Macron ist geschwächt
Nicht nur Kanzlerin Merkel mußte in der Coronakrise Federn lassen. Noch schlimmer hat es Frankreichs Staatschef Macron erwischt. Er verliert sogar die absolute Mehrheit im Parlament. Bei der nächsten Wahl könnte es eng werden.
“Merkel ist raus”, schrieben wir vor zwei Wochen, nachdem sich die Landesfürsten über die Kanzlerin hinweggesetzt und immer mehr “Lockerungen” eingeführt hatten.
Es hat ihr nicht geschadet, in den Umfragen liegt sie besser denn je. Sogar “die Regierung” in Berlin wird für ihr Krisenmanagement gelobt, dabei waren vor allem die Länder zuständig.
Ganz anders sieht die Sache in Paris aus. Da entscheidet allein der Fürst – und das Volk verzeiht ihm keinen Fehler. Deshalb ist Macron in den “Sondages” wieder abgestürzt, es ging einfach zu viel schief.
Die Pandemie verlief in Frankreich viel schlimmer als in Deutschland, dabei begann der Lockdown früher und war auch härter. Macron sprach von “Krieg” – und hat die Schlacht verloren.
Noch schmerzlicher für ihn ist aber vermutlich der Verlust der absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung. Sieben Abgeordnete aus der Regierungspartei LREM haben sich verabschiedet, meldet die “taz”.
Die Konsequenz sei zunächst einmal symbolisch, schreibt das Blatt: “LREM kann und muss auf die Unterstützung der verbündeten zentrumsdemokratischen Abgeordneten der Parteien MoDem und Agir setzen. “
Die Fraktionsbildung verdeutliche aber, wie sehr sich im Lager des Präsidenten Ernüchterung, Enttäuschung und Frustration breitgemacht haben.
Dabei hatte Macron nach dem Aufstand der “Gelbwesten” doch Besserung gelobt. Volksnäher und sozialer wollte er sein. Doch das nehmen ihm nun nicht einmal mehr die eigenen Leute ab.
Kleiner Trost: Immerhin kann er nun einen Erfolg auf der EU-Bühne verbuchen. Doch daheim in Paris dürfte ihm das wenig helfen; bei der nächsten Wahl droht eine Niederlage…
Siehe auch “Merkel und Macron preschen vor, brechen Tabus”
European
23. Mai 2020 @ 12:17
@Holly01,
dafür dass in Frankreich alles so furchtbar ist, sind sie aber erstaunlich produktiv. Bisher waren die Franzosen immer besser als die Deutschen. Nicht sehr viel, aber doch immerhin. Vielleicht liegt es eher an der einseitigen Sicht Außenstehender? Es gibt einfach viele Wahrheiten auf dieser Welt und wir sollten uns öfter in die anderen Kulturen hineindenken, um sie zu verstehen.
Holly01
24. Mai 2020 @ 07:28
Deutschland ist auch sehr erfolgreich, aber inhaltlich erbärmlich aufgestellt.
Entweder sind die Bürger klasse und sind trotz Politik erfolgreich oder es gibt eine menge Inhalte die am Ende doch ziemlich gut sind?
Hr Dr. Flassbeck betont immer wieder das Produktivität und Binnenmarkt in Frankreich empirisch nachweisbar besser sind … besser als in Deutschland zumindest 😉
vlg
European
24. Mai 2020 @ 21:43
@Holly01
Die Deutschen sollten sich mal fragen, warum sie immer ein Siegertreppchen brauchen. Die Besten, Schnellsten, Tollsten, Größten müssen sie sein und schon allein deshalb müssen die anderen schlechter sein. Man wird aber nicht größer, wenn man andere kleiner macht. Ihr posting über Frankreich konnte als ein einziger Abgesang auf das Land gelesen werden – und trotzdem sind die Franzosen mindestens genauso gut, wenn nicht in manchen Bereichen sogar besser als Deutschland. Was ist so schlimm daran, wenn man etwas Positives anerkennt?
Auch wenn man hier in einige andere Kommentare hineinliest, könnte einem das Grauen kommen. Nicht nur, dass viele Dinge nicht stimmen, substanzlos und einfach auch ökonomisch falsch sind, sie zeugen auch von einer Überheblichkeit, die nicht nur ihresgleichen sucht, sondern auch völlig unbegründet ist. Bei so manchem entdeckt man, dass der Wunsch nach dem großdeutschen Reich nicht ausgestorben ist. Wenn wir die anderen nicht mit einem Krieg vereinnahmen können, dann eben über die Wirtschaft. „Wir“ haben schließlich das Sagen, denn „Wir“ geben „Denen“, die angeblich nicht wirtschaften können. Dass es zwischen dem deutschen „Erfolg“ und der „Niederlage“ der anderen direkte Zusammenhänge bzw. Zwangsläufigkeiten gibt, wird gern ausgeblendet. Manche wissen es vielleicht auch tatsächlich nicht.
Das ist nicht persönlich gegen Sie gerichtet. Es ist nur eine allgemeine Beobachtung, wenn man sich durch die einzelnen Medien klickt, Berichte und Kommentare von Politikern und Medienschaffenden liest. Auch hier.
Wir sind eine italienisch-deutsche Familie und leben in UK, den Niederlanden, Deutschland und Italien. Nicht mehr deutsch, nicht ganz italienisch, nicht britisch – irgendwo dazwischen und immer sehr nahe dran. Europäer eben. Daher auch mein Pseudonym.
Nach einer Weile lernt man Länder und Kulturen von innen zu fühlen, egal ob sie zu einem gehört oder nicht. Es gibt eben viele Wahrheiten und man sieht genauer hin, man sucht sogar danach, um eine Kultur zu verstehen, was nicht bedeutet, dass man automatisch alles richtig findet. Daher auch meine Abwehr-Reaktion bezügl. Frankreich. Ich fühle übrigens auch mit Deutschen – mit denjenigen, die mit Perspektivlosigkeit, Niedriglöhnen, gesellschaftlicher Verachtung und sicherer Altersarmut das deutsche „Erfolgsmodell“ bezahlen. Immerhin ist das fast die Hälfte der Bevölkerung.
Wir sollten uns als Europäer verstehen und nicht Europa zu einem substanzlosen Selbstbedienungsladen verkommen lassen. Das ist sicher Hauptaufgabe der Politik – aber auch eines jeden einzelnen.
Holly01
25. Mai 2020 @ 07:32
@ European:
danke für diese sehr gute Antwort, war wirklich überfällig.
Wenn wir dabei sind, möchte ich auch sagen das es da auf den britischen Inseln einige Völker mit sehr liebenswerten Qualitäten gibt und ich die Menschen aus den USA zwar völlig übertrieben finde, aber sie sind extrem höflich und hilfsbereit.
Ja, die Menschen sind nicht das Problem.
Deutschland hat seit dem DoppelWK einen extrem ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex (so weit ein Land oder eine Gesellschaft so etwas überhaupt verallgemeinernd haben kann).
Das wird sich nach einem umfassenden Friedensvertrag hoffentlich relativieren.
vlg
European
25. Mai 2020 @ 11:41
@Holly01
Ich hab auch immer gedacht, es wäre ein Minderwertigkeitskomplex. Bei manchen mag das sogar stimmen.
Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass der Traum von der Großmacht immer noch in vielen Deutschen steckt. Kriege will man nicht mehr führen – schon allein wegen Personalmangel – aber mit Hilfe der Wirtschaft kann es gelingen.
Wenn ich sehe, wieviel tatsächliche und noch mehr stille Zustimmung die AfD hat, dann war der Nationalismus nie weg. Im Augenblick hat die CDU wieder an Zustimmung gewonnen, was auch der Krise geschuldet ist. Gerhard Schröder hatte das auch während der Oderflut.
Es gibt viele Gründe, sehr wachsam zu sein und genau hinzuhören, wer wie was sagt.
European
21. Mai 2020 @ 10:44
Das darf uns eigentlich nicht egal sein, insbesondere wenn man auf die Alternativen in Frankreich sieht.
Holly01
22. Mai 2020 @ 10:36
Frankreich reibt einen Präsidenten nach dem Andren auf und eine Regierung nach der Anderen.
Das ist die 5. Republik?
Inhaltlich steht Frankreich ungefähr hier:
” https://www.bpb.de/izpb/280665/die-aufloesung-der-europaeischen-imperien-und-ihre-folgen?p=all ”
DAS ist endlich ein Problem das Deutschland nicht hat !! 😉
Der Kanzlerin wird es herzlich egal sein, wer in Paris welche Rhetorik erfolglos einsetzt.
Der Entscheidende Punkt ist doch: Nach dem Brexit dürfte auch dem letzten Trottel in der EU klar sein, was “Austritt” wirklich bedeutet.
Also, was soll “Deutschland” schon passieren?
Kein Nachtisch, weil es böse war?
vlg
European
22. Mai 2020 @ 13:00
Die Frage ist, was besser ist?
Man könnte Frankreich auch als lebendige Demokratie verstehen, die eben auch Leute abwählt, wenn sie die Zustimmung verlieren. Deutschland kommt einem da eher vor, wie eine verlängerte Kaiserzeit. Heutige Teenager kennen nur Merkel – und man munkelt schon von einer 5. Amtszeit. Eine Groko macht es möglich. Man wird sie einfach nicht mehr los.
Im Moment genießt sie den Krisenbonus. Den hatte Gerhard Schröder auch nach der Oderflut.
Holly01
22. Mai 2020 @ 21:09
Eine “lebendige” Demokratie wäre tatsächlich positiv.
In Frankreich funktionieren nur leider viele Dinge nicht.
Ob das nun die Oligopole sind, die sich seit Jahrzehnten bekämpfen.
Ob es die Aussenpolitische Ausrichtung ist.
Ob es die Industriepolitik ist.
Ob es die Sozialpolitik ist.
Dazu diese Verwaltung die wie eine Echokammer funktioniert und sich all zu oft selbstbefruchtet.
Die Rückwärtsorientierung, die oft teuer ist.
Die Atomkraftwerke, die ein extremes Klumpenrisiko darstellen.
….
Die Liste ist noch länger als in Deutschland ….
In Deutschland stellt sich auch dieses “Suchen” der Wähler nach irgend einer Alternative ein. Die CDU war da lange die Ankerpartei und stand für die Kontinuität.
Aber das System versorgt immer weniger Menschen und immer mehr fürchten sich vor dem (unwiderruflichen) Abstieg.
Das ist keine lebendige Demokratie, sondern Verfall, der wie in den USA in tiefen Rissen in der Gesellschaft führt.
In Schland kann die CDU froh sein, das die Verdrängung der Armen von den Wahlurnen so super klappt. Arme gehen in Deutschland nicht wählen. Quasi der Traum für Neos. Aus den Augen aus dem Sinn.
vlg