Das paralysierte Parlament – Orbans neue Provokation

Man kann über das britische Unterhaus sagen, was man will: Immerhin hat es Bewegung in die Brexit-Debatte gebracht. Premierministerin May bietet nun mehrere Optionen an, darunter eine Vertagung des EU-Austritts. Das Europaparlament kann da nicht mithalten.

Anders als das Unterhaus in London hat die Straßburger Kammer bisher keine Impulse gegeben, um die Brexit-Krise zu lösen. Die Europaabgeordneten haben es nicht einmal geschafft, den EU-Austrittsvertrag zu ratifizieren.

Zwar kommentieren die Parlamentarier laufend die Entwicklung in London. Gern gießen sie dabei Hohn und Spott über die Brexiters aus, vor allem Liberalen-Chef Verhofstadt tut sich dabei hervor.

Noch lieber knöpfen sie sich May oder Labour-Führer Corbyn vor. Der Tenor lautet meist: alle unfähig. Doch was sagt das EU-Parlament eigentlich zu den Provokationen von Ratspräsident Tusk?

Was halten die Abgeordneten von den EU-Plänen, den Brexit bis Ende 2020 zu verschieben? Und was sagen sie zu der Möglichkeit, dass die Briten an der Europawahl teilnehmen?

Wir wissen es nicht. Das Parlament wirkt wie paralysiert. Die Abgeordneten sind wohl damit beschäftigt, in Hinterzimmer-Deals („Trilogen“) unbeliebte EU-Gesetze wie die Copyright-Reform durchzuwinken.

Sie segnen auch neue Milliardenprogramme ab, die bis ins Jahr 2027 reichen – etwa für einen „Verteidigungsfonds“, den Grünen-Chef Bütikofer als „Konjunkturprogramm für die Rüstungsindustrie“ bezeichnet.

Doch zur Europawahl sagen sie – nichts. Dabei könnte die Wahl zur Farce werden, wenn britische Abgeordnete nach Straßburg geschickt werden, die nur eins im Sinn haben: die EU zu verlassen oder zu stören!

Dass das Europaparlament endlich aufwachen und Stellung beziehen muß fordert auch die Europäische Bewegung in Deutschland. Viel Wirkung dürfte der wohlgemeinte Appell aber nicht entfalten.

Denn in Wahrheit wollen die Abgeordneten ihren Wahlkampf erst nach der Osterpause beginnen. Sie schlafwandeln in die „Schicksalswahl“ – ganz so, als ob sie auch noch die letzten Wähler einlullen wollten…

Siehe auch „Wird die Europawahl zur Farce?“ und „Fehlstart in die Europawahl“

WATCHLIST:

  • Wer kommt auf die Watchlist der EU-Kommission? Am Mittwoch will die Brüsseler Behörde einen Zwischenbericht zum „Europäischen Semester“ herausgeben, mit dem die Finanzpolitik überwacht und koordiniert wird. Dabei könnte eine neue Rüge für Italien herausspringen – denn die Regierung in Rom hält sich kaum an die Spar- und Reform-Anweisungen aus Brüssel. Aber auch Deutschland hat die Empfehlungen der Kommission bisher nur unzureichend umgesetzt…

Siehe auch „Eurozone: Reform ohne Kompass“

WAS FEHLT:

  • Die neue Provokation von Ungarns Premier Orban. Trotz aller Appelle und Warnungen aus der CDU/CSU/EVP hat er seine Kampagne gegen die EU und ihre Einwanderungspolitik fortgesetzt. In einem Schreiben an alle Haushalte erklärte Orban, „die Brüsseler Bürokraten“ wollten „den Widerstand der Länder brechen, die gegen Einwanderung sind.“ Mal sehen, ob das reicht, um ihn und seine Partei aus der EVP zu werfen – oder will Spitzenkandidat Weber auch das wieder aussitzen?

Siehe auch „Weber muss einschreiten – oder gehen“