Top secret: Wie der Brexit-Deal zustande kam
Noch nie sei ein internationales Abkommen so transparent ausgehandelt worden wie der Brexit-Vertrag, behauptet EU-Verhandlungsführer Barnier. Doch die Wahrheit sieht anders aus. Es gab Geheimgespräche im “Tunnel” – sogar Brexit-Minister Raab wurde hinters Licht geführt.
Das berichtet der “Guardian” – und er liefert auch Details. Nach dem Clash beim EU-Gipfel in Salzburg, den Premierministerin May wutentbrannt verließ, wurde ein geheimer Verhandlungskanal aufgebaut.
Die Führung lag – wie so oft – bei einer Deutschen: Barniers Stellvertreterin S. Weyand. Sie hatte die Aufgabe, auf “technischer Ebene” neue Möglichkeiten für einen Deal zu prüfen – also im Geheimen.
Im Vordergrund stand dabei, wen wundert’s, der “Backstop” für die künftige Grenze zwischen dem EU-Land Irland und dem britischen Nordirland. Weyand kam den Briten dabei ein Stück weit entgegen.
Doch die Zollunion, die nun vorgesehen ist, stürzte die Verhandlungen im “Tunnel” in die Krise. Kurz vor dem letzten EU-Gipfel im Oktober brach alles zusammen, als Brexit-Minister Raab die Ergebnisse verwarf.
Bei der nun gefundenen Lösung wurde er offenbar übergangen – kein Wunder also, dass er seinen Rücktritt eingereicht hat. Es bleibt ein Geheim-Deal, der hinter dem Rücken der Bürger in EUropa und UK ausgehandelt wurde.
Mich erinnert das an die Verhandlungen zwischen Griechenland und der EU 2015. Damals wurde Ex-Finanzminister Varoufakis ausgebootet – mit Geheimgesprächen zwischen Premier Tsipras und Kanzlerin Merkel.
Transparent war das nicht, und auch damals gab es einen Rücktritt – Varoufakis ging. Zudem wurden die EU-Auflagen von der Mehrheit der Griechen abgelehnt, in einem umstrittenen Referendum.
Merkel hat den Geheimdeal trotzdem durchgedrückt – wird es diesmal genauso laufen?
Siehe auch Varoufakis vs. Schäuble – revisited
P.S. Der abgetretene Brexit-Minister Raab sagt in der “Sunday Times”, er sei tagelang im Unklaren gehalten worden, was den besonders umstrittenen “Backstop” betrifft. Zudem beschuldigt er den Generalsekretär der EU-Kommission, Selmayr, UK für den Brexit bestrafen und Nordirland ablösen zu wollen. “I don’t think we should by bullied by anyone”, wird Raab zitiert.
Baer
16. November 2018 @ 08:00
Tja, wenn das Ei klüger ist als die Henne.
Viele Theoretiker und wenige Experten,wie so oft im Leben.
Andrew Watt
15. November 2018 @ 15:57
Genau, Peter Nemschak. Ärgerliche Stimmungsmache, wieder mal von Eric B. Barniers Mandat wurde veröffentlicht, und mehr soll man auch nicht erwarten. Die EU Seite hat sehr professionell verhandelt, in einer Sache, die gar nicht von ihrer Seite ausging. Aber nein: mangelnder Transparenz! Seufz
ebo
15. November 2018 @ 16:12
Lieber Kollege Watt, im Unterschied zu Ihnen lese ich nicht nur die Presse, sondern verfolge auch vor Ort die Brexit-Verhandlungen. Seit dem Oktober-Gipfel war die Transparenz gleich Null. Das öffentliche Mandat hilft da gar nicht – denn dieses Mandat wurde stillschweigend neu ausgelegt, wie der Guardian berichtet. Die Öffentlichkeit wurde davon nicht informiert, die mehr als 1000 EU-Korrespondenten in Brüssel auch nicht.
Peter Nemschak
15. November 2018 @ 22:06
Man muss die BREXIT-Diskussion nüchtern betrachten ohne irgendeine Vorliebe für eine bestimmte Lösung. Faktum ist: die Mehrheit der Briten hat für den BREXIT gestimmt, damit auch das Risiko in Kauf genommen, dass es zu einem ungeordneten BREXIT kommt. Wichtig ist, dass die Bürger die materiellen und ideellen Folgen ihrer Entscheidung tragen müssen sonst wird die Demokratie zur Farce. Eine Demokratie setzt mündige und entscheidungsfähige Bürger voraus. Diese Prinzip und seine Folgen sollten alle politischen Kräfte akzeptieren.
Peter Nemschak
15. November 2018 @ 13:52
Es ist unrealistisch und kontraproduktiv alles und jedes in der Öffentlichkeit breit zu treten. Das gilt sowohl für Unternehmen wie für Staaten. Über das Ergebnis kann man abstimmen, sei es in der Hauptversammlung oder in demokratisch gewählten Parlamenten samt Volksabstimmung, wenn es um wesentliche Veränderungen geht. Das reicht doch wohl zur Befriedigung demokratischer Bedürfnisse.