Deckel ohne Wumms, Dauerauftrag für Kiew – und eine brisante Mission
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Der EU-Gipfel einigt sich auf einen vagen “Fahrplan” zur Senkung der Gaspreise. Kommissionschefin von der Leyen verspricht der Ukraine monatliche Budgethilfen über 1,5 Mrd. Euro. Und die Außenminister beschließen eine brisante militärische Ausbildungsmission.
Bereits seit einem Jahr diskutieren die 27 EU-Staaten über Maßnahmen gegen die Energiekrise, die lange vor dem Ukraine-Krieg begonnen hat. Beim EU-Gipfel haben sie sich nun auf ein Programm zur Senkung der exorbitanten Gas- und Strompreise geeinigt.
Um Energie in Europa wieder erschwinglich zu machen, wollen sie künftig gemeinsam Gas einkaufen – allerdings nur freiwillig und auch nur 15 Prozent des Speicherbedarfs. Außerdem planen sie einen Gaspreisdeckel „light“. Er soll allerdings nur in Notfällen aktiviert werden.
Frankreich und ein Dutzend weitere EU-Staaten hatten ein dauerhaftes Preislimit gefordert. Sie konnten sich jedoch nicht gegen Deutschland durchsetzen.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich gegen einen „politisch gesetzten Preisdeckel“ aus und warnte vor Versorgungsengpässen. Wenn der Preis zu niedrig wäre, könnten Tanker mit Flüssiggas einen großen Bogen um Europa machen.
Zehn Stunden lang redeten sich die Chefs beim Gipfel in Brüssel die Köpfe heiß, bevor sie den vagen Kompromiss fanden. Demnach wollen sie einen „befristeten dynamischen Preiskorridor für Erdgasgeschäfte“ schaffen.
Der Gaspreis würde dabei nur zeitweise gedeckelt und flexibel an die Entwicklung am Weltmarkt angepasst. Wie das in der Praxis funktionieren soll, blieb allerdings unklar.
Die Lösung sollen die Energieminister bei ihrem nächsten Treffen am kommenden Dienstag finden. Einfach wird das nicht, denn der Teufel steckt im Detail. Der Preis ist zuletzt zwar gesunken, aber vor allem wegen milder Temperaturen und voller Gasspeicher.
Siehe dazu auch meinen Kommentar hier
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Jeden Monat 1,5 Mrd. für die Ukraine
Was war noch? Die bekannt amerikafreundliche EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat der Ukraine monatliche Budgethilfen von ca. 1,5 Mrd. Euro in Aussicht gestellt. Zuvor hatten die USA massiven Druck auf die EU gemacht, mehr zu zahlen.
Allerdings gibt es im Budget bisher keine Regel, die die dauerhafte Alimentation eines Nicht-EU-Staates vorsieht, noch dazu im Krieg. Laut von der Leyen sollen sich die Finanzminister mit dem Thema beschäftigen. Dort zeichnet sich noch kein Konsens ab…
Last but not least haben die Außenminister einer militärischen Ausbildungsmission für die Ukraine zugestimmt. Sie setzen sich damit über den EU-Vertrag hinweg, der Militäreinsätze nur außerhalb der EU vorsieht, und machen sich damit endgültig zur Kriegspartei...
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P.S. Nach Redaktionsschluß kam noch das hier – ohne Worte:
Congratulations to @GiorgiaMeloni on her appointment as Italian Prime Minister, the first woman to hold the post.
— Ursula von der Leyen (@vonderleyen) October 22, 2022
I count on and look forward to constructive cooperation with the new government on the challenges we face together.
“Ukraine steuert auf Niederlage zu”
Die Stimmung in Brüssel kippt. Nachdem man lange auf einen “Sieg” der Ukraine gesetzt hatte, redet man nun über eine mögliche Niederlage.
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