Dammbruch in Deutschland, Risse in der Allianz – und Säuberungen in der Ukraine
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Mit dem deutschen “Ja” zu Kampfpanzern bricht der letzte Damm bei Waffenlieferungen in die Ukraine. Zugleich werden die Risse in der westlichen Allianz immer größer. Und in der Ukraine gibt es Säuberungen – geht es allein um Korruption?
Nun ist auch der letzte Damm gebrochen. Mit seinem “Ja” zu Kampfpanzern hat Kanzler Scholz die letzte rote Linie für Waffenlieferungen aufgegeben. Zwar nicht kampflos, aber doch aufgegeben.
Damit ist der Weg für weitere, noch gefährlichere Waffen frei. Kampfjets, Mittelstreckenraketen, Splittermunition – die Phantasie in Kiew kennt keine Grenzen mehr, Scholz steht weiter unter Druck.
Zugleich verändert sich der Charakter des Krieges. Bisher ließ der Westen die Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führen. Nun führen wir selbst Krieg, wie Außenministerin Baerbock stolz hinaus posaunte.
So habe sie es nicht gemeint, hieß es beschwichtigend in Berlin, Deutschland sei keine Kriegspartei. Dabei hat Baerbock doch nur das Offensichtliche gesagt. Und in Moskau wurde es auch genau so verstanden.
Was folgt daraus? Wir wissen es nicht. Zar Putin hat sich von Anfang an im Krieg gegen den Westen gesehen, Baerbocks lose Worte und ein paar wildgewordene Leos dürften ihn da kaum jucken.
Umso mehr müssen sie uns jucken – die Bürger Deutschlands und Europas. Denn der Dammbruch geschah, ohne den Souverän zu fragen. Er geschah ohne parlamentarische Kontrolle und ohne Opposition.
Über Nacht finden wir uns in einem diffusen Kriegszustand wieder, den wir nicht mehr abschütteln können. EUropa ist wieder zum Kontinent der Schlafwandler geworden, wie vor dem 1. Weltkrieg.
Wie damals tun sich auch nun wieder Abgründe auf, die jederzeit zu einer unkontrollierten Kettenreaktion führen können. Polen hat schon mit Alleingang gedroht, auch die Balten sind außer Rand und Band.
Die Kriegstreiber haben Oberwasser
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US-Präsident Biden will wohl nur deshalb Abrams-Panzer schicken, weil er eine Spaltung der Nato fürchtet. Scholz hat ihn nicht überzeugt – vielmehr geht es darum, die tiefen Risse zu übertünschen.
Vermutlich ist es dafür aber schon zu spät. Nun haben die Kriegstreiber Oberwasser, die – wie der ukrainische Präsidentenberater Mikhail Podolyak – mit Angriffen auf Moskau oder St. Petersburg drohen.
Mag sein, dass es im Hintergrund auch diplomatische Initiativen gibt. Es wäre zu hoffen. Doch zunächst einmal entfaltet der Dammbruch in Deutschland seine fatale Wirkung; mir macht das Angst.
CIA und EU: Hoher Besuch in Kiew
Was war noch? In der Ukraine hat eine umfassende Säuberungs-Kampagne begonnen, die bis ins Verteidigungsministerium und ins Präsidentenbüro reicht. Offiziell geht es um Korruptionsverdacht.
Doch wahrscheinlich steckt mehr dahinter. Das große Aufräumen hat nach einem Besuch von CIA-Direktor Burns in Kiew begonnen, und es kommt gerade recht zum EU-Ukraine-Gipfel in der kommenden Woche.
Präsident Selenskyj will sich mit einer reinen Weste präsentieren. Die EUropäer lassen sich davon womöglich blenden, die Ukrainer nicht: Sie klagen, die Führung in Kiew würde sich bereichern – mithilfe des Westens und der EU…
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Ukraine, Aufrüstung, Migration: Risse in der EU werden tiefer
Nach außen präsentiert sich die EU einig. Doch in Wahrheit werden die Risse immer tiefer – und das nicht nur bei der Ukraine.

Diese “offiziöse” Verschwörungs-Theorie soll Aufrüstung begründen
Die EU kämpft gegen Desinformation und Verschwörungstheorien. Doch jetzt ist sie selbst einer Verschwörungs-Erzählung aufgesessen – damit wird sogar die massive Aufrüstung begründet. Auf Fakten stützt sich diese Politik indes nicht, sondern auf Spekulationen und Angst.

Einstieg in Friedensprozess – doch EU sieht sich mehr denn je bedroht
In ihrem zweiten Telefongespräch haben US-Präsident Trump und Kremlchef Putin die kurzfristigen Erwartungen der Ukraine enttäuscht, dafür aber neue längerfristige Perspektiven eröffnet.
Hans L. Schmid
29. Januar 2023 @ 22:37
„Der Dammbruch geschah, ohne den Souverän zu fragen. Er geschah ohne parlamentarische Kontrolle und ohne Opposition.“ – Das ist in der Tat so und ist beängstigend.
Es tun sich tatsächlich „Abgründe auf“, die jederzeit zu einer Kettenreaktion führen können. „Die Kriegstreiber haben Oberwasser“, die Polen drohen mit dem Alleingang, die Balten sind ausser Rand und Band und Russland verfügt das grösste Atomwaffenarsenal der Welt. – Das macht auch mir Angst.
Es sieht so aus, als ob nur noch die Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa die Gewaltspirale stoppen können – mit einer von Millionen mündigen Europäern getragenen online-Revolte auf http://www.our-new-europe.eu und der Petition für ein neues friedliches, vielfältiges, demokratisches, starkes Europa der Bürgerinnen und der Bürger!
KK
29. Januar 2023 @ 01:11
@ umbhaki:
“Laut AA-Pressesprecher Wagner alles bloß aufgebauscht …”
Ja, wie damals, als sie sagte, es sei ihr egal, was ihre deutschen Wähler sagen. Angeblich war das auch alles von der Russenproaganda völlig falsch übersetzt ud aus dem Kontext gerissen, der O-Ton war aber eindeutig!
Eine Aussenministerin, die man nicht ernst nehmen kann und soll… gehts noch? Wo Diplomaten seit jeher doch jedes einzelne Wort vorher auf die Goldwaage legen?
Ist das der neue feministische Stil der deutschen Aussenpolitik?
umbhaki
28. Januar 2023 @ 21:17
Zum Thema Dammbruch: Auf Twitter hat Thilo Jung eine Ausschnitt der Pressekonferenz veröffentlicht, in der die Aussage von Baerbock thematisiert wurde. Laut AA-Pressesprecher Wagner alles bloß aufgebauscht …
https://twitter.com/TiloJung/status/1618957799270105088
In den Kommentaren dazu findet sich ein kurzer Ausschnitt aus dem „Morgenmagazin“ mit Claudia Major, ihres Zeichens Forschungsgruppenleiterin für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik. Sie meint, Baerbock habe sich bloß unglücklich ausgedrückt und sie beklagt, dass dies nun von der bösen russischen Propaganda ausgeschlachtet werde. Dann sagt sie folgenden Satz:
„Deutschland ist keine Kriegspartei. Es sind keine Bodentruppen da, aber natürlich ist Deutschland nicht neutral.“
Wenn diese Frau Doktor mit Promotion zum Thema „Entwicklung der EU zu einem Sicherheits- und Verteidigungsakteur“ sich darüber beklagt, dass Baerbock sich unglücklich ausgedrückt habe, dann darf man doch wohl davon ausgehen, dass sie selbst da sorgfältig formuliert hat.
Na dann ist doch alles prima! Können wir also auch Flugzeuge schicken, und zwar mit deutschen Piloten. Schließlich sind das keine Bodentruppen, bzw. erst, nachdem sie abgeschossen wurden, aber dann ist ja schon wieder der Russe selber Schuld.
Auch gegen Kriegsschiffe und U-Boote spricht nun nichts mehr – deren Personal sind ja auch keine Bodentruppen.
Weiter, immer weiter! Sie kennen keine Grenze und haben von Beginn an keine Grenze geplant. Der große Krieg wird uns nur schrittweise untergejubelt, damit es keinen Aufschrei gibt. Ganz im Sinne des berüchtigten Ausspruchs von Jean-Claude Juncker:
„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“
ebo
28. Januar 2023 @ 21:23
Erstaunlich ist immer wieder, welche Macht der russischen Propaganda zugeschrieben wird. Während 99 Prozent der deutschen Medien auf Nato Kurs sind, wird sogar von der Bundesregierung der Eindruck erweckt, als würden wir alle Radio Moskau hören
european
29. Januar 2023 @ 15:00
Zumal doch die “russischen Propagandamedien” für uns alle gesperrt wurden, um die Reinheit unseres Geistes zu schützen 😉