Vom Bargeld zum digitalen Euro

Das Bargeld ist auf dem Rückzug, immer mehr Zahlungsvorgänge werden elektronisch erledigt. Was steckt dahinter? Gibt es eine geheime Lobby des elektronischen oder gar digitalen Geldes? Und was macht die EU? – Teil 1 einer dreiteiligen Serie.

Erst kam die Glasscheibe zum Schutz der Verkäufer. Kurz danach stand an der Kasse auch das Desinfektionsmittel für die Kunden. Und eines Tages war dann das neue Kartenlesegerät da, mit dem mein Bäcker in Brüssel bezahlt werden wollte.

„Sie müssen die Karte nicht mehr einschieben, es geht jetzt auch kontaktlos“, sagte die junge Frau hinter der Theke. Das war im Juni. Seither habe ich mein Baguette nicht mehr bar bezahlt. „Sans cash“ geht es ja auch, und oft sogar schneller.

Das Bargeld ist nicht nur in Belgien auf dem Rückzug. Der Trend hat längst auch Deutschland erreicht. „Wenn Bäckereien mit dem Gedanken spielen, neuartige Bezahlvarianten einzuführen, ist jetzt ein guter Zeitpunkt“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, Daniel Schneider.

Der Trend zum elektronischen Bezahlen sei zwar schon seit Jahren spürbar gewesen, so Schneider. Doch die Corona-Pandemie habe ihn massiv verstärkt. Mit ein paar Groschen aus der Hosentasche, wie früher, wird beim Bäcker kaum noch bezahlt.

Einige Unternehmen helfen sogar noch ein wenig nach – und drängen die Kunden zum elektronischen Zahlen. Wer bei der Bäckerei-Kette Kamps auf Bares verzichtet, bekommt einen „Innovations-Rabatt“ von drei Prozent.

Die Zahlung via Karte oder Smartphone sei nicht nur schneller, sondern auch hygienischer, heißt es bei Kamps. Mit dem Rabatt wolle man allen Kunden „Danke“ sagen, die dem Unternehmen während der Corona-Krise die Treue gehalten haben.

Dabei hat Corona zunächst die Nachfrage nach Bargeld verstärkt. Im März 2020 stieg der Euro-Bargeldumlauf in Deutschland sprunghaft um 36 Milliarden Euro auf 1.344 Milliarden Euro an.

Das war der höchste monatliche Zuwachs seit der Finanzkrise im Oktober 2008. Es war eine Angstreaktion – ähnlich wie die Hamsterkäufe beim Klopapier.

Doch kaum, dass sich die Angst ein wenig gelegt hatte, stellten viele Deutsche ihr Verhalten um – und zahlten „kontaktlos“. Nicht nur Kamps half dabei nach. Auch in Supermärkten und Kaufhäusern wird der elektronische Zahlungsverkehr als sichere und schnelle „Hygiene-Maßnahme“ beworben.

Sogar die EU-Kommission in Brüssel stimmt in den Chor ein. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie praktisch das bargeldlose Zahlen sei, heißt es in der Brüsseler Behörde. Deshalb werde die EU es künftig noch mehr fördern.

Kein Beweis für Ansteckungs-Risiko bei Bargeld

Dabei gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis, dass von Münzen und Geldscheinen ein nennenswertes Ansteckungs-Risiko ausgeht. Bisher sei noch keine Übertragung durch Banknoten nachgewiesen worden, betont die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Genf.

Es ist auch nicht erwiesen, dass der Verzicht auf Bargeld das Geschäft ankurbelt. Für den selbständigen Bäcker um die Ecke und andere kleine Geschäfte ist die Umstellung sogar oft mit Einbußen verbunden. Denn die Umsätze sind niedrig, der Durchschnitts-Kunde beim Bäcker legt gerade einmal 2,60 Euro auf den Tresen.

Wenn so kleine Beträge mit der Karte gezahlt werden, ist die Provision, die der Kartenterminal-Betreiber oder die Bank verlangt (bei EC-Karten sind das meist 0,25 Prozent, bei Kreditkarten bis zu 3 Prozent), häufig höher als die Gewinn-Marge des Bäckers.

Mit anderen Worten: Es ist ein Verlustgeschäft, mit Karte lassen sich keine großen Brötchen backen.

Teil 2 steht hier. Siehe auch „Digitalisierung und Überwachung: So nutzt Brüssel die Coronakrise“