Übernehmen jetzt die Hanseaten das Ruder?

Am Anfang ging es M. Rutte und seiner “Hanseatischen Liga” darum, Macron und Merkel auszubremsen. Der Niederländer fürchtete ein neues deutsch-französisches Direktorat. Doch nun geht er auf Konfrontationskurs mit Brüssel.

Dies zeigt ein Papier, das auf der Website der niederländischen Regierung veröffentlicht wurde. Unter der schlichten Headline “ESM-Reform” sagen die stockkonservativen Hanseaten der EU-Kommission den Kampf an.

Sie fordern, die Machtbefugnisse des in keinem EU-Vertrag vorgesehenen und demokratisch kaum kontrollierten Euro-Rettungsschirms ESM auszuweiten. Der ESM soll künftig eigene Schulden-Analysen durchführen.

Dies würde die Kommission entmachten, die vom EU-Vertrag bisher allein mit dieser Aufgabe betraut war. Gleichzeitig wollen Rutte & Co. die Konditionalität für Hilfskredite verschärfen und die Bankenunion weiter hinauszögern.

All dies erinnert an Ex-Finanzminister Schäuble, der schon 2017 ganz ähnliche Pläne geschmiedet hat. Es erinnert auch an seinen kurzzeitigen Nachfolger Altmaier, der offen Sympathien für Ruttes Pläne hegte.

Für SPD-Finanzminister Scholz hingegen ist ein Problem. Denn selbst wenn er wollte, kann er nun kaum noch Reformen mit seinem französischen Amtskollegen Le Maire durchbringen. Die Hanseaten sind dagegen.

Letztlich wollen sie nicht nur die EU-Kommission entmachten, sondern auch die im EU-Vertrag verankerte No-Bail-out-Klausel durchsetzen – also eine Neuauflage der Eurorettung à la Griechenland verhindern.

Wenn Italien scheitert, scheitert auch Frankreich

Ihr Vorstoß richtet sich damit in letzter Konsequenz gegen den neuen Wackelkandidaten Italien. Ob die selbst ernannten Stabilitätshüter ahnen, dass sie damit die Axt an den Euro anlegen?

Denn wenn Italien scheitert, dann scheitert auch Frankreich. Und danach ist kein Halten mehr. Auf dem Höhepunkt der Eurokrise 2010-12 hat man das noch verstanden – und Italien aus der Schusslinie genommen.

Heute hingegen setzen die Hanseaten, aber auch die Deutschen, unverhohlen auf “die Märkte”, die Italien “abstrafen” sollen. Auf Hilfe vom ESM soll Rom nicht mehr hoffen dürfen, nicht mal vorsorglich.

Wollen die Hanseaten die Eurogruppe übernehmen?

Demgegenüber hatte Macron Reformen vorgeschlagen, die den Euro zu einer “vollständigen” Währungsunion weiterentwickeln würden – mit eigenen Budget, eigenem Finanzminister und eigenem Parlament.

Dies hätte den Euro vor “externen Schocks” und Marktturbulenzen abgesichert. Zudem hätte es Entscheidungen demokratischer gemacht. All das haben die Hanseaten verhindert – gemeinsam mit Kanzlerin Merkel, die Macron ausbremste.

Nun versuchen sie auch noch, die Uhren in der Eurozone zurückzudrehen – auf die Zeit vor 2009 und der Eurokrise. Ob sie sich durchsetzen, hängt letztlich allein von Merkel ab – oder ihrem Nachfolger…