Erst siegen, dann verhandeln? Das glauben nur die Deutschen
Die USA und die Nato haben grünes Licht gegeben, bald soll die vom Westen gesponserte Frühjahrs-Offensive der Ukraine gegen die russischen Besatzer starten. Wenn sie erfolgreich verlaufe, könne es auch Verhandlungen geben, heißt es. Doch die Vorbereitungen verheißen nichts Gutes.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist weiter unklar, ob die Ukraine überhaupt über die Mittel verfügt, um ihre Ziele zu erreichen. Die Nato betont zwar, sie habe alles getan, was sie tun könne – Generalsekretär Stoltenberg gab höchstpersönlich „Feuer frei“.
Doch in den USA hat man große Zweifel, wie die „Pentagon Leaks“ zeigen. Neuerdings dämpft Kiew sogar selbst die Erwartungen. „Sie sind definitiv überhöht, alle möchten den nächsten Sieg“, sagte Verteidigungsminister Resnikow.
Mittlerweile wird es schon als Erfolg gewertet, wenn es das ukrainische Militär bis vor die Tore der Krim schaffen und die russischen Versorgungslinien bedrohen würde. Dann könne man sich an den Verhandlungstisch setzen, heißt es.
Doch warum sollte man? Und wieso sollte Russland mitmachen? Sobald die Ukraine die Oberhand gewinnt, wird sie weiter voranmarschieren und den Sieg suchen wollen. Und wenn Russland um die Krim fürchten muß, wird der Krieg eskalieren.
Denn diese Region hat mit dem Hafen Sewastopol eine ähnlich strategische Bedeutung für Russland wie Pearl Harbor im 2. Weltkrieg für die USA. Hier ist die Schwarzmeerflotte stationiert, von hier aus kontrolliert Moskau das Schwarze Meer.
Dass die USA und die Nato hier 2021 große Seemanöver abhielten und die Invasion der Krim probten, war vermutlich ein wichtiger Kriegsgrund für den Kreml. Wohlgemerkt: Die westlichen Manöver kamen vor dem russischen Einmarsch!
Diverse Horror-Szenarien
Sollte die Frühjahrs-Offensive jedoch nicht reüssieren, droht ein ganz anderes Szenario: Ukrainische Angriffe auf Moskau und das russische Hinterland. Nach Medienberichten wollte Kiew diese schon im Februar führen, wurde jedoch von Washington zurückgepfiffen.
Jetzt sei nicht der richtige Zeitpunkt, hieß es. Doch wenn die Ukraine ihre militärischen Ziele verfehlt, könnten die Hardliner in Kiew kaum noch zu stoppen sein. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Mit der Offensive droht eine Eskalation.
Es sind sogar noch ganz andere Szenarien denkbar. Bei ernsten Problemen der Ukraine könnte Polen direkt in den Krieg eingreifen. Sollte Kremlchef Putin mit Atomwaffen drohen, wäre sogar ein vernichtender Schlag der Nato denkbar.
Kein Platz für Verhandlungen
Viel Raum für Verhandlungen bleibt da nicht. Wenn es diese geben sollte, so müßten sie jetzt schon genauso intensiv vorbereitet werden wie die Frühjahrsoffensive. Doch davon ist nichts zu sehen – weder in den USA, noch in der Nato oder in der EU.
Diskutiert wird bisher nur über die Frage, welche Sicherheitsgarantien man der Ukraine nach dem Ende des Krieges geben könne. Wie dieser Krieg zu beenden wäre, ist hingegen kein Thema. Selbst ein Waffenstillstand, wie ihn China fordert, ist tabu!
An die Mär von der starken Ukraine, die Russland mit Waffengewalt an den Verhandlungstisch zwingt, glaubt man offenbar nur in Deutschland. Sie wird gebraucht, um die immer größere deutsche Verstrickung in den Krieg zu rechtfertigen…
Siehe auch Pentagon Leaks: USA und Nato planen gemeinsam Offensive in Ukraine Mehr zum Krieg um die Ukraine hier
P. S. Im französischen TV (LCI) wird ernsthaft über die Eliminierung von Kremlchef Putin diskutiert – als „Lösung“ für den Krieg. Als Basis dient eine Story der „Bild“-Zeitung, die diese „Lösung“ offenbar auch propagiert…
Arthur Dent
30. April 2023 @ 15:50
Hmh, wenn die Wunderwaffe kommt..
Nee, „die Deutschen“ glauben das nicht. Vielleicht ein kleiner, elitärer Kreis glaubt daran – und da die herrschenden Gedanken oftmals die Gedanken der Herrschenden sind, soll es dem restlichen Teil glauben gemacht werden. Den meisten Menschen dürfte das Thema Ukraine mittlerweile aus den Ohren heraushängen. Medial ist das Thema doch abgefrühstückt. Sektiererische Klimakleber, Sinn und Unsinn von Wärmepumpen, Ärger über das Abschalten von Atomkraft rücken in den Fokus.
Hekla
29. April 2023 @ 11:59
Und wo is der Bundeskanzler bei diesen schönen Zukunftsperspektiven für Deutschland und Europa? Hat er sich schon in den Kanzlerbunker zurückgezogen und lässt sein Volk fröhlich in einen Krieg hineindümpeln? Ist das nicht auch aktive Delegitimierung demokratische Prinzipien, wenn ein demokratisch gewählter Staatschef, in dessen Parteiprogramm keineswegs ein Dritter Weltkrieg aufgeführt war, sein Volk nicht mal ansatzweise darüber informiert, wie weit er sein Land mit den massiven Waffenlieferungen in den Krieg inzwischen hineingezogen hat?
Wird er sein Land für die geostrategischen Interessen der USA sehenden Auges auch in einen heissen Krieg führen? Ich fürchte, ja. „Liebe Bürgerinnen und Bürger, die Bündnisverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland erfordern, dass….“. Vom Kanzlerbunker aus wird sich auch diesmal hervorragend von einem Sieg fantasieren lassen, seine Aussenministerin ist sowieso schon der Meinung, dass Atombunker zum fröhlichen Herumhüpfen da sind. Schade, dass danach niemand mehr da sein wird, den Bundeskanzler und seine Regierung für ihre grundanständige, ehrliche, verantwortungsvolle, umsichtige und den Interessen der Bürger verpflichtete Staatsführung zu bewundern.
european
29. April 2023 @ 10:25
Passend zur Überschrift dieses Blogartikels veröffentlicht Hintergrund heute einen sehr interessanten Artikel. “Die Vierte Gewalt und die Kriegsbegeisterung”
https://www.hintergrund.de/allgemein/rundschau/die-vierte-gewalt-und-die-kriegsbegeisterung/
Nach dem Aufschrei unserer Altpapiermedien über das Buch von Precht und Welzer hat Welzer nun noch einen obendrauf gelegt und statistische Belege für die Richtigkeit der Beobachtungen geliefert, die ja die meisten Bürger schon lange wahrgenommen haben. Interessanter Kernsatz: “In Deutschland hat man sich von der internationalen Perspektive verabschiedet, meinen Welzer und Keller.”
So ist es. Man lebt in seinem eigenen Kokon, schmort im eigenen Saft, hält sich für den Nabel der Welt und nimmt nur noch die Befehle von jenseits des Atlantiks an. Selbst in der EU hat man sich vom französisch-deutschen Tandem verabschiedet und überlässt das Ruder den osteuropäischen Anrainerländern, ganz vorn dem größten Nettoempfänger Polen. Die EU ist führungslos, ein überbezahltes Beschäftigungsprogramm für abgelegte Landespolitiker.
Robby
29. April 2023 @ 01:17
Ich glaube es gibt dort erst Ruhe wenn die Ukraine bedingungslos kapituliert.
Das zumindest haben die Altvorderen 1943 in Casablanca begriffen.
Warum muss man immer alles neu lernen?
KK
28. April 2023 @ 22:05
@ ebo:
Das Problem mit Anreizen für Russland wird indes sein, dass der Westen jegliches Vertrauen gegenüber Russland verspielt hat. Eine Entmilitarisierung der Ukraine müsste dauerhaft von den UN überwacht werden, und zwar von Nationen, denen Russland noch vertraut. Und gegen die die Ukraine keine Vorbehalte hätte – und die zudem stark genug wären, gegen ASOW & Co. zu bestehen, spielten die nicht mit. Davon wirds nicht viele geben, fürchte ich.
ebo
28. April 2023 @ 22:11
China käme infrage. Allerdings versuchen die USA gerade, die Chinesen zu isolieren…
Helmut Höft
29. April 2023 @ 10:02
@KK
Du schon wieder mal 😉 Vollkommen richtig: Russland schenkt dem Werteweste(R) kein Vertrauen. Völlig zu recht! Seit ’89 nur hinhalten, ignorieren, zuwiderhandeln … und – Skandal – der Putin hat’s gemerkt (deshalb muss man ihn beseitigen?, damit der Schnäuzer 2.0 wieder aus dem Grab steigt?, oder Pschigorin übernimmt?) *facepalm*
european
28. April 2023 @ 20:48
Seitdem ich Medwedew’s Worte gelesen habe, kommen mir immer mehr Zweifel, ob Russland überhaupt noch einmal mit dem Westen verhandeln wird.
http://www.russland.news/medwedews-worte-der-woche/
Auch eine Restukraine wird ein Sicherheitsrisiko für Russland bleiben. Auch dort können Raketen stationiert werden. Die Kernfrage lautet doch für Russland: Warum sollen sie dem Westen glauben?
Keine Nato-Osterweiterung? – Versprochen, gebrochen.
Minsk? Versprochen, gebrochen.
Keine Aufrüstung der Ukraine? Versprochen, gebrochen.
Nordstream? Vertragsbruch und Terrorakt gegen russisches Eigentum. Keine Aufklärung.
Deutsche Panzer gegen Russland? Was soll man dazu noch sagen?
Solange es die Ukraine gibt, wird sie aus russischer Sicht eine Bedrohung bleiben und zwar nicht unbedingt, weil sie das plant, sondern weil die Pläne, die zu diesem Desaster geführt haben, weiter bestehen bleiben. Die Neocons wird es auch weiterhin geben und deren Pläne auch. Das lese ich aus Medwedew’s Worten. Übrigens bin ich gerade über ihn sehr erstaunt, denn Medwedew erschien mir bis vor dem Krieg eigentlich immer ein eher moderater Politiker.
Warum also sollte Russland überhaupt mit dem Westen verhandeln, zumal mittlerweile die gesamte Wirtschaftslandschaft sich verändert hat. Russland kann ohne uns. Vollständig. Und Putin’s Zustimmung im Volk ist ungebrochen.
Ich wünsche mir das nicht. Aber wenn ich mir Medwedew’s Worte durchlese, habe ich große Zweifel. Vielleicht können die Chinesen Einfluss nehmen? Unsere Politnasen kann man getrost eintüten. Hat man eigentlich den Bundeskanzler mal gesehen oder steckt er immer noch mit dem Kopf im Sand?
ebo
28. April 2023 @ 21:04
Es wird nur zu Verhandlungen kommen, wenn es dazu Druck und Anreize gibt. Druck allein – wie sie der Westen mit der Frühjahrs-Offensive plant – wird nicht reichen, er erhöht sogar das Risiko einer Eskalation.
Über Anreize wird jedoch kaum geredet – und wenn, dann nur für die Ukraine: So ist die laufende Debatte über eine Sicherheitsgarantie eine Form, Kiew irgendwann an den Verhandlungstisch zu bringen.
Anreize für Russland gibt es bisher gar keine. Dabei liegt auf der Hand, wie sie aussehen müssten: Eine Demilitarisisierung der Ukraine, kein Beitritt zur Nato – und ein Ende der Wirtschaftssanktionen.
Dass man stattdessen über eine Hochrüstung der Ukraine, einen schnellen Nato-Beitritt und eine massive Ausweitung der Sanktionen nachdenkt, lässt eigentlich nur einen Schluß zu: Der Westen will keine Verhandlungen.
KK
28. April 2023 @ 19:29
„An die Mär von der starken Ukraine, die Russland mit Waffengewalt an den Verhandlungstisch zwingt, glaubt man offenbar nur in Deutschland.“
An Stärke zu glauben hat in Deutschland doch Tradition. Hat zwar in zwei Weltkriegen nichts gutes gebracht, aber aller guten Dinge sollen ja drei sein…