The Good, the Bad and the Ugly (I) – Junckers Bilanz

Die Legislaturperiode ist zu Ende, nun beginnt die “heiße” Phase des Europa-Wahlkampfs. Zeit für eine Bilanz: Was hat Junckers “Kommission der letzten Chance” geschafft, was bleibt zu tun – und wo tun sich neue Brüche und Krisen auf? – Teil 1 einer mehrteiligen Serie.

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Zum Abschied wurde Jean-Claude Juncker noch einmal richtig emotional. “Europa muss man lieben. Wenn man es nicht liebt, ist man zur Liebe nicht fähig“, rief der scheidende Chef der EU-Kommission bei der letzten Plenarsitzung des Europaparlaments vor der Europawahl Ende Mai aus. „Ich liebe Europa, es lebe Europa!“

Seine Liebeserklärung verband Juncker, der voraussichtlich im November seinen Sessel im Brüsseler Berlaymont-Gebäude räumt, mit einer auf den ersten Blick  makellosen Erfolgsbilanz.

Nicht weniger als 350 Vorschläge seiner Behörde seien umgesetzt worden, betonte der Luxemburger. Dazu zählten wichtige Verbesserungen für die Bürger wie das kostenfreie Roaming beim Mobilfunk im EU-Ausland.

Auch auf das nach seiner Wahl 2014 aufgelegte neue Investitionsprogramm ist Juncker stolz. Seit 2015 seien durch den „Juncker-Plan“ zusätzliche Investitionen im Wert von 335 Milliarden Euro ausgelöst und 775.000 neue Jobs geschaffen worden, bilanziert die EU-Kommission. Von 2021 bis 2027 sollen weitere 650 Milliarden Euro hinzukommen.

Die Eurokrise sei überwunden, Europa wieder auf Wachstumskurs, so die frohe Botschaft aus Brüssel. Fast könnte man meinen, Junckers „Kommission der letzten Chance“ habe ihre Mission erfüllt.

Doch ausgerechnet jetzt, kurz vor der Europawahl, trüben sich die Konjunkturaussichten bedrohlich ein, vor allem Deutschland schwächelt.

In Italien, das Ende 2018 in die Rezession abgerutscht ist, droht sogar schon die nächste Krise. Die EU-Kommission hat der populistischen Regierung in Rom zwar einige Kürzungen auferlegt.

Doch der Streit um den italienischen Schuldenberg ist nur vertagt; kurz nach der Europawahl wird Brüssel sich damit wieder herumschlagen müssen.

Und das ist nicht die einzige „Baustelle“, die Juncker hinterlässt. Sein Abschied vom Europaparlament wird auch von anderen Konflikten überschattet. Ganz oben steht der drohende Handelskrieg mit den USA.

Gerade erst hat die EU-Kommission mögliche Vergeltungs-Maßnahmen in Höhe von 20 Milliarden Euro angekündigt – wegen des Streits um Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing.

Ungelöst ist auch der Streit um den Umgang mit den US-Internetkonzernen Google, Apple, Facebook und Amazon.

Die EU-Kommission brachte zwar einen Entwurf für eine Internet-Steuer ein, doch Deutschland und andere EU-Länder stellten sich quer. Nun droht ein Flickenteppich – Frankreich und Österreich haben eigene Steuern eingeführt.

Selbst die Urheberrechts-Reform, die Juncker und der ursprünglich federführende deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) als Erfolg verkaufen, ist noch nicht in trockenen Tüchern. Die Novelle hat tiefe Wunden im Europaparlament hinterlassen und sogar den Ministerrat gespalten.

Deutscher Sonderweg

Die EU-Staaten haben nun zwei Jahre Zeit zur Umsetzung. Dabei zeichnet sich schon jetzt ein deutscher Sonderweg ab, etwa bei Start-Ups und Uploadfiltern.

Zu verdanken haben wir dies übrigens zwei Deutschen: EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU), der die umstrittene Reform auf den Weg gebracht hat – und Manfred Weber (CSU), der sie durchs Parlament brachte.

Bisher war Weber nämlich Chef der größten Fraktion, der konservativen Europäischen Volkspartei. Nun tritt er als Spitzenkandidat bei der Europawahl an – und verspricht, alles besser zu machen als Juncker…

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