Eurozone: Reform ohne Kompaß

Wie geht es weiter mit dem Euro? Der EU-Finanzminister ist gestrichen, das Eurobudget wurde nach deutschen Vorstellungen gestutzt, das Europaparlament sitzt weiter am Katzentisch. Und eine „vollständige Währungsunion“ zeichnet sich auch nicht ab. Eine kritische Zwischenbilanz.

Es ist die größte Reform-Baustelle der Europäischen Union. Seit Beginn der Schuldenkrise in Griechenland ab 2009, also seit fast zehn Jahren, haben Politiker und Ökonomen immer wieder an den Regeln und Institutionen der Eurozone herumgedoktert.

Man hat neue, milliardenschwere  Rettungsschirme eingezogen und die „Economic Governance“ überarbeitet. All das hat viel Zeit und Energie gekostet.

Dennoch gilt die Währungsunion immer noch als unvollendet. Für die einen – vor allem deutsche und niederländische Ökonomen – sind die Regeln zu lax. Sie fordern mehr  Härte gegen „Defizitsünder“ und mehr Schutz vor einer „Transferunion“.

Für die anderen – allen voran Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron – fehlen wichtige Instrumente, um den Euro zu stabilisieren und zu stärken.

Ein eigenes Euro-Budget, einen eigenen Finanzminister und ein eigenes Parlament forderte Macron in seiner berühmten Sorbonne-Rede zur „Neugründung“ der EU im September 2017.

Seine Vorschläge gingen in die Reform-Agenda ein, die Ratspräsident Donald Tusk im Herbst 2017 vorgelegt hat. Bis Ende 2018, so Tusks Plan, sollte die Dauer-Baustelle der Währungsunion abgeschlossen sein. 

 

Tatsächlich haben die 19 Finanzminister der Eurozone ihre Arbeit beendet. In einer 16-stündigen Nachtsitzung, die an die schlimmsten Stunden der Eurokrise erinnerte, haben sie die wichtigsten Streitpunkte ausgeräumt und Kompromisse vorgelegt.

Doch das Ergebnis bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Man habe nur kleine Schritte gemacht, räumt selbst EU-Währungskommissar Pierre Moscovici ein.

Es wird weder einen Euro-Finanzminister geben, wie von Macron gefordert, noch einen Europäischen Währungsfonds, wie ihn die Große Koalition in Berlin versprochen hatte.

Auch die Bankenunion, an der die EU bereits seit 2012 arbeitet, bleibt weiter unvollendet. So wurde der Streit über eine gemeinsame Einlagensicherung erneut vertagt. Diesmal gibt es nicht einmal mehr einen Zeitplan.

Kontroverse Ideen wie die Arbeitslosen-Rückversicherung, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ins Gespräch gebracht hatte, oder eine Insolvenzordnung für Staaten, die liberale Ökonomen als Konsequenz aus der Griechenland-Krise gefordert haben, hatten von vornherein keine Chance.

Selbst die deutsch-französische Reformagenda von Schloß Meseberg wurde nur in Ansätzen umgesetzt.

Der kleinste gemeinsame Nenner

Was kommt, ist der kleinste gemeinsame Nenner. Dazu zählt die Aufwertung des Euro-Rettungsschirms ESM: Er wird in die Überwachung der Euroländer eingebunden und kann künftig auch vorsorgliche Finanzhilfen vergeben, um einem Land bei „asymmetrischen Schocks“ zu helfen. Außerdem bekommt der ESM eine neue Kreditlinie für Notleidende Banken. Allerdings wird dieser „Backstop“ erst 2024 fertig.

Eine unmittelbare Wirkung darf man sich von diesem „Reförmchen“ (so der grüne Finanzexperte Sven Giegold) nicht versprechen. Die kleinen und großen Änderungen werden erst in einigen Jahren in der Praxis greifen.

Wer, wie Macron, gehofft hatte, die EU werde ihre Währung ein  für allemal wetterfest machen, sieht sich getäuscht. Die größte Reform-Baustelle bleibt mühsames Stückwerk.

Doch das Hauptproblem liegt woanders. In der jahrelangen Debatte ist der Grundkonsens über den Euro brüchig geworden. Schon Deutschland und Frankreich hatten große  Mühe, sich überhaupt auf eine gemeinsame Linie zu einigen.

Am Ende stellte sich ihnen aber auch noch die neue „Hanseatische Liga“ in den Weg. Sie wurde von den Niederlanden gegründet und vereint liberale nordische Länder mit rechtskonservativen Staaten wie Österreich.

Die Uhren zurückdrehen

Diese Gruppe wollte am liebsten gar keine Reform – oder die Uhren auf die Zeit vor der Eurokrise zurückdrehen. Das ist ihr zwar nicht gelungen. Doch immerhin haben die „Hanseaten“ es geschafft, neue Finanztöpfe oder Stabilisierungs-Funktionen für den Euro bis auf Weiteres zu blockieren. Eigenverantwortung vor Umverteilung – unter diesem Motto wurde auch Macrons Eurobudget ausgebremst.

In der Eurozone steht nun nicht mehr nur Nord gegen Süd, Gläubiger gegen Schuldner, Überschuss- gegen Defizitländer. Mit der „Hanseatischen Liga“ hat sich ein neuer Player etabliert, der den Kurs der Währungsunion noch unberechenbarer macht und Reformen weiter erschwert. Deutschland versucht zwar, zwischen allen Gruppen zu vermitteln – doch ob das gelingt, bleibt abzuwarten.

Statt runderneuert und geeint wirkt die Währungsunion  erschöpft und verunsichert. Ihr fehlt ein Kompass für die Zukunft. Der Konsens, auf dem sie gründete – dass der Euro durch eine Fiskalunion und eine Politische Union stabilisiert und vollendet würde – ist verloren gegangen.

 

Das hindert die EU-Kommission jedoch nicht, schon wieder neue Visionen zu entwickeln. Behördenchef Jean-Claude Juncker hat zwei große Ziele abgesteckt: Alle 27 EU-Länder sollen dem Euro beitreten – und der Euro soll an den Weltmärkten dem Dollar das Wasser reichen.

Allerdings sind diese Ziele mit Vorsicht zu genießen. Als erstes neues Mitglied soll ausgerechnet Bulgarien an die Eurozone herangeführt werden – dabei gehört es zu den ärmsten und korruptesten EU-Ländern. Die Kommission habe aus den Fehlern bei Griechenland nichts gelernt, kritisiert der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Auch die Bundesregierung steht dem Plan skeptisch gegenüber.

Die Stärkung des Euros ist auch kein Selbstläufer. Um dem Dollar Paroli zu bieten, möchte Juncker mehr Energiegeschäfte in Euro abwickeln. Doch gleichzeitig will die EU-Kommission einen der wichtigsten Kunden – Russland – zurückdrängen. Das passt schlecht zusammen. Auch die Zusage an US-Präsident Donald Trump, mehr Flüssiggas aus Amerika abzunehmen, konterkariert Junckers Ziel.

Am Ende des Tages ist es ohnehin nicht die Brüsseler Behörde, die über die internationale Rolle der europäischen Gemeinschaftswährung entscheidet. Das letzte Wort werden die Finanzmärkte haben. Und dort ist der Dollar immer noch unbestritten Nummer eins. 

[bctt tweet=“Statt runderneuert und geeint wirkt die Währungsunion  erschöpft und verunsichert. Ihr fehlt ein Kompass für die Zukunft.“ username=“lostineu“]