“Das ist kein Schuldendrama”
Im neuen Gläubiger-Streit mit Griechenland zeichnet sich keine Lösung ab. Berlin steht gegen den IWF, beide zusammen stehen gegen Athen, und Athen hofft vergeblich auf Brüssel. Was nun?
„Das Problem muss noch vor dem britischen EU-Referendum im Juni gelöst werden“, sagt D. Papadimoulis, Leiter der Syriza-Delegation im Europaparlament.
Andernfalls könne der Schuldenstreit die Brexit-Debatte überschatten und pünktlich zur Volksabstimmung in Großbritannien eskalieren, warnt der Links-Politiker.
Es könnte sogar noch schlimmer kommen, fürchtet G. Zimmer, die Fraktionsvorsitzende der Vereinigten Linken im Europaparlament.
Finanzminister Schäuble, der den vom IWF geforderten Schuldenschnitt ablehnt, könne den Streit bewußt in die Länge ziehen, um Tsipras zu stürzen.
“Dies ist kein neues Schuldendrama“, sagt auch Papadimoulis. „Man versucht, Griechenland zu destabilisieren“.
Fest steht, dass die Zeit gegen Tsipras spielt – wieder einmal. Denn im Juli werden neue Kreditrückzahlungen fällig, die die Regierung in Athen ohne neue Hilfsgelder nicht bedienen kann.
Schon jetzt werden die Finanzmärkte nervös, an der Athener Börse geht es bergab… – Mehr hier
Ute Plass
29. April 2016 @ 23:39
“Die Auflösung der Euro-Währungsunion würde nicht helfen, die riesigen wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Dagegen stehen zunächst die gravierenden Umstellungsschwierigkeiten. Aber selbst wenn man diese ausblendet, ändert das nichts daran, dass in diesem Fall viele Probleme aus der Vor-Euro-Ära wieder da wären. Das wären vor allem eine dominante D-Mark und spekulative Währungsattacken. Die Hürden einer erfolgreichen Reform der EU sind sehr hoch. Sie setzen Vertragsänderungen voraus, die in einigen EU-Staaten per Volksabstimmung entschieden werden müssten. Unter der gegenwärtigen Grundstimmung in der EU und den realen Machtverhältnissen sind progressive Reformen der EU – sei es ein Plan A oder ein Plan B oder C – zurzeit kaum durchsetzbar und damit hypothetischer Natur. Doch alle großen Veränderungen galten zuerst als Utopien, bis sie in einem plötzlichen oder stetigen Prozess verwirklicht werden konnten. Und wo sie nicht verwirklicht wurden, dienten sie zumindest als Kristallisationskern, auf den sich Gegenbewegungen fokussieren konnten. Ohne eine breite europäische Bewegung für eine Solidargemeinschaft und gegen die reine Wettbewerbsunion wird es keine Reformen der Institutionen in Europa und keine andere Politik geben. Am Ende wird eine Wettbewerbsunion wegen des politisch-ökonomischen Machtgefälles scheitern. Je näher dieses Scheitern kommt, desto größer ist die Gefahr, dass sich danach nicht ein Modell eines anderen, besseren Europas durchsetzt, sondern ein Modell der national-chauvinistischen Ellenbogen – und Fäuste. ”
http://www2.alternative-wirtschaftspolitik.de/uploads/memo2016_kurzfassung.pdf
Peter Nemschak
1. Mai 2016 @ 09:33
Selbst wenn Ihre Befürchtungen Wirklichkeit würden, wäre das nicht das Ende Europas oder gar der Menschheit. Geschichte ist kein linearer Prozess, der Fortschritt war immer von Rückschlägen begleitet, nach denen es wieder bergauf ging. Keiner der zahllosen Prediger der Umkehr konnte den Gang der Menschheitsgeschichte aufhalten. Die Menschheit hat bisher alle überlebt und ist allen Unkenrufen zum trotz auf derzeit über 7 Millarden lebende Exemplare angewachsen, davon 500 Millionen allein ein der EU.
Jürgen Klute
29. April 2016 @ 11:06
@S.B. @Peter Nemschak Es wäre nicht nur ökonomisch eine Katastrophe aus dem Euro auszusteigen, es wäre auch ein völlig falsches politisches Signal. Nochmals: Nicht der Euro ist das Problem, sondern die halbherzige Einführung des Euro, also die Strukturfehler des Euro-Raumes sind das Problem. Sonst müsste ja auch in der BRD jedes Bundesland aufgrund der starken wirtschaftlichen Leistungsunterschiede eine eigene Währung haben. Dann wären wir wieder in der alten Kleinstaaterei.
Im übrigen halte ich eine wirtschaftliche Integration für die Voraussetzung dafür, dass es auf Dauer nicht wieder zu militärischen Konflikten innerhalb der EU-Mitgliedsländer kommt, sondern zu politischen Lösungsprozessen von Interessenkonflikten. Das hat sich seit mehr als 60 Jahren bewährt. Nur reicht eine wirtschaftliche Integration auf Dauer nicht aus. Sie muss ergänzt werden durch eine sozialpolitische und steuerpolitische Integration. Denn das ist die Voraussetzung für eine funktionierende Währungsunion.
Kein Mitgliedsstaat der heutigen EU ist in der Lage – auch die BRD nicht –, die heutigen politischen Probleme noch auf nationalstaatlicher Ebene zu lösen. Dazu gehören die Regulierung der globalen Finanzmärkte, der transnationalen Konzerne und das Internet ebenso wie die globalen Umweltprobleme, der Klimawandel und die globalen Fluchtbewegungen. Ein Zurück in den Nationalstaat ist nicht die Lösung – ein solcher Schritt würde die Probleme nur verschärfen, wie die Flüchtlingsdebatte in den letzten Monaten gezeigt hat.
S.B.
29. April 2016 @ 13:47
@Jürgen Klute
Das sehe ich anders: Es ist eine Katastrophe im Euro drinnen zu bleiben. Die Strukturfehler des Euro-Raumes lassen sich realistisch gesehen nicht beseitigen, da es dafür keine politischen Mehrheiten gibt. Also ist der Euro (-Raum) letztlich eine Fehlkonstruktion, die rückabgewickelt werden muss, wie auch immer.
Zur wirtschaftlichen Integration bedarf es keines Euros und keiner EU. Das hat zuvor mit der EWG und dem ECU viel besser funktioniert, viel länger und vor allem viel friedlicher. Erst mit dem Euro und der EU kam wieder Unfrieden und Fremdbestimmung in Europa auf. Für eine sozialpolitische und steuerpolitische Integration gibt es keinerlei Notwendigkeit. Beides würde nur die Politbetrüger begünstigen, die noch intransparenter umverteilen könnten. Das will niemand mit gesundem Menschenverstand. Mir fällt ohnehin kein Grund ein, warum jemand, der in D arbeitet, Steuern und Abgaben zahlt, Leute in Rest-Europa zwangssubventionieren sollte.
Nun haben wir schon lange internationale Institutionen, die angeblich globale Probleme lösen sollen. Nichts davon ist geschehen und es wird auch nicht geschehen. Denn diese Institutionen sind fremdgesteuert von Wallstreet, CoL etc. Die werden nie etwas gegen die Banken unternehmen. Genauso wenig wie die EU, welche die Banken permanent rettet, anstatt den Markt walten zu lassen. Es wurde bisher auch kein einzige Umweltproblem gelöst, Fluchtbewegungen werden geplant herbeigeführt und den permanenten Klimawandel gibt es seit Milliarden von Jahren auch ohne den Menschen. Nicht die Nationalstaaten verschärfen die Probleme, sondern die jetzigen internationalen mafiösen Organisationsstrukturen. Oder sehen Sie auch nur in einem einzigen Bereich eine “entschärfte” Situation und das trotz EU, UNO, IWF, BIZ und was weiß ich nicht noch allem. Das Gegenteil trifft wohl eher zu!
Es reicht, wenn jeder seine Probleme zu Hause löst. Selbst da ist die Situation alles andere als übersichtlich. Der ganz globalpolitische Eine-Welt-Unfug dient nur bestimmten Leuten, um über globale Umverteilung noch mehr Kasse zu machen. Zu nichts anderem ist dieses Polit-Theater gut.
Peter Nemschak
29. April 2016 @ 16:14
@Jürgen Klute Ich bin nicht für einen Ausstieg aus dem Euro, im Gegenteil. Wenn politisch eine Transferunion nicht gewollt ist, verständlich für die strukturellen Nettozahler, bedarf es der Disziplin des Stabilitätspaktes, um die Währung glaubhaft zu halten. Griechenland hat sich letztes Jahr für den Verbleib im Euro entschieden und muss sich daher dem Stabilitätspakt unterwerfen, auch wenn es für breite Kreise der Wähler unangenehm ist.
Peter Nemschak
29. April 2016 @ 08:49
Wem soll man glauben? ebo, der die Situation wie so oft dramatisiert oder Moscovici, der meint, dass 99% des Weges zu einer Einigung bereits zurückgelegt sind, angeblich sei inzwischen auch Tsipras entspannter. Am besten abwarten, Wiedervorlage des Themas am 9.5. (Sondertreffen der Euro-Gruppe).
Jürgen Klute
29. April 2016 @ 09:24
@ Peter Nemschak: Irgendeine Lösung wird man vermutlich am Ende schon finden. So funktioniert die EU. Das Problem ist aber die aus griechischer Sicht demütigende Art und Weise, wie mit Griechenland umgegangen wird. Das stellt Eric Bonse ja sehr deutliche heraus und die Kritik an dieser Umgehensweise mit der griechischen Regierung halte ich für richtig und nötig. Die Bundesregierung hat von Anfang der Krise an eine Krisenpolitik durchgesetzt, die dazu geführt hat, da acht Jahre nach Beginn der Krise die Krise noch immer nicht überwunden ist und vor allem die Südeuropäischen kleinen EU-Mitgliedsstaaten in einer tiefen schon mehrere Jahre andauernden Rezension stecken. Außerhalb der BRD ist das weitgehend Konsens und zunehmend wird die BRD und der Euro-Raum als die eigentliche Problemursache der Krise wahrgenommen (also: Konstruktionsfehler des Euro). Doch weder die Bundesregierung noch der Euro-Raum als ganzer reagiert darauf angemessen. Statt dessen meiert Schäuble die gewählte griechische Regierung ab und lässt immer wieder vor die Wand laufen. Auf diese Weise wir die EU ihre tiefe ökonomische und politische Krise jedenfalls nicht überwinden.
Peter Nemschak
29. April 2016 @ 10:31
Deutschland hätte sich seinerzeit von seinen europäischen Partnern den Euro nicht aufdrängen lassen sollen. Unter den derzeitigen Bedingungen ist das Verhalten Schäubles rational, da er den deutschen Wählern verpflichtet ist. Alle EU-Mitglieder haben eine stark außenhandelsverflochtene Wirtschaft, allerdings sind manche Wirtschaften weniger wettbewerbsfähig als andere. Das kommt im unterschiedlichen Wohlstandsniveau der EU-Mitglieder zum Ausdruck und muss von den jeweiligen Bevölkerungen akzeptiert werden, da eine Transferunion politisch nicht durchsetzbar ist. Dazu bedürfte es eines föderalen Bundesstaates wie der USA. Umgekehrt besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Schwächeren zu den Stärkeren aufschließen, wenn sie ihr Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell anpassen. Es ist unrealistisch zu glauben, dass sich der Stärkere dem Schwächeren anpassen wird. Er wird es nur in soweit tun, als er es für sein Eigeninteresse hält.
S.B.
29. April 2016 @ 10:47
@Jürgen Klute: “Doch weder die Bundesregierung noch der Euro-Raum als ganzer reagiert darauf angemessen.” – Ja, es ist wirklich ein Witz! D steigt nicht aus dem Euro aus, weil es dann an dem zunächst folgenden Bereinigungs-Chaos Schuld wäre. Die schwachen Länder steigen auch nicht aus; warum erschließt sich mir nicht. Das sie zu den stärkeren Wirtschaften aufschließen, ist mit oder ohne Euro ausgeschlossen. Besteht die Euro-Knebelung für deren Wirtschaft aber fort, kommen die nie wieder auf die Beine. Also warum um Gottes Willen steigen die Südländer nicht aus dem Euro aus? Ihnen würde das darauffolgende Chaos niemand wirklich übel nehmen.
Jürgen Klute
29. April 2016 @ 08:27
Das ist eine Schande! Und das alles passiert unter Beteiligung und Duldung durch die SPD als Juniorpartner in der großen Koalition!