Unmut über die USA, Breitseite gegen Russland – und Leiden in der Ukraine
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? In der EU wächst der Unmut über die USA und ihre “America first”-Politik. Das Europaparlament schießt eine Breitseite gegen Russland. Und in der Ukraine leiden die Menschen; es droht der schlimmste Winter seit dem 2. Weltkrieg.
Der Unmut über die unfaire Wirtschafts(kriegs)politik der USA wächst. Sowohl die EU-Kommission als auch die tschechische EU-Ratspräsidentschaft warnten am Freitag davor, dass beide Seiten in einem Subventions-Wettlauf nur verlieren könnten.
“Ein Subventionsrennen ist ein sehr gefährliches Spiel”, sagte der tschechische Handelsminister Jozef Sikela nach einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen. In der Regel sitze der Gewinner dann auf einem anderen Kontinent – gemeint ist China.
Allerdings überziehen die Amerikaner nun auch die Chinesen mit einseitigen Maßnahmen. Jetzt soll sogar der Verkauf von Huawei-Handys verboten werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser Wirtschaftskrieg auch auf EUropa überschwappt.
Beides – einseitige Sanktionen und unfaire Subventionen – macht den Europäern zu schaffen. Die USA seien die eigentlichen Gewinner des Krieges in der Ukraine, klagen EU-Diplomaten. Von Gegenwehr haben wir allerdings noch nichts gesehen…
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…im Gegenteil, die EU plant schon die nächsten Sanktionen gegen Russland. Auch sie dürften wieder auf die europäische Wirtschaft zurückschlagen – genau wie das Ölembargo, das ab Anfang Dezember greifen soll. Es wird die Preise treiben.
Kremlchef Wladimir Putin hat sogar damit gedroht, den EUropäern den Ölhahn abzudrehen, wenn sie neue Sanktionen verhängen. Das könnte zu Versorgungsengpässen führen, vor allem in Deutschland.
Moskau hat auch eine Entschließung des Europaparlaments verurteilt, in der Russland wegen seiner Militäraktionen in der Ukraine als ein “dem Terrorismus Vorschub leistender Staat” eingestuft wird.
Die Entschließung habe “nichts zu tun mit der tatsächlichen Situation im Kampf gegen internationalen Terrorismus”, erklärte das russische Außenministerium. Die “unfreundliche Aktion” sei “Teil einer politischen Informationskampagne des Westens”.
“Extreme Not”
Derweil geht das Leiden der Ukraine weiter. Bei russischen Angriffen auf die kritische Infrastruktur sind nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) seit Oktober mindestens 77 Zivilisten getötet worden.
“Millionen von Menschen werden durch diese Angriffe in extreme Not und entsetzliche Lebensbedingungen gestürzt”, sagt Volker Turk, der oberste UN-Menschenrechtsbeauftragte.
Der Ukraine droht nun der härteste Winter seit dem 2. Weltkrieg. Nur eine Waffenruhe könnte die Lage entspannen. Doch Präsident Selenskyj lehnt Gespräche ab – er setzt auf Durchhalteparolen…
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european
27. November 2022 @ 12:57
Gerade habe ich auf German-Foreign-Policy gelesen, dass wir den Russen nun auch die „Breitseite“ in Mali geben, indem wir die erfolglose Mission dort bis 2024 verlängern. Unsere Außenministerin hat das beschlossen. Ganz im Sinne des erfolglosen Afghanistan-Einsatzes, wo wir ja auch die deutsche Freiheit am Hindukusch verteidigt haben.
https://www.german-foreign-policy.com/en/news/detail/9093
„Foreign Minister Annalena Baerbock and Defense Minister Christine Lambrecht have agreed on this measure. Whereas Lambrecht had initially pleaded for terminating the mission at the end of its current mandate – May 2023 – Baerbock insisted on an extension, for reasons that have nothing to do Malian interests. Russia’s influence in the Sahel must be repelled, declared the foreign minister, and besides, a German participation in a UN mission in Mali is advantageous for applying for a renewed seat on the UN Security Council.“
Tja. Wir brauchen diesen Einsatz in Mali, sonst dürfen wir im UN Security Council nicht mitspielen. Und in Niger sind wir auch schon unterwegs. Präsenz zeigen. Versteht sich.
WBD-dreineunundneunzig
27. November 2022 @ 10:25
Zitat: Die Entschließung habe “nichts zu tun mit der tatsächlichen Situation im Kampf gegen internationalen Terrorismus”, erklärte das russische Außenministerium. Die “unfreundliche Aktion” sei “Teil einer politischen Informationskampagne des Westens”.
Gehe ich Recht in der Annahme, daß es eigentlich ‚politische DESinformationskampagne des Westens‘ heissen sollte? Halte ich für naheliegender – Desinformation ist ja der heisse Scheiss heutzutage…
Stef
26. November 2022 @ 17:39
Sind Angriffe auf Kindergärten in Donetsk, auf Nordstream, auf AKW Saporischja oder die Kertsch-Brücke keine Angriffe auf kritische Infrastrukturen? Oder waren das immer die Russen selbst, die ihre Infrastrukturen angegriffen haben?
Doppelstandards in den Mainstreammedien und der Politik halten den Krieg am Laufen.
KK
26. November 2022 @ 17:36
“Moskau hat auch eine Entschließung des Europaparlaments verurteilt, in der Russland wegen seiner Militäraktionen in der Ukraine als ein “dem Terrorismus Vorschub leistender Staat” eingestuft wird. ”
Interessant dazu auch diese Aussage des ehemaligen Pentagon-Beraters Colonel Doug Macgregor in einem Interview (Auszug):
“Also sollten wir eines verstehen: die Russen haben nicht absichtlich Zivilisten als Ziel ausgewählt – umgekehrt jedoch gibt es eine Menge Beweise, dass der amerikanische HIMARS-Raketenwerfer von den Ukrainern wissentlich zum Angriff auf Zivilisten in Donezk, Luhansk, der Krim und anderen Orten eingesetzt wurde. [4]
Darüber redet keiner, weil ja die Ukraine immer makellos, demokratisch und perfekt ist, und Russland böse, autoritär und fürchterlich. Aber in Wahrheit bietet die ukrainische Seite keinen schönen Anblick. Bei den Russen hat man sich bisher recht genau an Ziele von militärischem Wert gehalten. Wie es aber in Zukunft sein wird, weiß ich nicht.
…
Ich finde, wir [die USA/NATO, KK] haben es damals im Kosovokrieg übertrieben. Ich glaube nicht, dass die Russen diesen Punkt schon erreicht haben. Aber ich glaube, wenn die großen Offensiven beginnen, werden sie alles vernichten, was Widerstand leisten könnte. Sie werden es nicht darauf ankommen lassen.”
[Quelle: https://www.nachdenkseiten.de/?p=90830%5D
Und das machen alle in einem Krieg so, den sie nicht verlieren wollen. Allen voran die USA.
Das ganze Interview zu lesen lohnt sich.
WBD-dreineunundneunzig
27. November 2022 @ 11:00
Vielen Dank für den link zu dem Artikel auf den Nachdenkseiten – diese brutale Ehrlichkeit überrascht!
Dieses Interview sollte wirklich JEDE/R lesen… !!