Jetzt wollen sie Zeit kaufen
Nach EU-Ratspräsident Tusk haben sich auch Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Macron für einen Aufschub beim Brexit ausgesprochen. Sie wollen Zeit kaufen – doch sie verschweigen den Preis.
“Wenn Großbritannien etwas mehr Zeit braucht, dann werden wir uns dem nicht verweigern“, sagte Merkel bei einem Treffen mit Macron in Paris. Das vereinbarte Austrittsabkommen gelte aber weiter.
Dabei ist der Brexit-Deal, der in einem geheimen “Tunnel” ausgehandelt wurde und vor allem die Wünsche der EU widerspiegelt, das Hauptproblem. Vor allem gegen den “Backstop” für Irland gibt es Widerstand in London.
Ein weiteres Problem sind die Europawahlen. Wenn die Briten auch nach der Abstimmung Ende Mai noch Mitglied der EU sind, dann wissen die Wähler nicht, über welche Union sie abstimmen – die EU-27 oder die EU-28 (mit UK)?
Wenn die Verlängerung über Juni hinausgeht, dann müssen die Briten sogar neue Europaabgeordnete wählen. Die Wahl würde dann in UK zu einer Abstimmung für oder gegen die EU, für oder gegen den Brexit.
Am Ende könnten britische Abgeordnete in der neue Europaparlament einziehen, die keinen Bock auf die EU haben oder die Parlamentsarbeit hintertreiben wollen. Der Block der Bremser würde größer.
Das Ganze wäre ein Konjunkturprogramm für EU-Skeptiker und -Gegner. Vor allem die AfD könnte sich die Hände reiben. Sie macht bisher schon mit den Tories gemeinsame Sache – und droht selbst mit einem “Drexit”.
Die Verlängerung hat also einen hohen Preis. Sinn macht sie eigentlich nur, wenn man den Brexit gleich bis Ende 2020 oder unbegrenzt verlängert, wie dies Ratspräsident Tusk vorgeschlagen hat.
Denn dann könnten Brüssel und London mit den Verhandlungen über die künftigen Beziehungen beginnen. Im Idealfall käme ein Partnerschaftsabkommen heraus, das den “Backstop” überflüssig macht.
Doch Merkel und Macron wollen nur “etwas mehr Zeit” gewähren – vermutlich nur so wenig, dass die Briten nicht an der Europawahl teilnehmen müssen. Wann die Deadline wäre, sagen sie nicht.
Damit tragen sie zu noch mehr Unsicherheit bei. Es ist eben nicht nur May, die den Brexit unberechenbar macht. Mit ihrem Spiel auf Zeit setzen Berlin und Paris auch die Europawahl aufs Spiel.
Ich würde ja zu gerne wissen, was das Europaparlament dazu sagt. Doch die Abgeordneten wirken wie paralysiert…
Siehe auch “Das paralysierte Parlament” und “Wird die Europawahl zur Farce?”
WATCHLIST:
- Kommt es zum Krieg zwischen Pakistan und Indien, womöglich gar zum Atomkrieg? Nach dem Abschuss von zwei indischen Kampfflugzeugen scheint alles möglich. Die EU hat zu „äußerster Zurückhaltung“ aufgerufen. Die militärische Eskalation „hat das Potenzial, zu ernsthaften und gefährlichen Folgen für die beiden Länder und die ganze Region zu führen“, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Eine echten Hebel haben die EUropäer nicht.
WAS FEHLT:
- Das Nein aus Berlin zu einem Whistleblower-Vorstoß des Europaparlaments. Das Justizministerium von Katarina Barley (SPD) besteht bei den Verhandlungen zwischen EU-Staaten und Parlament darauf, dass sich Hinweisgeber an ein mehrstufiges Meldeverfahren halten müssen und erst im letzten Schritt an die Öffentlichkeit gehen dürfen. Das dürfte Barley weiter Stimmen kosten – schon mit ihrer Haltung zur Copyright-Reform hat sie viele SPD-Wähler verprellt.
Baer
1. März 2019 @ 12:03
Politik ist Betrug und bleibt Betrug,wie oft man ihn auch nachverhandelt.
Wieso muss UK eine Sonderstellung in der EU einnehmen( Pfund vs.Euro etc.?).
Die sollen die gleichen Massstäbe wie alle anderen Mitglieder akzeptieren,dann kann man vielleicht über weitere Verhandlungen reden.Ansonsten sollen sie gehen.
Die Tatsache ,dass Frau Me3rkel an der Zerstörung von Demokratie und Deutschland arbeitert,sollte uns Anliegen genug sein um uns zu wehren,da braucht es kein dramaturgisch vorgetragenes Brexitschauspiel.
Es gibt wahrlich wichtigeres zu tun,wollen wir in absehbarer Zeit nicht in Bürgerkriegen
untergehen.
Nebenkriegsschauplätze sind nur Ablenkung von der Unfähigkeit unserer Eliten.
Man sehe sich nur Frau v.d. Leyen und die Gorch Fock an.Die Unfähigkeit dieser Ministerin
würde in der freien Wirtschaft innerhalb von 3Tagen zur fristlosen Kündigung führen.
Eine derartige Misswirtschaft stinkt zum Himmel,von den externen Beratern im Freundeskeris gar nicht zu sprechen.
Also lassen wir das Geschwätz über Brexit. Der Kollaps der Banken sollte uns viel mehr beängstigen,denn dieser wird schlimm ins Kontor schlagen.
Die Briten haben das erkannt,deshalb wollen sie ja auch raus ,und recht haben sie.
Ich hoffe sie lassen sich nicht aufhalten.
Solveig Weise
28. Februar 2019 @ 11:34
Ganz ehrlich. Hat denn irgendeiner gedacht, dass diese Dinge einfach so, frühzeitig und elegant, in trockene Tücher gebracht werden?
Man musste schon sehr naiv sein. Es geht um viel, keine Seite will sich vorwerfen zu früh nachzugeben und dann spielt mann das alte Spiel. Verzögern, tricksen, taktieren. So läuft Politik eben.
Auch wenn ich die damalige Entscheidung der Briten verstehen konnte und dies nach wie vor kann würde ichmich freuen (naiv wie ich bin) wenn es gelingt den Brexit abzuwenden. Die Briten werden mir in der EU fehlen.
Holly01
28. Februar 2019 @ 13:20
Wenn wir unbedingt ein Land in der EU wollen, das sozial zerrissen, ethnisch fragmentiert und historisch extrem belastet ist, könne wir dann nicht den Rest vom ehemaligen Jugoslawien aufnehmen?
Die haben auch keine CoL die für 10% BIP steht und nicht so ein völlig überdehntes hedonistisches BIP ….
Lasst die doch endlich gehen, die WOLLEN NICHT ….
vlg
Peter Nemschak
28. Februar 2019 @ 18:08
Was den Rest von Jugoslawien betrifft ist eine Aufnahme nur eine Frage der Zeit. Das UK ist nicht das ethnisch fragmentierte und sozial zerrissene Land in der EU, wobei fragmentiert und zerrissen relativ sind.
Kleopatra
1. März 2019 @ 07:56
Da Großbritannien Mitglied der EU ist, ist es seine Sache, zu entscheiden, ob es weiterhin Mitglied sein will. Die übrigen EU kann nur zusehen.
ebo
1. März 2019 @ 08:13
Das ist zu simpel. Die EU kann auch den Austrittsvertrag nachverhandeln, die Politische Erklärung ändern oder andere Angebote machen. Doch sie weigert sich. Gleichzeitig senden die deutschen Parteien Liebesgrüsse nach London. Das ist kein klarer Kurs, es negiert die Wahl der Briten.
Bernd Engelking
28. Februar 2019 @ 14:57
Das kann nur jemand sagen der in der EU bleiben will, aber wohin führt das? Vielleicht bleibt die EU irgendwie, aber die €-Zone ist tot und die Bürger werden zur Kasse gebeten werden. Die Briten werden das selbst managen können und sie können es kontrollieren. Wir nicht. Wer die Bedeutung der Schuldenstände und der ganzen Finanzbranche richtig einschätzt, der wird keine Zukunft sehen können, in der es nicht für alle grundsätzliche Veränderungen geben wird. Wir hängen dann wohl weiter an der EU Diktatur fest, die uns dann die Politik besser erklären will.
Holly01
28. Februar 2019 @ 09:26
Ähm, ich mag mich ja falsch erinnern aber die Reihenfolge war doch:
Akt 1: Das UK erklärt seinen Austritt
Akt 2: Das UK aktiviert Artikel 50
Also das UK wurde aktiv. Weil ja alles so unerträglich war.
Akt 3: Diese “Verhandlungen”, die zu einem Vertrag geführt haben.
In dem Vertrag steht exakt das drin was das UK wollte. Der “backstop” ist die Summe aus 2 Vorgaben. Der Binnenmarkt muss vor Missbrauch geschützt werden. Die irische Insel soll vor einem neuen Krieg geschützt werden.
Der “irische” Krieg bzw die Gefahr ist Folge der britischen Haltung zu Irland. Natürlich in Kombination mit den Gegnern dieser Haltung auf der irischen Seite.
Das Problem gäbe es nicht, wenn man in Irland und dem UK mehr getan hätte, als einen Waffenstillstand zu verwalten.
Die EU kann die Parteien nicht aussöhnen. Das ist auch nicht ihre Aufgabe.
Akt 4: Das UK erklärt einerseits das Artikel 50 mit Austrittsdatum 29.3. gilt und das man andererseits den selbst ausgehandelten Vertrag doch nicht unterschreiben wird.
WIEDER gibt es zwischen Irland und dem UK keine erkennbaren Schritte das Problem als solches zu lösen.
Akt 5: Panik. Hamsterkäufe. Vertrauensverlust. Unkoordinierte halb gare Vorbereitungen auf den Brexit. Vorbereitungen die man über 2 Jahre NICHT getroffen hat.
Was bedeutet, ein UK Minister stellt zB ganz erstaunt fest das UK auf einer (sry zwei) Inseln liegt.
Akt 6: Ganz überraschend ist das Ergebnis desaströs. Aber die Kosten sind entstanden. Die Wirtschaft hat gehamstert. Die Wirtschaft hat sich auf die Entflechtung vorbereitet. Die Menschen warten auf den Knall am 29.3. …. aber die Politik braucht … ja was denn und wozu?
Zeit? Um was zu tun? damit May wie die Rolling Stones die definitiv letzte Tour macht? Haben sich die Vorgaben geändert?
NEIN !!!
Die EU braucht eine Zollgrenze, um den Binnenmarkt zu schützen.
Das UK will keine Zollgrenze, um den nationalen Wirtschaftsraum nicht zu teilen.
Lösung? KEINE !!
Heute keine Lösung. Morgen nicht. In 3 Monaten auch nicht.
Dann gibt es nur eine Lösung. No deal !! Dann hat die EU ihre Aussengrenze und das UK seinen Binnenmarkt. Diese Lösung sollte dann aber auch so schnell und so trocken durchgezogen werden wie möglich.
Das bedeutet über ATLAS ein paar tausend Polizisten nach Irland die da helfen (quasi die EU Blauhelme) und Verhandlungen UK – Irland über bilaterale Lösungen, wenn nötig auch mit EU Hilfe.
DAS war alles schon vor 2 Jahren so. DAS konnte nicht geändert werden. 3 Monate mehr oder weniger bringen da nichts.
Also bye bye UK. Geh schnell und komm nicht wieder …
vlg
Peter Nemschak
28. Februar 2019 @ 11:06
Langer Rede kurzer Sinn: verschieben bedeutet, sich die Chance auf den Gewinn des Verbleibs des UK in der EU zu erhalten.
Holly01
28. Februar 2019 @ 11:54
Wozu?
vlg
Peter Nemschak
28. Februar 2019 @ 14:49
Sicherheitspolitisch, wirtschaftlich, kulturell – ein Teil der Vielfalt Europas.
Holly01
1. März 2019 @ 08:18
Tja, die Dame will aber nicht. Wenn Sie die so unbedingt wollen, dann müssen Sie Geld in die Hand nehmen. Für Geld tut die Lady alles …..
Wer weiß, vielleicht können Sie ja den Brexit Rabatt als Teil der 2% NATO Vorgabe abrechnen. Sie sollten sich aber keinen Illusionen hingeben. Die Lady wird bei jeder Gelegenheit die Hand auf halten.
Das wird kein guter aber sehr teurer Sex …… die Differenz zwischen Handelsdefizit und Auslandsschulden ist jetzt schon erheblich. Das ist die CoL Magie, bei der wir seit 120 Jahren weg sehen. Wir reden hier über einen zweistelligen Mrd. Betrag pro Jahr, der zum Thatcher Rabatt on top läuft. Das UK ist nur auf dem Papier Nettozahler ….
Aber wenn Ihnen die „Sicherheitspolitisch, wirtschaftlich, kulturell – ein Teil der Vielfalt Europas“ das wert sind.
Ich wäre diese Schmierlappen viel lieber los. Eine Armlänge und so. Da weiss ich auch viel besser wo der „Gegner“ steht.
vlg
Peter Nemschak
28. Februar 2019 @ 09:19
Den meisten Wählern in der EU-27 wird es egal sein, ob die Briten bei der EU-Wahl dabei sein dürfen oder nicht. Nach wie vor ist das EU-Parlament, auch wenn die Parlamentarier es nicht gerne hören wollen, politisch zweite Geige hinter den Staatschefs, jedenfalls in der Wahrnehmung der EU-Bürger, die im EU Parlament eine Duplizierung der heimischen politischen Kräfteverhältnisse vermuten. Schließlich werden die aus der heimischen Politszene bekannten Kandidaten nach der EU-Wahl ins EU-Parlament einziehen, was diesen Eindruck verstärkt.
Kleopatra
28. Februar 2019 @ 08:26
Die Vorstellung, „Das vereinbarte Austrittsabkommen gelte aber weiter“ ist Wunschtraum. Als ratifikationsbedürftiger Vertrag gilt es ohnehin nur, wenn es auf beiden Seiten ratifiziert worden ist, und in GB ist die Ratifikation bereits überdeutlich abgelehnt worden. Die Forderung, es müsse gelten, was Regierungschefs abgesegnet haben, zeigt Merkels unverschämte Verachtung der Rechte von Parlamenten. Offenkundig ist sie eine gefährliche Feindin der parlamentarischen Demokratie.
Kleopatra
28. Februar 2019 @ 07:56
Großbritannien hat das Recht, ggf. die Austrittserklärung einseitig zurückzuziehen (nach dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge und einem EuGH-Urteil). Dann wäre ein Zustand erreicht, wo GB mit der EU ohne Zeitdruck über einen möglichen Austritt verhandeln könnte und alle Vorteile aus dieser Situation auf seiner Seite hätte. Das zu tun hat z.B. P. Collier kürzlich empfohlen. Selbstverständlich wären in dieser Situation britische EP-Abgeordnete zu wählen, und selbstverständlich hätten die Briten genauso das Recht, EU-Hasser zu wählen wie alle anderen europäischen Wähler auch. (In Frankreich war bei der letzten Wahl Le Pens FN die stärkste einzelne Liste …).
Im Verhältnis zu dieser Option, die GB nach Belieben aktivieren kann, wäre eine Verlängerung der Verhandlungsfrist noch die schonendere Variante. Und da die anderen Staaten weder das Recht haben, GB aus der EU zu werfen, noch es zum Verbleib zu zwingen – sie haben darüber überhaupt nicht zu entscheiden – ist es m.E. auch kein Problem, wenn ihre Wähler nicht wissen, ob GB in der längeren Perspektive Mitglied bleibt. Andernfalls müsste man dem jetzigen EP, dass ja nicht unter der Prämisse einer britischen Austrittserklärung gewählt worden ist, das Recht absprechen, über die ratifikation eines Austrittsantrags abzustimmen.