Industriepolitik: Vom Tabu zum Zankapfel
Noch vor ein paar Jahren war das Wort “Industriepolitik” in Deutschland tabu. Wer es in den Mund nahm, galt als (französischer) Protektionist. Nun hat Kanzlerin Merkel das Tabu gebrochen – zusammen mit Präsident Macron will sie aktiv werden. Doch es gibt Widerstand.
Macron und Merkel fordern neuerdings, dass die EU “europäische Champions” fördern und das Wettbewerbsrecht lockern soll. Die verbotene Fusion Siemens-Alstom ist beiden ein Dorn im Auge.
Doch die EU-Kommission wehrt sich. Die Fusion würde den Wettbewerb verzerren, sagt EU-Kommissarin Vestager. Das Argument, China werde von dem Verbot profitieren, ziehe nicht.
Widerstand kommt jetzt auch aus anderen EU-Staaten. Vor allem im Baltikum, aber auch in Benelux, regt sich Widerstand gegen die deutsch-französische “Achse”. Die kleinen Staaten fürchten, den Kürzeren zu ziehen.
Die Niederlande haben Macron sogar eins ausgewischt. Den Haag hat einen 12-Prozent-Anteil am Flugkonzern Air France-KLM erworben. Die liberalen Niederlande schlagen Frankreich mit den eigenen Mitteln: Verstaatlichung!
Das zeigt, wie vertrackt der Streit um die europäische Industriepolitik ist. Hier werden legitime Interessen mit Protektionsmus und Geopolitik vermischt, wie die ständigen Warnungen vor China zeigen.
Deshalb ist die Einigung zwischen Merkel und Macron mit Vorsicht zu genießen. Die Industriepolitik mag kein Tabu mehr sein – doch sie bleibt ein Zankapfel.
Siehe auch “Industriepolitik? So nicht!”
Holly01
27. Februar 2019 @ 18:40
Es gibt 4? Ebenen.
– Geldwesen: zyklisch im Endstadium
– Ökonomie: Überproduktion, Ressourcenkrise
– Ökologie: rapider Verlust, akute Zerstörung
– Klimawandel: Klimakrieg
Keine einzige dieser Krisen ist eine europäische, aber alle bedrohen die verschiedenen Gesellschaften und Bündnisse, aus denen die EU, NATO, OECD, UN usw usf zusammengesetzt sind.
Und alle Institutionen sind bedroht, was im Umkehrschluss den Hegemon bedroht.
Die Konstante besteht im radikalen Umbruch. Alle wollen erhalten oder generisch wachsen, aber alle werden verlieren.
Popcorn?
vlg
Peter Nemschak
27. Februar 2019 @ 17:59
Bevor sich die EU übereilt Fesseln auferlegt soll sie einen Blick auf das werfen, was in nächster Zeit zwischen den USA und China vereinbart wird. Schließlich wird auch das zukünftige Verhältnis der drei Blöcke von allen drei anerkannten Prinzipien entsprechen müssen.
ebo
27. Februar 2019 @ 18:03
Jetzt bin ich aber enttäuscht. Ich dachte, Sie würden die Teil-Verstaatlichung von KLM verurteilen. Und das von den liberalen Niederländern, die Sie doch so schätzen
Peter Nemschak
27. Februar 2019 @ 18:58
Ich denke global, pragmatisch und nicht dogmatisch. Wir brauchen einen neuen Wettbewerbsrahmen (level playing field) für die Weltwirtschaft, nachdem die WTO so gut wie tot ist. Wahrscheinlich gibt es schon diesbezügliche Verhandlungen zwischen der EU, Japan, China und den USA. Sie sollten sich, wenn Sie Orientierung benötigen, an das Institut für Weltwirtschaft in Kiel wenden.
Solveig Weise
28. Februar 2019 @ 11:45
Die Niederlande halten jetzt in etwa den gleichen Anteil wie die Franzosen.
Wo ist das Problem?
Holly01
27. Februar 2019 @ 23:53
https://www.nytimes.com/2019/02/27/business/china-auto-industry.html?action=click&module=News&pgtype=Homepage
Die privaten Investitionen der US Autoindustrie in China tragen reife Früchte ….
vlg