Putin, Macron und die Gefahr des Atomkriegs

Wer ist Wladimir Putin, wie weit wird er in der Ukraine gehen? Ein ehemaliger KGB-Agent und Weggefährte Putins zeichnet das Porträt eines skrupellosen Politikers, der sogar den Atomkrieg auslösen könnte.

Er ist der gefährlichste Mann der Welt und kann jederzeit den Atomkrieg auslösen: So beschreibt Sergej Jirnov den russischen Zaren Wladimir Putin in seinem Buch „L’Engrenage“, das es in Frankreich auf Platz drei der Bestseller-Liste Sachbuch gebracht hat.

Jirnov, ehemaliger KGB-Agent wie Putin, liefert spannende Einsichten aus dem Innenleben des russischen Machtapparats, versucht sich aber auch an Analysen der französischen und europäischen Russland-Politik. Leider fallen diese nicht sehr überzeugend aus.

Wenn Präsident Emmanuel Macron, der „kleine Bourgeois“, dem „Gauner aus Leningrad“ gegenübergestellt wird, kann natürlich nur der gerissene Gauner gewinnen. Und wenn Macron mit Putin spricht, kann dabei natürlich nichts herauskommen.

„Man kann nicht mit Putin reden“, ist Jirnovs allzu leichtfüssiges Fazit der Last-Minute-Gespräche kurz vor Kriegsbeginn. Auch die EU lasse sich von Putin vorführen, die Sanktionen kämen zu spät und seien zu lasch. Alternativen formuliert Jironv jedoch nicht.

Soll man den Gesprächsfaden endgültig abreißen lassen und ein totales Energieembargo gegen Russland verhängen? Oder müsste man nicht vielmehr versuchen, den Krieg zu beenden, bevor es zu spät ist – und Putin den „roten Knopf“ für den Atomkrieg drückt?

Jirnov geht auf diese Fragen nicht ein, er lässt den Leser ratlos zurück. Am Ende vergleicht er Putin nicht nur mit Hitler, sondern sogar mit Terroristen und Selbstmord-Attentätern vom Schlage des IS. Damit entwertet er viele, durchaus lesenswerte Schilderungen.

Was folgt aus alldem? Eine große, kaum einzudämmende Gefahr. “Putin könnte auf den Atomknopf drücken, nur um in die Geschichte einzugehen”, sagte Jirnov in einem seiner zahlreichen Interviews in Frankreich. Europa stehe am Abgrund des 3. Weltkriegs.

Wenn das stimmt, dann wäre es ein schwerer Fehler, den russischen Zaren in die Enge zu treiben. Gerade weil er unberechenbar ist, müsste man ihm eine “porte de sortie” öffnen, wie man in Frankreich sagt, also einen halbwegs gangbaren Ausweg lassen.

Letzte Hoffnung: Diskrete Unterhändler

Das ist es wohl auch, was Präsident Macron meint, wenn er sagt, man dürfe Putin nicht demütigen. Macron will ihn damit nicht aufwerten und auch kein Appeasement betreiben – aber darauf hinweisen, dass Waffenlieferungen allein keine Antwort sein können.

Verhandlungen auf dem diplomatischen Parkett bieten sich aber auch nicht an, Jirnov hält auch von den bisher üblichen Telefonaten wenig. Bleibt zu hoffen, dass Macron, vielleicht auch Kanzler Scholz, versuchen, über diskrete Unterhändler einen Ausweg zu suchen.

Dass Gespräche durchaus zum Erfolg führen können, haben die Verhandlungen über die Getreidekrise gezeigt, die die Türkei vermittelt hat. Der Durchbruch kam allerdings erst, als die EU Zugeständnisse gemacht und russische Exporte erleichtert hat…

Siehe auch “Russischer Revisionismus: Wie weit geht Wladimir der Große?” und “Sanktionen sinnvoll nutzen – für Verhandlungen”

P.S. Die Debatte über den “Terrorstaat” Russland erinnert an Jirnovs Thesen. Sie liefert aber keine Lösung, sondern lässt eine weitere Eskalation fürchten. Die USA haben schon mehrere “Terrorstaaten” bombardiert…

P.S. Uno-Generalsekretär Guterres hat vor einem Atomkrieg gewarnt. Die Welt sei “nur ein Mißverständnis” von dem nuklearen Untergang entfernt. Doch unsere Kriegstreiber kümmert das ebenso wenig wie Putin. Sie sagen, Putins Drohungen seien nicht ernst zu nehmen – und rüsten die Ukraine munter weiter auf….