Wird die Europawahl zur Farce? (II) – Fake news made in France
Das Brexit-Theater geht in die Verlängerung – und droht nun auch die Europawahl zu überschatten. Auch der Handelskrieg mit den USA geht weiter, wenn auch als Verhandlung getarnt. Und dann sind da noch die Fake News. Diesmal kommen sie zwar aus Frankreich, doch die EU macht lieber gegen Russland mobil.
Das britische Unterhaus hat sich mit hauchdünner Mehrheit gegen einen “No Deal” beim Brexit ausgesprochen. Damit wird eine Verschiebung des EU-Austritts immer wahrscheinlicher. Der 29. März sei kaum noch zu halten, heißt es in Brüssel
Schon beim EU-Gipfel in der kommenden Woche wollen die Staats- und Regierungschefs an der Uhr drehen. Mit etwas mehr Zeit, so die Hoffnung, könne es Premierministerin Theresa May vielleicht doch noch gelingen, den Brexit-Deal zu retten. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.
Zunächst einmal müsse der Antrag auf Verlängerung aus London kommen, heißt es in Brüssel. Die Europäer wollen auf keinen Fall den Eindruck erwecken, sie spielten auf Zeit oder wollten den Brexit wegdrücken. Der schwarze Peter soll hübsch in London bleiben.
Außerdem soll die Verlängerung spätestens im Juni enden. Käme der Austritt später, so müßten die Briten noch einmal an der Europawahl Ende Mai teilnehmen – und das will niemand.
Einige Politiker formulieren aber noch weitere Bedingungen. Und da wird es tricky. Die EU sei “nicht abgeneigt”, das Austrittsdatum zu verschieben, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn.
Allerdings müsse dann auch etwas “Greifbares dahinter stehen“. Die EU erwarte eine “klare Linie, bevor wir überhaupt über eine mögliche Verlängerung entscheiden“, so Verhandlungsführer Michel Barnier.
Doch wie könnte eine „klare Linie“ aussehen? Muß sich May erneut zum – gerade gescheiterten – Austrittsvertrag bekennen? Soll sie doch noch ein zweites Referendum ausrufen, oder wären gar Neuwahlen gefordert?
Dafür bräuchte Großbritannien jedoch weitaus mehr Zeit als die nun vorgesehenen zwei oder drei Monate. Die “klare Linie”, von der die EU spricht, hat sie selbst nicht mehr. Auch Brüssel hat die Kontrolle verloren.
Von Tag zu Tag klarer wird hingegen eins: Wenn UK im April oder Mai immer noch nicht aus der EU ausgetreten ist, wird das Brexit-Theater den Europawahlkampf überschatten.
Auch die Wahl selbst könnte zur Farce geraten – wenn die Wähler nicht einmal wissen, ob sie über eine EU mit oder ohne Briten abstimmen. Ob Merkel & Co. das bewußt ist? Ob es sie überhaupt kümmert?
Siehe auch “Wird die Europawahl zur Farce?” (I)und “Jetzt wollen sie Zeit kaufen”
Watchlist
- Soll die EU in Handelsgespräche mit den USA eintreten? Darüber stimmt am Donnerstag das Europaparlament ab. Washington fordert ultimativ, auch die Agrarpolitik einzubeziehen – und droht mit Sonderzöllen auf (deutsche) Autos. Das ist die berühmte Pistole auf der Brust – eigentlich dürften die Abgeordneten in dieser Lage nicht zustimmen. Aber EVP und Liberale könnten einknicken…
Siehe auch “TTIP durch die Hintertür”
Was fehlt
- Fake News made in France. Über 100 Millionen mal seien Falschmeldungen von den “Gelbwesten” im Internet geklickt worden, heißt es in eine Studie von Avaaz. Die meisten kamen von französischen Twitter-Accounts und handelten von Polizeigewalt, Präsident Macron und angeblicher Zensur. Dennoch fordern Avaaz und das Europaparlament, die EU müsse nun noch stärker gegen Russland vorgehen…
Siehe auch “Der Kampf um die Desinformation” und “Europaparlament schwenkt auf Anti-Russland-Kurs”
Kleopatra
15. März 2019 @ 09:42
“Auch die Wahl selbst könnte zur Farce geraten – wenn die Wähler nicht einmal wissen, ob sie über eine EU mit oder ohne Briten abstimmen.”
— Die einzigen, die legitimerweise “über eine EU mit oder ohne Briten abstimmen”, sind die britischen Wähler; denn GB hat das Recht, einseitig seinen Austritt zu erklären, aber genauso auch das Recht, diese Erklärung einseitig zurückzunehmen. Und weshalb die Mitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft Großbritanniens meine politischen Präferenzen ändern sollte, kann ich nicht sehen. Außerdem stimmt man nicht über die EU ab, sondern wählt Abgeordnete.
Peter Nemschak
15. März 2019 @ 20:42
Es wäre interessant zu erfahren, ob die bei der nächsten Europawahl von den Briten entsandten Abgeordneten die derzeitige politische Spaltung im UK widerspiegeln.
Kleopatra
17. März 2019 @ 08:07
Eine politische Spaltung derart, dass die Parlamente eher an der EU-Mitgliedschaft festhalten bzw. Reformen der Verträge unterstützen als die Wählerschaft, gibt es in vielen Mitgliedstaaten. Das Problem in GB ist, dass die Spaltung bzgl. dieser Frage quer zu den Parteigrenzen läuft.
Daniel Jacob
14. März 2019 @ 12:13
Ladies and Gentlemen!
Sehen Sie hier “Fake News” bei der Arbeit:
https://deutsch.rt.com/kurzclips/85569-mit-absicht-brille-zertreten-mann/
Russische Laiendarsteller, die auf der Champs Élysées “My Fair Lady” uraufführen. Ach, es grünt so grün wenn Frankreichs Blüten blühen.
Liebesgrüße aus der “Russosphäre”,
P.S.: Wer einen differenzierten Bericht zu den Gelbwesten lesen möchte, dem empfehle ich folgenden Artikel von Telepolis: https://www.heise.de/tp/features/Gelbwesten-Naehe-und-Distanz-zu-Positionen-von-Le-Pen-4334954.html
Peter Nemschak
14. März 2019 @ 09:55
Den Handelskrieg zwischen den USA und dem Rest der Welt gab es immer, nur früher hinter verschlossenen Türen, unter Trump als öffentliches Theater. Dass die protektionistische europäische Agrarpolitik auch die Landwirtschaft in Afrika schädigt, wird gerne übersehen. Dass die Landwirtschaft in Frankreich einen relativ größere Bedeutung als in Deutschland hat, beweist, das die Interessen der beiden Länder nicht kongruent sind. Wie stark können die Briten die Mehrheitsverhältnisse im zukünftigen EU-Parlament beeinflussen? Was würde mit ihren Sitzen passieren, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt austreten?
Holly01
14. März 2019 @ 09:13
May könnte eine Doppelwahl ansetzen.
Zusammen mit der Wahl zum EU Parlament wird das Unterhaus neu gewählt.
Ihre Nachfolge kann dann mit ganz neuen Karten neu aufspielen.
Den Artikel 50 könnte man also bis etwa September 2019 aussetzen. Bis dahin sollte der Pulverrauch sich verzogen haben.
Und dann die klare Perspektive:
– Artikel 50 zurück ziehen
– Artikel 50 greift und No Deal
– Artikel 50 mit dem May-Deal
Da weiß jeder was zur Abstimmung ansteht.
vlg