Bürgerprotest und Bauernaufstand, Rechtsruck und Ruf zu den Waffen
Die Watchlist EUropa vom 27. Januar 2024 – heute mit der Wochenchronik.
Es brodelt in EUropa. Erst die Bürgerproteste gegen die AfD und die “Remigration”. Dann der Bauernaufstand, der von Deutschland auf Frankreich, Belgien und andere Länder übergeschwappt ist.
Zu beiden Themen, die die Europawahl prägen könnten, wußte die EU nicht viel zu sagen. Ich habe in Brüssel weder Lob für die deutsche Zivilgesellschaft noch Verständnis für die französischen Bauern gehört.
Kein Wunder. Denn wer den Protest gegen “Rechts” lobt, muß sich auch fragen lassen, was er selbst tut, um den Vormarsch der Rechtspopulisten, Nationalisten und Neo- oder Post-Faschisten zu stoppen.
Die EU tut – nichts. In Brüssel werden zwar begierig alle Umfragen aufgegriffen, die bei der Europawahl einen Rechtsruck prognostizieren. Doch das geschieht eigentlich nur, um die Wähler zur Ordnung zu rufen.
___STEADY_PAYWALL___
Sie sollen gefälligst pro-europäische Parteien wählen und die EU-Führung bestätigen. Dass diese Führung selbst mit Post-Faschisten wie in Italien und Rechtspopulisten wie in Schweden kollaboriert, ist kein Thema.
Kein Thema ist auch die Mitverantwortung der EU für die Bauernproteste. Dabei wird die Agrarpolitik aus Brüssel gesteuert. Die EU verteilt die Subventionen, die EU macht bürokratische Umwelt-Auflagen.
Die EU-Kommission ist es auch, die den Agrarmarkt für Billig-Importe aus der Ukraine öffnet und den Weg für die Mercosur-Staaten ebnen will. Doch Kommissionschefin von der Leyen spielt die Unschuldige.
Sie setzt auf einen “strategischen Dialog”, der wohl vor allem als Beruhigungspille gedacht ist. Doch wenn sich nichts ändert, wird auch der Bauernaufstand den Rechtsruck befördern, fürchte ich…
Was war noch? Die EU-Außenminister setzen sich für eine Zweistaaten-Lösung im Nahen Osten ein. Doch Israel macht nicht mit. Die Regierung Netnajahu schafft weiter Fakten, die einen palästinensischen Staat unmöglich machen.
Sie ist offenbar auch entschlossen, ihren Krieg in Gaza weiterzuführen, obwohl dies nach Ansicht des IGH in Den Haag die Gefahr eines Völkermords hinaufbeschwört. Wann zieht die EU die Konsequenzen?
Streit gibt es auch weiter über die Ukraine. Es geht nicht nur um 50 Mrd. Euro, die die EU gegen Ungarns Regierungschef Orban durchboxen will. Es geht auch um weitere, massive Waffenlieferungen.
Da macht Kanzler Scholz hinter den Kulissen Druck – aber in einer Art und Weise, die viele EU-Partner vor den Kopf stösst und dazu führt, dass die geplante gemeinsame Kriegskasse nicht vorankommt…
Mehr dazu hier
P.S. Am Freitagabend kam noch die Meldung, dass EU-Ratspräsident Michel doch bis zum Ende seiner Amtszeit in Brüssel bleibt und nicht, wie geplant und heftig kritisiert, für das Europaparlament kandidiert. Ihr habt es nicht anders gewollt… 🙂
Die meistgelesenen Beiträge der Woche:

Ukraine, Aufrüstung, Migration: Risse in der EU werden tiefer
Nach außen präsentiert sich die EU einig. Doch in Wahrheit werden die Risse immer tiefer – und das nicht nur bei der Ukraine.

Diese “offiziöse” Verschwörungs-Theorie soll Aufrüstung begründen
Die EU kämpft gegen Desinformation und Verschwörungstheorien. Doch jetzt ist sie selbst einer Verschwörungs-Erzählung aufgesessen – damit wird sogar die massive Aufrüstung begründet. Auf Fakten stützt sich diese Politik indes nicht, sondern auf Spekulationen und Angst.

Einstieg in Friedensprozess – doch EU sieht sich mehr denn je bedroht
In ihrem zweiten Telefongespräch haben US-Präsident Trump und Kremlchef Putin die kurzfristigen Erwartungen der Ukraine enttäuscht, dafür aber neue längerfristige Perspektiven eröffnet.
Mehr Newsletter hier.
Arthur Dent
28. Januar 2024 @ 23:28
@european
“Die Organisatoren kommen auch aus den Regierungsparteien, überwiegend von SPD und Grünen.” – Richtig, derweil versuchen SPD und Grüne sich an die Spitze der Proteste zu setzen, die Demos zu kapern und Wählerstimmen zurückzugewinnen mit “gemeinsam gegen Rechts”. Dabei haben doch die Regierungsparteien das Narrativ vom wachsenden Migrationsdruck losgetreten mit den dauerhaft überlasteten Kommunen. Offensichtlich ist das Problem mit der Migration auf einmal wie weggeblasen. Und wenn man z.B. in das angeblich zivilgesellschaftliche Bürgerbündnis “Essen stellt sich quer” hinblickt, dann stellt es sich als ein Sammelbecken von politisch Unzufriedenen des anderen politischen Spektrums heraus. DKP, MLPD, Antifa usw. – teilweise werden diese Organisationen selbst vom Verfassungsschutz beobachtet. Der größte Teil der ehrlich besorgten Demonstranten wird das gar nicht wissen. Die werden schön manipuliert und instrumentalisiert.
– das fängt aber schon in der Schule an, die “Aufklärung” über den Nationalsozialismus ist auf Empörung ausgerichtet, die antifaschistische Nationalmoral ist nicht das Resultat einer (wissenschaftlich fundierten) Kritik an der Politik des Faschismus, sondern Resultat eines verlorenen Krieges. Dieser offizielle deutsche Antifaschismus ist deswegen auch nicht Zeichen einer politischen Einsicht, sondern die Nationalmoral, die ein besiegtes Land sich anzubequemen hat.
KK
29. Januar 2024 @ 13:33
“Richtig, derweil versuchen SPD und Grüne sich an die Spitze der Proteste zu setzen…”
Es ist schon etwas befremdlich und entbehrt nicht einer gewissen skurilen Komik, wenn die Regierung gegen die Opposition demonstriert.
Helmut Höft
28. Januar 2024 @ 08:15
Julian Nida-Rümelin wird heute morgen im dlf zitiert (hier sinngemäß):
„Es wird gefordert die Parteien sollten zusammenstehen, im Angesicht der rechten Gefahre. Das Gegenteil könnte richtig sein: Gerade das Zusammenstehen und damit gleichmachen, uniformmachen hat zur heutigen Situation wahrscheinlich viel beigetragen: Es muss, gerade in den Parteien, gestritten werden zwischen den verschiedenen Meinungen und Ansichten, für ein tragfähiges allgemein anerkanntes Ergebnis.“
Nachsatz meinerseits: Dann macht der außerparlamenarische Protest auf der Straße erst recht Sinn!
european
28. Januar 2024 @ 10:19
@Helmut Höft
Sehr richtig!
Die Ampel ist die beste Wahlhelferin der AfD. Im Prinzip protestiert man gegen die Auswirkungen der eigenen Politik. Die Organisatoren kommen auch aus den Regierungsparteien, überwiegend von SPD und Grünen. Der Jubel über die 1.5% Verluste der AfD sind m.E. lächerlich, weil zum einen gerade Parteien in Neugründung sind und zum anderen viele bei den Umfragen nicht mehr sagen, was sie wirklich denken, was niemanden verwundern dürfte. Nur noch in der Wahlkabine kann man sich gefahrlos und anonym äußern.
Deutschland ist diesbezüglich eher Schlusslicht in einer europäischen Entwicklung, die mit der Finanzkrise und der nachfolgenden, von Deutschland durchgepeitschten, Austeritätspolitik ihren Anfang nahm. Deswegen hat es auch wenig Sinn, sich nach Merkel zurückzusehnen, denn ihre Politik war gewissermaßen Ursache allen Übels.
Politik und Medien gehen aktuell Hand in Hand. Über die Demos gegen Rechts wird ausführlich berichtet, während man die Berichte über die um sich greifenden Bauerndemos in ausländischen Medien findet. Es ist ja nicht mehr auf Deutschland und Frankreich beschränkt. In immer mehr Ländern rollen die Trecker – sogar hier in Schottland :D.
Arthur Dent
27. Januar 2024 @ 15:55
Wer den Protest gegen „Rechts“ lobt…
wählt brav die Parteien der extremistischen Mitte. Die Parteien, die Märkte entfesseln wollen, Banken und Konzerne mit zig-Steuermilliarden retten und den Bürgern rigide Spar-und Kürzungsprogramme verordnen. Arbeiten bis 70 und darüber hinaus, alles vernünftig und ALTERNATIVLOS! Wer das infrage stellt und dann auch noch gegen die „weltoffene“ EU argumentiert, ist ein Extremist.
(Ab 17.02. werden wir „Dummerchen“ Gott sei Dank durch den DSA vollumfänglich vor fake-news geschützt).
KK
27. Januar 2024 @ 23:32
„Wer den Protest gegen „Rechts“ lobt…“
Es ist schon bemerkenswert:
Früher hat das Kabarett und die Satire die Regierenden und deren Politik kritisiert, gegen sie polemisiert und lächerlich gemacht (und damit quasi die Funktion der früheren Hofnarren übernommen), heute polemisieren Kabarett und Satire mehrheitlich gegen die Kritiker von Regierung und Politik und machen diese Kritiker lächerlich, den Ausnahmen hiervon wird immer weniger Raum zugestanden.
Und so auch bei den Domonstrationen: Früher wurde gegen Regierungspolitik demonstriert, heute demonstriert die Regierung mit gegen die einzige von offenbar immer mehr Wählern wahrnehmbare parlamentarische Opposition gegen eben diese Politik.
Anstatt einfach mal die eigene Politik zu hinterfragen, die eben diese Wähler den rechten Bauernfängern scharenweise in die Arme treibt.
WBD
29. Januar 2024 @ 09:49
Nu(h)r mal so, ohne weiteren Kommentar: ‘Stalin hat ja nicht weniger Menschen umgebracht als Adolf Hitler’ (Dieter Nuhr, ‘Nuhr im Ersten’, 25. Januar 2024, Minute 5’30” der Mediathek-Fassung)…
ebo
29. Januar 2024 @ 10:05
Wo ist der Bezug?
wbd
29. Januar 2024 @ 10:32
hallo ebo,
wo ist der bezug? – naja, bei kk’s darstellung der traurigen rolle der derzeitigen kabarettisten…
lg rainer