Handelspolitik: Vom Neoliberalismus zum Protektionismus?

China hat der EU vorgeworfen, den Freihandel aufzugeben und immer mehr auf Protektionismus zu setzen. Der gute Ruf als weltoffener Handelspartner stehe auf dem Spiel. Was ist da dran?

Die chinesische Regierung hat der EU wegen einer neuen Initiative Protektionismus vorgeworfen. Der Ruf als weltoffener Handelspartner “steht auf dem Spiel”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. Brüssel dürfe nicht auf “Anti-Globalisierungsmaßnahmen” setzen.

Hintergrund ist ein EU-Paket zur “wirtschaftlichen Sicherheit”. Es zielt vor allem auf China und fügt sich in die neue Strategie des “De-Risking”, also der Risikominderung, ein. Als Risiko werden dabei vor allem chinesische Investitionen und der Technologie-Transfer gesehen.

Europa dürfe nicht zum “Spielplatz” für ausländische Unternehmen werden, sagte EU-Vizekommissionspräsidentin Margrethe Vestager. Das ist es allerdings längst. US-Konzerne und Hedgefonds, aber auch Unternehmen aus Katar üben seit Jahren einen gefährlichen Einfluß aus.

Noch vor kurzem sah die EU darin kein Problem. In der Ära des Neoliberalismus, die zumindest bis zum globalen Finanzcrash dauerte, konnte der Handel nicht genug liberalisiert werden. Zum europäischen Dogma gehörte auch der freie Fluß von Kapital und Investitionen.

Nach der Finanz- und Eurokrise sickerten zunehmend Elemente des amerikanischen Neokonservatismus in die europäische Politik ein. Damit wurden Interventionismus und Protektionismus hoffähig. In der Trump-Ära versuchte die EU aber immerhin noch, sich zu wehren.

Seit der Wahl von Biden ist es damit vorbei. Nun übernimmt die EU nicht nur die amerikanische Anti-China-Politik. Sie entwickelt auch einen eigenen, geopolitisch verbrämten Protektionismus, der erst mit den Problemen in der Coronakrise, dann mit dem Ukraine-Krieg begründet wurde.

Man müsse Lieferketten “sichern” und sich vor Handels-Risiken “schützen”, heißt die neue Doktrin. Allerdings lässt sie sich bisher kaum durchhalten. Während Brüssel “wirtschaftliche Sicherheit” predigt, pilgern die Staats- und Regierungchefs der EU nach China.

Nach Kanzler Scholz und Präsident Macron war zuletzt der belgische Premier De Croo in Peking. Pünktlich zu Beginn des belgischen EU-Vorsitzes warb er um chinesische Investitionen und versuchte, gute Geschäfte auf dem riesigen chinesischen Markt einzufädeln…

Siehe auch “Bösewicht China” – ein Beitrag in unserem Newsletter

P.S. Unter Biden haben die USA immerhin eine recht fortschrittliche Wirtschaftspolitik verfolgt. Doch ausgerechnet die hat die EU verschlafen – weshalb sie nun von den Amerikanern beim IRA an die Wand gespielt wird…