Ist Russland ein Terror-Staat, darf Schottland abstimmen – und wo bleiben die Frauen?

Die Watchlist EUropa vom 23. November 2022. – Heute mit einer Resolution des Europaparlaments zum “Terrorstaat” Russland, der harten Linie von Parlamentspräsidentin Metsola, dem Ringen um die Unabhängigkeit Schottlands – und der späten Frauenquote in Aufsichtsräten.

Die Europäische Union soll Russland zum „Terrorstaat“ erklären und die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Rechenschaft ziehen. Dies fordert das Europaparlament in einer – rechtlich unverbindlichen – Entschließung, über die die Abgeordneten am Mittwoch in Straßburg abstimmen wollen. Die Annahme gilt als sicher.

Russland sei ein „staatlicher Sponsor von Terrorismus“ und ein “Staat, der sich terroristischer Mittel bedient“, heißt es in der Resolution, die keine Gesetzeskraft hat. Sie wurde von der konservativen EVP-Fraktion, der liberalen „Renew“ und der rechtskonservativen, Polen nahestehenden ECR-Gruppe gemeinsam eingebracht.

CDU-Politiker wie David McAllister waren an der Vorlage ebenso beteiligt wie die FDP-Abgeordnete Nicola Beer. Grüne und Sozialdemokraten brachten Änderungsanträge ein. Bei einer Vorbereitungssitzung im Oktober wies nur die irische Linken-Abgeordnete Claire Daly den Entwurf ab. Die rechtsradikale ID-Fraktion wurde gar nicht erst gefragt.

Bis zuletzt war umstritten, ob Russland als „staatlicher Sponsor von Terror“ bezeichnet werden kann. Einige Abgeordnete wollten diesen Begriff streichen. Über die generelle Stoßrichtung waren sich die großen Fraktionen jedoch einig. Die russischen Attacken auf Stromtrassen und Kraftwerke seien Terror gegen die Zivilbevölkerung.

Selenskyjs Wunsch

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Mit ihrer Entschließung folgen die EU-Abgeordneten einem Wunsch der Regierung in Kiew. Bereits Anfang Oktober hatte Vladyslav Vlasiuk, Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, die EU aufgefordert, Russland zum Terrorstaat zu erklären. So könne die Wirkung der westlichen Wirtschaftssanktionen verstärkt werden, hieß es in Kiew.

Das EU-Parlament folgt Selenskyj nun, allerdings mit einer anderen Begründung. Es gehe darum, Kremlchef Wladimir Putin und sein Regime zur Rechenschaft zu ziehen. Die Ermittlungen zu russischen Kriegsverbrechen müssten ausgeweitet werden, heißt es in dem Text. Die EU soll sich auch für eine „Gender-Perspektive“ stark machen, um Sexualverbrechen aufzuklären und zu ahnden.

Allerdings ist die Entschließung rechtlich nicht bindend. Ihr kommt vor allem symbolische Bedeutung bei, nicht einmal die EU-Kommission oder der Ministerrat müssen Folge leisten. Im Rat, der der Mitgliedsländer vertritt, haben sich bisher nur Polen und die baltischen Staaten dafür ausgesprochen, Russland als Terrorstaat zu brandmarken.

Metsolas Treue

Für die Zurückhaltung gibt es gute Gründe. Wer seinen Gegner als Terrorist bezeichnet, kann sich mit ihm nicht mehr an einen Verhandlungstisch setzen. Eine offizielle Verurteilung als „Terrorstaat“ durch die EU würde es auch Kanzler Olaf Scholz oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unmöglich machen, den Draht zu Putin zu halten.

Parlamentspräsidentin Roberta Metsola nimmt jedoch keine diplomatischen Rücksichten. Die im Januar neue gewählte konservative Chefin der Straßburger Kammer hat sich als Hardlinerin profiliert. Als erste hochrangige EU-Politikerin war Metsola schon im April nach Kiew gereist; seitdem schwört sie die EU-Abgeordneten auf Treue zur Ukraine ein.

Watchlist

Darf Schottland noch einmal über die Unabhängigkeit abstimmen lassen? Das britische Oberste Gericht muss über die Frage entscheiden, ob das schottische Regionalparlament eine Volksabstimmung ansetzen darf. Die britische Zentralregierung bestreitet dies.

Was fehlt

Frauen in Aufsichtsräten. Nach zehnjährigm Ringen hat das Europaparlament grünes Licht für eine Frauenquote eingeführt. Bis Ende 2026 sollen Frauen 40 Prozent der Aufsichtsräte ausmachen. Der Vorschlag für die Richtlinie war schon 2012 vorgelegt worden. Deutschland stand jedoch auf der Bremse.