regierungskritiker. War bei Merkel schon so – alle rechts außer Mutti.
Olaf Scholzomat war aber immer schon für eine strikte Trennung von Amt und Gehirn. Deutschland ist ja auch weniger ein Land, sondern vielmehr die amerikanisierteste Provinz außerhalb der USA. Deshalb ist er immer wieder gern zu Blitzbesuchen bei Joe in Washington.
KK
5. Januar 2024 @ 16:36
“Woher hat der Kanzler eigentlich das Mandat, um Deutschland so lange und so stark an ein Nicht-EU-Mitglied zu binden?”
Aus Washington. Die haben mutmasslich seinen Terminkalender und noch mehr aus seiner Hamburger Zeit…
ebo
5. Januar 2024 @ 16:39
Es gab da auch mal eine Analyse aus dem Bundestag. Demnach ist der Kanzler qua Richtlinienkompetenz befugt, derartige Vereinbarungen zu treffen. Rechenschaft ablegen muß er nicht…
KK
5. Januar 2024 @ 17:03
Er mag befugt sein – aber wie zum Henker kommt ein deutscher Bundeskanzler bloß auf die Idee, sein Land bedingungslos den Interessen eines Drittstaates unterzuordnen?
Da gibt es für mich nur drei Erklärungsmodelle:
– er hat sich schon vorher einem anderen verpflichtet als dem deutschen Staat (strafrechtlich könnte man es dann wohl als Hochverrat auffassen)
– er wird genötigt (hatte ich oben vermutet)
– Unzurechnungsfähigkeit (wegen seiner dokumentierten Demenzanfälle immerhin nicht ausgeschlossen)
Fällt jemandem hier noch etwas anderes ein?
ebo
5. Januar 2024 @ 18:31
Es geht um Märkte und Ressourcen…
KK
5. Januar 2024 @ 19:55
@ ebo: „Es geht um Märkte und Ressourcen…“
Dann hätte Scholz sich mittels (schriftlicher – was nicht schriftlich fixierte Vereinbarungen im zwischenstaatlichen Bereich wert sind, hat Russland ja via NAhTOd-Osterweiterung schmerzlich erfahren müssen) Zusagen der Ukraine eine Option darauf sichern sollen.